An den Gebäuden kann man teilweise noch gut erkennen, dass hier früher ein Ladengeschäft untergebracht war. Der Niedergang des Einzelhandels hat sich in Heiligenberg schon früh bemerkbar gemacht. Mit der Schließung der Bäckerei Baader-Jäger im April 2022 und des Schlosscafés Neyer zum 31. Dezember 2022 fürchteten die Heiligenberger, dass es in Zukunft keine Brötchen und kein Brot mehr geben werde, wenn man von einem geplanten mobilen Angebot absieht.
Bei einem Bürgerdialog, von der Gemeinde veranstaltet, wurde das große Interesse der Bevölkerung an der weiteren Entwicklung ihres Wohnortes deutlich. Mittlerweile hat sich eine Initiative Zukunftswerkstatt gebildet, die jetzt zu Diskussion und Information eingeladen hatte. Schon beim Bürgerdialog war die Resonanz überwältigend gewesen. Bei der jüngsten Zukunftswerkstatt war das nicht anders. Der Medienraum im Sennhof platzte beinahe aus den Nähten.
Im Mittelpunkt steht die Infrastruktur
Im Mittelpunkt stand die Verbesserung der Infrastruktur im Luftkurort, dazu zählen auch Gastronomie und Einzelhandel. Mit der testweisen Wiedereröffnung des Schlosscafés ist ein großer Wunsch der Heiligenberger bereits in Erfüllung gegangen. Auch der geplante Nahversorger mit Begegnungsmöglichkeit ist bereits in der Realisierungsphase. Förderanträge sind gestellt, mit Lieferanten ist Kontakt aufgenommen worden und wenn alles klappt, soll der Laden im Sommer oder Frühherbst im früheren Sparkassengebäude seinen Betrieb aufnehmen.
Projekte initiieren, fördern und begleiten
Heike und Hannes Veit, Sonja Ostermayer und Sascha Damaschun, Kerim und Mecnut Yildirim, Sebastian Sailer, Carolin Ast, Thomas Hinke und Iris Schmid bilden das Team der Zukunftswerkstatt. Die Akteure wollen neue Projekte initiieren, fördern und begleiten. Auf der Homepage der Initiative heißt es: „Die Zukunftswerkstatt soll den Bürgern den Rahmen bieten, die Potentiale unserer gesamten Gemeinde inklusive der Teilorte neu zu entdecken und sie so strukturell und vor allem nachhaltig weiter zu entwickeln.“
Geplanter Verein strebt Kooperation mit Gemeinde an
Nächster Schritt ist daher die Gründung eines Vereins. Damit soll dann eine Vernetzung von Bürgern, Vereinen, Verbänden, Institutionen, Unternehmen und Organen der Gemeinde erreicht werden, wie Sascha Damaschun erläuterte. Das Team strebt eine enge Zusammenarbeit als Dialogpartner mit der Gemeinde an. Als Arbeitsfelder haben sich die Initiatoren die Nahversorgung, Kultur und Begegnung, Dienstleistungen und Gemeinschaft vorgestellt. Die Liste ist jederzeit erweiterbar.
Erste Entwürfe für neuen Laden in früherer Sparkasse
Zum Thema Nahversorgung hatten Carolin Ast und Thomas Hinke zum Treffen der Zukunftswerkstatt erste Entwürfe für ihren Laden mitgebracht. Welche Rechtsform er haben wird, das steht noch nicht fest. Es sei auch eine Bürgergenossenschaft denkbar. Neben Artikeln für den täglichen Bedarf und Getränken sollen Lebensmittel angeboten werden, die möglichst aus der Region kommen. „Man soll sich hier aber auch treffen können, einen Kaffee miteinander trinken und sich austauschen“, schwebt den zukünftigen Ladenbetreibern vor.
Interesse an Konzept von „Tante M“
Carolin Ast und Thomas Hinke beschäftigen sich auch mit dem Konzept von „Tante M“, einem Franchise-Angebot. in den Läden von „Tante M“ werden Marken und Regionalprodukte zu normalen Preisen verkauft, sieben Tage die Woche, von sehr früh bis spät. „Unser Standort-Schwerpunkt liegt dabei auf Ortschaften zwischen 700 und 4000 Einwohnern, die leider nur noch eine eingeschränkte oder gar keine Nahversorgung mehr haben“, heißt es auf der Homepage. Die Besonderheit ist, dass Tante-M-Läden ohne Personal auskommen. Die Kunden kassieren selbst und bezahlen ganz normal. Einige Zuhörer bei der Infoveranstaltung der Zukunftswerkstatt erklärten, das könnte ein gutes Zusatzangebot außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten sein. Einfacher zu realisieren dürfte der geplante Lieferdienst sein.
Bereits im Sommer wollen die beiden Brüder Kerim und Mecnut Yildirim eine kleine Bäckerei eröffnen. Der gelernte Bäcker Kerim lebt seit 30 Jahren in Heiligenberg. Die Brüder wollen ihren Laden nur samstags und sonntags öffnen und ein Angebot abseits klassischer Bäckerprodukte bereithalten. Wegen entsprechender Räumlichkeiten seien sie bereits im Gespräch.
„Eine lebendige Dorfgemeinschaft braucht eine funktionale Infrastruktur“
Sascha Damaschun, Agraringenieur und Biogroßhändler, wohnt seit Frühjahr 2022 in Heiligenberg und schloss sich im November einer Gruppe von zwölf Initiatoren an, die sich nach einem Bürgerdialog aufgrund mehrerer Ladenschließungen gebildet hatte.
Herr Damaschun, was sagen Sie als Mann vom Fach: Gibt es in Heiligenberg eine Zukunft für Ladengeschäfte?
Eine lebendige Dorfgemeinschaft braucht eine funktionale Infrastruktur und Menschen, die Projekte mit Energie und Tatkraft voranbringen. Wenn dies gelingt, sind die Chancen groß, dass sich dies auch ökonomisch tragen wird. Wichtig ist es hier, dass die Bürger diese Gelegenheit durch kontinuierlichen Besuch und Nachfrage stärken und so am Leben erhalten. Um diesen Initiativen Raum für Diskussion und Entwicklung sowie Unterstützung bei der Umsetzung zu geben, dafür wollen wir uns in unserem Bürgerverein einsetzen. Der Wille, sich in eine positive Entwicklung einzubringen, ist bei der Bevölkerung offensichtlich in großem Maße vorhanden.
Was sehen Sie als derzeit größtes Problem?
Probleme könnten auftauchen, wenn viele Bürger in angrenzende Orte ausweichen und in den dortigen Discountern ein breiteres Sortiment nachfragen. Die Angebote des Ladens und der Bäckerei müssen deshalb entsprechend attraktiv sein und treue Kunden auch über andere Argumente als den Preis an sich binden: über Qualität, Transparenz und Vertrauen.
Wer kann Ihnen bei der Problemlösung helfen?
Diesen Herausforderungen wollen sich die Initiatoren stellen und hoffen, für den Verein nun Menschen zu finden, die mit ihrer Kompetenz, Erfahrung und Wissen die anstehenden Projekte unterstützen und für weitere als Multiplikatoren dienen. Hierzu haben mittlerweile etliche Bürger ihren Willen zur Mitwirkung angemeldet und bereits weitere zukunftsweisende Ideen gesammelt, die nun umgesetzt werden wollen.
Was fehlt denn konkret in Heiligenberg?
Ein Ort zur Versorgung mit regionalen Lebensmitteln, der gleichzeitig Begegnung und Austausch im Dorf ermöglicht. Dies kann als erster „Leuchtturm“ für eine positive Erfahrung stehen, dass sich bürgerschaftliches Engagement lohnt und direkt in Lebensqualität auszahlt.