Befürworter und Gegner der Corona-Maßnahmen stehen sich immer deutlicher gegenüber. Die Auseinandersetzung um den richtigen Weg aus der Pandemie hat das Potenzial, die Gesellschaft zu spalten. Das macht ein Konflikt bei den Fußballern des SV Heiligenberg ganz deutlich.
Betroffener Trainer beim Gespräch von Vereinsspitze und Eltern nicht dabei
Dort werden in diesen Tagen zwei Fragen kontrovers diskutiert: Darf der Trainer einer Jugendfußball-Mannschaft auf seiner Facebook-Seite Beiträge von Kritikern des Mund-und Nasenschutzes teilen und Werbung für krude Verschwörungstheorien machen? Und darf der Jugendtrainer seine Ansichten über die Pandemie und vermeintliche Fehler der Regierung an die ihm anvertrauten Schützlingen weitergeben? Denn genau das habe er getan, wie betroffene Eltern dem Verein mitgeteilt haben. In Kürze ist ein klärendes Gespräch von Eltern, Jugendleiter Ingo Eilmus und dem SV Vorsitzenden Claudius Graf anberaumt. Der Vereinschef hat den betroffenen Trainer (sein Name ist dem SÜDKURIER bekannt, wir nennen ihn aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes seiner Familie aber nicht) ganz bewusst nicht zu dem Treffen eingeladen. Er macht im Vorfeld des Termins aber klar: „So etwas dulden wir nicht.“
Jugendtrainer postet viele Bilder von Corona-Demo in Berlin
Der Jugendtrainer war am vergangenen Wochenende in Berlin und hat mit rund 38 000 (so die von den Behörden offiziell genannte Teilnehmerzahl) weiteren Menschen an der Corona-Demo teilgenommen, bei der am Samstagabend eine große Gruppe Demonstranten die Absperrgitter am Reichstagsgebäude überwanden, die Treppe hoch stürmten und sich triumphierend vor dem verglasten Besuchereingang aufbauten. Das interpretierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als einen Angriff „auf das Herz unserer Demokratie“. Von den geschwenkten Reichskriegsflaggen vor dem Deutschen Bundestag hat der Jugendtrainer laut eigener Aussage nicht mitbekommen: „Da war ich schon längst auf dem Heimweg.“
In den Beiträgen finden sich auch Verweise auf Hassplakate
Auf seiner Facebook-Seite outet sich der Jugendtrainer als Teilnehmer der Demonstration, von der er immer wieder Fotos postete. Er machte sich auch zum Unterstützer des Demo-Veranstalters, der Initiative „Querdenken 711“, indem er Helfer für den Auf- und Abbau der Bühne in Berlin suchte. Außerdem verbreitet er Bilder von Hassplakaten, die beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas in Sträflingskleidung zeigen. Allesamt seien „schuldig im Sinne der Anklage“.

Die Teilnehmerzahl der Demo schätzt er in einem weiteren Beitrag auf über zwei Millionen, „wenn nicht gar viel viel mehr“. Ein von ihm geteilter Beitrag endet mit der Feststellung „Wir müssen die Regierung stürzen“, in einem anderen wird auf einen italienischen Bürgermeister verwiesen, der gesagt haben soll, dass nur „Diebe und Terroristen“ eine Maske aufsetzten.

Der Jugendtrainer gibt auf seiner Facebook-Seite auch Robert F. Kennedy junior ein Podium, er war in Berlin einer der Redner. Dort sagte der aus der bekannten US-amerikanischen Politikerfamilie stammende Jurist, dass Microsoftgründer Bill Gates und der US-Seuchenexperte Anthony Fauci „die Coronapandemie seit Jahrzehnten geplant“ hätten. Und dann lässt er unter seinem Facebook-Account noch einen Menschen zu Wort kommen, der bei der Demo keine Reichsbürger oder Rechtsradikale gesehen haben will.

Festzuhalten gilt aber auch: Es sind von dem Jugendtrainer keine Posts zu finden, die eine Nähe zu den Reichsbürgern oder zu Rechtsradikalen erkennen lassen. Aber: Er hat mit diesen Menschen gemeinsam protestiert, ist quasi Seite an Seite mit ihnen durch Berlin marschiert.
Jugendtrainer weist Vorwurf der Agitation zurück
Der Jugendtrainer hat auf Nachfrage dieser Zeitung kein Problem damit, zuzugeben, seine Sicht über die Pandemie vor den ihm anvertrauten Nachwuchskickern angesprochen zu haben. Er verwehrt sich aber gegen den Vorwurf, in irgendeiner Art und Weise agitiert zu haben. „Da müssen einige Eltern etwas in den falschen Hals bekommen haben.“ Für ihn auch ganz wichtig: Er habe seine Spieler dazu angehalten, die in der Umkleidekabine und unter der Dusche geltenden Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten, beim Training selbst müssen sie nicht mehr umgesetzt werden.
Der Corona-Skeptiker begründet seine Kritik vor allem damit, dass er als besorgter Familienvater um die Zukunftschancen von Kindern bange. So sei es nicht angebracht, Masken in der Schule zu tragen, weil Masken nur dann einen Schutz böten, wenn sie alle 50 Minuten gewechselt würden. Ansonsten seien sie schädlich. Er selbst fühle sich diskriminiert, weil er Asthma habe und trotzdem eine Maske tragen müsse. Und er stellt die Frage: „Warum wird uns so viel Angst gemacht?“ Er sei auch schon als Reichsbürger beschimpft worden, was ihn verletzte. „Denn ich stehe voll und ganz hinter dem Grundgesetz.“ Gleichzeitig leugnet er nicht, dass es das Coronavirus gibt, sagt im gleichen Atemzug aber auch: „Ich kennen niemanden, der am Coronavirus gestorben ist.“
Wie kommt der Jugendtrainer auf über zwei Millionen Teilnehmer an der Berliner Corona-Demo? „Das war mein Eindruck und seinen Eindruck wird man ja noch schildern dürfen.“ Wenn das nicht mehr möglich sei, dann sei das ein Armutszeugnis für unser Land.
Jugendleiter Eilmus möchte sich noch „nicht detailliert zu dieser Situation äußern“, wie er in einer E-Mail schreibt. Er kündigt eine Stellungnahme bis Ende dieser Woche an.

Siegbert Lipps, Geschäftsführer des Südbadischen Fußballverbands, hält das Vorgehen des SV Heiligenberg für richtig, das Gespräch mit den Eltern zu suchen. Aufgabe eines Fußballtrainers und erst recht eines Jugendtrainers sei es, den Nachwuchs einerseits fußballerisch zu schulen, andererseits gelte es aber auch, so wichtige Werte wie Fairness, Respekt und Toleranz einzuüben und zu vermitteln. Sollte der Trainer tatsächlich negativ gegenüber seinen Spielern über die von der Politik und der Mehrheitsgesellschaft beschlossenen beziehungsweise mitgetragenen Corona-Maßnahmen geäußert haben, dann sei er als Übungsleiter einer Jugendfußball-Mannschaft nicht haltbar. Ein vergleichbarer Fall ist dem Funktionär bisher nicht untergekommen.
Der Jugendtrainer würde gerne weiterhin als Coach im Nachwuchsbereich des SV Heiligenberg tätig sein und sagt: „Ich überlasse es den Eltern, wie es jetzt weiter geht.“ Etwas anderes bleibt ihm auch nicht übrig.