Kurz vor 8 Uhr herrscht am Flughafen Friedrichshafen scheinbar reger Reisebetrieb. Etwas mehr als 40 Menschen halten sich in der Wartehalle auf. Auffällig ist allerdings, dass kein einziger der Check-in-Schalter besetzt ist und sich dennoch immer wieder kleine Warteschlangen bilden. Ein Aufbau im linken Bereich der Halle bringt die Auflösung: Vor einem Gerüst, auf dem eine fahrbare Kamera aufgebaut ist, stehen unterschiedliche Scheinwerfer. Der Bodensee-Airport ist an diesem Tag Filmset. Die Menschen, die hier auf einen Flug zu warten scheinen, sind Statisten und Komparsen.

Eine fast normale Szene in der Wartehalle des Flughafens Friedrichshafen.
Eine fast normale Szene in der Wartehalle des Flughafens Friedrichshafen. | Bild: Lena Reiner

„Ruhe bitte“, ruft Omram Bhagchandani. „Sound!“ In der Halle wird es leise. Es ertönt nur mehr aus unterschiedlichen Richtungen „set“, was aus dem Englischen kommend so viel wie „steht“ bedeutet. Schließlich folgt die Anweisung für Blair Russel, eine der Hauptdarstellerinnen: „Action!“ Sie geht zügig mit klackernden Absätzen durch die Flughafenhalle.

Aufnahme läuft! Video: Lena Reiner

Kaum ist die kurze Aufnahme beendet, wirkt es, als sei ein Schalter umgelegt worden. Alle, die zwischenzeitlich mucksmäuschenstill an ihrem Platz standen oder saßen, bewegen sich jetzt wieder und unterhalten sich. Dann folgt aber auch schon die erneute Aufnahme derselben kurzen Szene. Wieder müssen alle, die nicht zum Filmgeschehen vor der Kamera gehören, besonders leise sein.

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Ganz weit hinten in der Halle, an der Kaffeestation, steht Jonas Helle. „Ich denke, ich habe den Job am Set mit der meisten Wartezeit“, sagt er und schmunzelt. Er baue all das auf, woran später die Kamera bewegt werde. Das bedeute auch mal, morgens als Erster aufzubauen, den ganzen Dreh über zu warten und am Ende abzubauen. Dennoch mache ihm die Arbeit hier Spaß. „Ich versuche, alle Bereiche kennenzulernen. Ich studiere zurzeit Film in Offenburg“, schildert der 24-Jährige.

Jonas Helle hat einen der Jobs mit den längsten Wartezeiten am Set.
Jonas Helle hat einen der Jobs mit den längsten Wartezeiten am Set. | Bild: Lena Reiner

Blair Russell spielt in ihrer Freizeit beim englischsprachigen Theaterverein Bodensee Players und hat außerdem schon in kurzen Werbespots mitgewirkt. Im echten Leben arbeitet sie für eine Versicherungsfirma. „Das hier ist eine neue Erfahrung, aber es ist wirklich wundervoll. Mir gefällt alles daran“, sagt sie. Als Produzent Lewis von Alberti sie nach einem Auftritt der Bodensee Players gefragt habe, habe sie sofort zugesagt.

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„Kurz danach machte ich mir dann etwas Sorgen, ob ich es wirklich umsetzen kann“, schildert Russell. „Es war auch anfangs etwas überfordernd, so viele Kameras auf mich gerichtet zu haben, aber ich konnte mich daran gewöhnen.“ Was sie von ihrer Rolle hält? „Ich bin auf jeden Fall viel lockerer und lebensbejahender als Patrice. Ich liebe es aber, gegensätzliche Charaktere zu spielen; das mache ich auch häufiger auf der Bühne“, sagt sie.

Blair Russell spielt eine der beiden Hauptrollen.
Blair Russell spielt eine der beiden Hauptrollen. | Bild: Lena Reiner

Die Hauptdarstellerin holt sich noch schnell das Skript, um ihren Text nochmals zu lesen. Dieser stellt grundsätzlich für sie aber kein Problem dar. Als Bühnendarstellerin ist die 42-Jährige ein anderes Arbeiten gewöhnt: „Vor Publikum kann man schließlich nicht einfach sagen, man spielt die Szene noch einmal.“ Es sei schon etwas ungewohnt, kein Publikum, keine Reaktionen von diesem und keinen Applaus zu bekommen. Doch das Arbeiten mache ihr dennoch enorm Spaß und es habe auch Vorteile, immer nur kleine Teile einer Gesamtgeschichte spielen und perfektionieren zu können.

Felix Biemann und Jana Königsmann frischen das Make-up von Hauptdarstellerin Blair Russell auf.
Felix Biemann und Jana Königsmann frischen das Make-up von Hauptdarstellerin Blair Russell auf. | Bild: Lena Reiner

Regisseur Omram Bhagchandani ist glücklich mit der Wahl der Hauptdarstellerinnen, die beide normalerweise auf Theaterbühnen stehen. „Sie sind wahnsinnig gut. Durchs vorherige Proben und ihre Bühnenerfahrung sind sie super textsicher. Wir können ganz lange Szenen am Stück drehen; das ist toll!“ Auch sonst laufe es bisher gut, auch wenn der Zeitplan gerade heute besonders straff sei: „Das ist unser intensivster Tag.“

Drehtag am Flughafen: Josha Reuter (vorn kniend), Marion Gassmann (buntes Shirt), daneben Emma Steuer (Kostüm) und Lisa Pohl, vorn am ...
Drehtag am Flughafen: Josha Reuter (vorn kniend), Marion Gassmann (buntes Shirt), daneben Emma Steuer (Kostüm) und Lisa Pohl, vorn am Monitor zweiter Kameraassistent Leon Atay. | Bild: Lena Reiner

Mit 40 Komparsen am Set sei das schon eine Herausforderung, mache aber auch Spaß: „Das ist uns wichtig; es ist immer noch ein Spaßprojekt. Das ist nicht das, was unser Leben finanziert“, erklärt Bhagchandani. Es sei jetzt sein viertes größeres Projekt zusammen mit Lewis von Alberti. Zwei Kurzfilme und ein Langfilm, der gerade im Schnitt sei, hätten sie zusammen gedreht. „Die Zusammenarbeit ist toll – wir wissen genau, was der andere meint. Die Kommunikation ist sehr einfach, verständlich, vertraut“, sagt der 23-Jährige.

Omram Bhagchandani macht die Regie.
Omram Bhagchandani macht die Regie. | Bild: Lena Reiner

Produzent Lewis von Alberti hatte die Idee zum Projekt und ist selbst als Kameramann beim Dreh dabei. Der 24-Jährige lebt zwar inzwischen in Berlin, ist aber in Markdorf aufgewachsen: „Für mich ist das auch ein bisschen ein Heimatprojekt. Mir war wichtig, hier zu drehen. Der Bodensee als Kulisse, das hat auch einen Wiedererkennungswert für die, die hier leben. Ich denke, das wird sie freuen.“ Nur der eitle Sonnenschein an diesem Tag ist gar nicht wie erhofft: „Wir hätten uns Regen gewünscht oder sogar Nebel, aber immerhin ist es heute kalt, das bringt zumindest etwas dieses Trostlose rein.“

Lewis von Alberti ist Produzent des Kurzfilms und hatte die Idee zum Projekt.
Lewis von Alberti ist Produzent des Kurzfilms und hatte die Idee zum Projekt. | Bild: Lena Reiner

Ortswechsel in den Sicherheitsbereich des Flughafens. In einem der schmalen Flure neben dem Gepäckband findet die nächste Szene statt. Das gesamte Set wird bewegt, die Lichter aufgestellt, um die neue Szenerie entsprechend zu beleuchten. Ein intensiver Drehtag eben.