Eine Zwei bis Drei. Diese Schulnote gibt sich Bürgermeister Johannes Henne für seine Arbeit in diesem Jahr. „Es muss immer noch Luft nach oben sein“, findet er. Das Team der Gemeindeverwaltung habe einen guten Job gemacht – bei den vielen Krisen, die sich aufgetan haben. Wie Henne auf unterschiedliche Themen blickt, wollte der SÜDKURIER genauer wissen – und hat ihm elf Thesen präsentiert.

1. Immenstaad hat ein Wohnraumproblem

Hintergrund: Wenn in jeder Zweitwohnung zwei Menschen leben könnten, wäre da Platz für gut 1000 Einwohner. Diese Zahlen hatte vor einiger Zeit Andreas Graf von den Freien Wählern im Gemeinderat geäußert.

„Da bin ich zu 100 Prozent d‘accord“, stimmt Johannes Henne zu. Das Problem sei nur: Es gebe bislang kein rechtliches Instrument, Zweitwohnungen aufzulösen. „Das geht nur über eine Zweckentfremdungssatzung – und an der sind wir gerade dran.“ Die Verwaltung sei im Austausch mit einer Anwaltskanzlei in Freiburg. Aber auch mit umliegenden Gemeinden, etwa Meersburg und Bodman-Ludwigshafen. Wann also gibt es neue Wohnungen? „Gut 1,5 Hektar schaffen wir in den nächsten Jahren im Baugebiet Häldele, im Hardt-Horn haben wir nachverdichtet“, erzählt er. Besonders auf das Gebiet im Häldele legt er Wert – es sei ein gemeindliches Projekt. Der Vorteil: „Hier können wir die Regularien mitbestimmen – und auch den Preis.“

2. Auch im Jahr 2023 brummt der B-31-Verkehr durch Immenstaad

An der B 31 vor Hagnau staut sich oft der Verkehr. Schlimm wird es, wenn zusätzlich gebaut wird – oder ein Unfall geschieht.
An der B 31 vor Hagnau staut sich oft der Verkehr. Schlimm wird es, wenn zusätzlich gebaut wird – oder ein Unfall geschieht. | Bild: Hilser, Stefan (Archiv)

Hintergrund: Staus auf der B 31 führen dazu, dass Autos und Lastkraftwagen auf Schleichwegen gefahren werden – auch durch Immenstaad.

„Leider ja“, so Henne. „Die Verkehre schlängeln sich auf Schleichwegen bei Immenstaad oder Kippenhausen – in Ausmaßen, die für die Anwohner nicht erträglich sind.“ Bei den Gegenmaßnahmen tue die Gemeinde alles, was möglich sei. Fahrzeuge mit einem Gewicht von über 3,5 Tonnen dürfen etwa nicht zwischen Kippenhausen und Ittendorf fahren. „Doch das interessiert dann keinen“, moniert Henne. Als Gegenmaßnahmen gebe es Temporeduzierungen, Blitzer, Markierungen und Kontrollen der Polizei. In Kippenhausen sei man in der Prüfung, ob ein fester Blitzer installiert werden könnte. Und dennoch: „Letztlich brauchen wir eine leistungsfähigere B 31.“

3. Eine Trasse der B 31 durch den Weingartenwald würde kostbares Ackerland und Lebensraum für Tiere opfern

Hintergrund: In der Frage, wo eine mögliche Trasse der B 31-neu laufen könnte, wehren sich Klimaaktivisten gegen einen Verlauf durch den Weingartenwald und durch Ackerland.

Johannes Henne plädiert weiterhin für die sogenannte B1. „Wir brauchen diese Trasse.“ Die Suche nach Lösungen sei ein Abwägungsprozess. „Und Politik ist genau das: Die Suche nach einem Kompromiss.“ Für Henne sind unterschiedliche Areale betroffen – aber keines von ihnen zu stark: Schutzgebiete, Siedlungs- und Gewerbegebiete, Waldbereiche, Agrarflächen. „Jeder zahlt ein bisschen.“ Auch in der Frage, wie breit die Straße letztlich werden soll, plädiert Henne für einen Mittelweg. Und wann wird gebaut? „Hoffentlich bald“, sagt er. „Aber zehn bis 15 Jahre sind vermutlich schnell ins Land gegangen.“

4. Das Kita-Essen wird zu teuer. Eine Preiserhöhung von monatlich 30 Euro ist viel zu viel

Eltern müssen für das Essen ihrer Kinder tiefer in die Tasche greifen.
Eltern müssen für das Essen ihrer Kinder tiefer in die Tasche greifen. | Bild: Lena Reiner (Archiv)

Hintergrund: Die Gebühren für das Essen in Kitas und der Schule sind um gut 30 Euro pro Kind und Monat gestiegen.

Johannes Henne findet, die Preiserhöhung sei akzeptabel. „Ich bin froh, dass wir mit der Liebenau Service GmbH einen Essenslieferanten aus der Region gefunden haben, der auch auf Wünsche und Anregungen reagiert – und bei dem auch die Qualität passt.“ Die Preiserhöhung um gut 45 Prozent bei Kita-Kindern (von 3,24 auf 4,71 Euro) sei angesichts allgemein steigender Kosten nachvollziehbar. Er nimmt auch die Sicht eines Vaters mit Kita-Kind ein. „Wenn ich möchte, dass mein Kind qualitativ gut isst, dann ist es mir das wert.“ 30 Euro Mehrkosten spare er lieber bei irgendetwas anderem als beim Essen für den Nachwuchs.

5. Die Gemeinde hat die Pläne für die Grundschule nicht realisiert

Hintergrund: Aus Kostengründen muss der Umbau der Stephan-Brodmann-Schule bescheidener ausfallen als ursprünglich geplant.

„Der Umbau der Stephan-Brodmann-Schule ist weiterhin Prio eins bei uns, die Pläne werden derzeit bezüglich technischer Details angepasst und selbstverständlich realisiert“, betont Johannes Henne. „Wir haben uns mit Bürgerbeteiligung dazu entschlossen, keinen neuen Standort aufzumachen, wir bauen nicht neu.“ Vielmehr soll das bestehende Gebäude umgebaut werden. Das diene auch dem Vermeiden sogenannter grauer Energie – und damit dem Umweltschutz. Gleichzeitig würden Kosten gespart: „Von 20 Millionen kommen wir in Gefilde, die mit 10 Millionen Euro für uns leistbar sind.“ Dass dennoch ein neuer Bauhof gebaut wurde, begründet Henne so: „Der war in Sachen Bausubstanz und Energieeffizienz nicht mehr sinnvoll zu renovieren.“ Start der Arbeiten an der Schule soll nun im September 2024 sein. Voraussichtlich etwa drei Jahre lang.

6. Auch im Jahr 2023 bleibt das Gasthaus Schiff eine Baugrube

In bester Lage Immenstaads sollen zwei Mehrfamilienhäuser mit Restaurant gebaut werden.
In bester Lage Immenstaads sollen zwei Mehrfamilienhäuser mit Restaurant gebaut werden. | Bild: Wienrich, Sabine (Archiv)

Hintergrund: Bei einer Ortsbesichtigung am 15. Juli wurde festgestellt, dass ohne Baugenehmigung und damit auch ohne Baufreigabe mit genehmigungspflichtigen Baumaßnahmen begonnen wurde. Daraufhin mussten die Arbeiten eingestellt werden.

„Wir haben im Rahmen unserer Planungshoheit an dieser Stelle das Beste für eine Bebauung rausgeholt, inklusive öffentlicher Nutzung durch eine Gastronomie“, stellt Henne vorweg fest. „Sofern alle bauordnungsrechtlichen Themen geklärt sind, setzen wir uns dafür ein, das die Bauherrenschaft alsbald in die Umsetzung kommen kann.“ Ein Start noch im Winter käme Immenstaad gelegen. Schließlich sind zur kalten Jahreszeit weniger Gäste vor Ort. Doch auch im Sommer wird sicherlich gearbeitet. „Ich gehe davon aus, dass das Bauvorhaben drei Jahre in Anspruch nehmen wird.“

7. Wenn Geflüchtete Probleme mit ihren Vermietern haben, werden sie von der Verwaltung allein gelassen

Hintergrund: Eine ukrainische Familie lebte im vergangenen Jahr in einer verschimmelten Wohnung – und zog letztlich aus.

Henne betont, dass die öffentliche Verwaltung nicht die richtige Ansprechpartnerin sei in derlei Fragen: „Wenn jemand – ob Flüchtling, Einheimisch oder Zugezogen – ein Problem mit seinem Vermieter hat, ist das Privatrecht.“ Die Gemeinde dürfe sich aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht einmischen, für eine Klärung in solchen Angelegenheiten seien Polizei und Gerichte zuständig. „Auch ehrenamtliche Helfer oder Integrationsmanager können nicht als Entscheidungsinstanz oder gar Richter aktiv werden.“

8. Die Lädine ist in Not – aber Immenstaad wird sie nicht im Stich lassen

Ursula van Endert, die Vorsitzende des Lädinenvereins, sorgt sich um die Zukunft des Lastenseglers, es fehlt am Geld und an jungen ...
Ursula van Endert, die Vorsitzende des Lädinenvereins, sorgt sich um die Zukunft des Lastenseglers, es fehlt am Geld und an jungen engagierten Mitgliedern. | Bild: Andrea Fritz (Archiv)

Hintergrund: Das Schiff Lädine gilt als Wahrzeichen Immenstaads. Doch teure Revisionsarbeiten gefährden ihre Zukunft.

„Wir unterstützen im Rahmen unserer Möglichkeiten“, so Henne. Es handle sich allerdings um ein Holzschiff, das nun seit 20 Jahren auf dem Wasser sei. „Da ergibt sich im Laufe der Zeit ein zunehmend erheblicher Sanierungsbedarf.“ Die letzte Landrevision vor vier Jahren habe gut 80.000 Euro gekostet. „Die finanziellen Mittel sind – wie bisher – in einer Vereinsstruktur kaum zu erwirtschaften.“ Chancen sieht Henne mit mehr Betrieb, etwa Abendfahrten, Events, Hochzeitsfeiern, Sektempfängen. „Wir als Gemeinde werden unseren Beitrag leisten, bei der letzten Revision waren das 30.000 Euro. „Aber wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, gehört für mich auch die finanzielle Nachhaltigkeit dazu, sodass man die weiterhin anfallenden Kosten in der Zukunft sicher regelmäßig beleuchten muss.“

9. ZIM Aircraft Seating bleibt in Immenstaad

Hintergrund: Das Unternehmen ZIM Aircraft Seating sucht nach einem neuen Standort – und hat Optionen in Markdorf und in Immenstaad.

„Wir sind nicht im Konkurrenzkampf mit Markdorf“, findet Johannes Henne. „Ob der Betrieb künftig in Markdorf oder Immenstaad sitzt, ist für unsere starke Wirtschaftsregion erst einmal egal.“ Das Unternehmen sei auch erst seit zwei Jahren in Immenstaad. „Wir bieten an, was wir können. Und wenn es passt, dann freuen wir uns.“

10. Steigende Kosten überall – Immenstaad rutscht in die Verschuldung

Johannes Henne an seinem Schreibtisch im Rathaus. Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde muss er im Blick behalten.
Johannes Henne an seinem Schreibtisch im Rathaus. Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde muss er im Blick behalten. | Bild: Benjamin Schmidt

Hintergrund: Steigende Ausgaben wie für Energie belasten den Haushalt – auch die anstehende Schulsanierung wird teuer.

„Wir sind noch immer so unterwegs, dass wir keine neuen Schulden im Jahr 2023 aufnehmen müssen.“ Der Bürgermeister räumt aber ein, dass es Finanzierungsbedarf ab dem Jahr 2024 gibt. „Da schlägt sich auch die Schulsanierung nieder.“ Zuletzt habe die Gemeinde bereits Gebühren angehoben, um den Haushalt zu konsolidieren: „Friedhof, Abwasser, Schülerbetreuung, Friedhof, Gewerbesteuer: Das wurde alles angepasst.“ Der Fokus liege nun darauf, die Ausgabenseite zu optimieren und sich im gleichen Zug auf die großen Projekte vorzubereiten. Zuerst die Schule, dann die neue Linzgauhalle: „Die steht dann hoffentlich spätestens in der Mitte der 30er Jahre.“

11. Der Klimawandel tut Immenstaad gut

Warmes Wasser, meist gutes Wetter über Immenstaad: Darüber freute sich die Gäste im Sommer.
Warmes Wasser, meist gutes Wetter über Immenstaad: Darüber freute sich die Gäste im Sommer. | Bild: Benjamin Schmidt (Archiv)

Hintergrund: Im Sommer freuten sich Einheimische wie Gäste über viel Sonne am See – ein Vorteil für die touristische Gemeinde?

„Positiv ist sicherlich, dass der Sommer länger geht, dass die Urlaubsregion am Bodensee von schönen Abenden und Tagen mit Badewetter profitiert“, stimmt Henne zu. Der Klimawandel bringe aber auch Extremlagen mit sich, etwa Hochwasser und Starkregen. Die Apfelbauern hätten zudem nach lauen Tagen im Frühjahr mit Frost zu kämpfen. „Es ist ein Thema, dem man sich pragmatisch stellen muss“, so der Bürgermeister. Gegen Hochwasser sei im Jahr 2022 ein neues Retentionsbecken nördlich der B 31 für den Hochwasserschutz entstanden. Auch der Bus- und Radverkehr würden ausgebaut, um CO2-Ausstoß zu verringern. „Aber gleichzeitig müssen wir auch die Kirche im Dorf lassen. Nicht jeder kann oder will mit dem Bus zur Arbeit fahren.“