Der große Saal im Sennhof überfüllt, die Bürger motiviert und gleich zwei mögliche Lösungen für die Freunde frischer Brötchen und einer Einkaufsmöglichkeit im Ort. Dieses Ergebnis des Bürgerdialogs zum Thema Nahversorgung hatte selbst Bürgermeister Frank Amann nicht erwartet. Aber: „Wir haben offensichtlich das richtige Format gewählt.“ Und er wird vielleicht auch seine Haltung in Bezug auf Subventionen seitens der Kommune überdenken müssen. Sein striktes „Nein“ wurde von etwa der Hälfte des Gemeinderates nicht geteilt. Die diskussionsfreudigen Bürger machten deutlich, dass die Verwaltung über Unterstützung nachdenken müsse.
In Heiligenberg gibt es kaum noch Gelegenheit zum Einkaufen, zum Jahresende schließt auch das Schlosscafé Neyer samt Bäckerei. Bis auf den Wochenmarkt am Mittwoch und Hofläden ist es dann aus mit der Nahversorgung.
Ein Kurort ohne Café und Bäckerei?
Mit dem Hotel Heiligenberg und der Parkklause sind auch zwei Gastronomiebetriebe weggefallen. Letztere wird zusammen mit dem kürzlich geschlossenen Kaufhaus Sturn einer neuen Bebauung weichen. Viele Heiligenberger machen sich Sorgen über die Versorgung. Was ist, wenn man nicht mehr Auto fahren kann oder tagsüber kein Fahrzeug hat? Und schließlich ist Heiligenberg ein Kurort und ohne Café, ohne Bäcker, ohne Angebot für den kleinen Hunger kaum denkbar. Einzig ein Kebab-Imbiss steht am Ortsende in Richtung Pfullendorf. Nicht weit davon entfernt sollte im neuen Baugebiet Ziegelhalde ein Nahversorger einziehen. „Da sind wir bislang noch nicht fündig geworden“, bedauerte der Bürgermeister.

Genossenschaftsmodell könnte eine Lösung sein
Joachim Klier wohnt seit zwölf Jahren in Heiligenberg. Für ihn ist klar: „Die Gemeinde muss für die Unterstützung auch Geld in die Hand nehmen.“ Und was werde mit einem Discounter, wenn es noch andere Einkaufsmöglichkeiten gebe? Frank Amann antwortete: „Der Markt wird es regeln.“ Er habe bisher ausgeschlossen, entsprechende Initiativen mit Geld der Gemeinde zu unterstützen. „Wo ist die Grenze zu setzen, was ist mit den Ortsteilen?“, stellte er die Gegenfrage. Klier brachte ein Genossenschaftsmodell ins Spiel, wo sich Bürger einbringen.
Gemeinderäte sind für Genossenschaft offen
Gemeinderat Martin Duelli (CDU) weiß, dass vielerorts Bürger die Initiative ergriffen hätten. „Wenn das bei uns so wäre, dann würde niemand aus dem Gemeinderat sagen, dass wir das nicht wollen.“ Auch Burkhard Haus (Bürgerliste) ist für eine Genossenschaft offen: „Das hier ist eine Art Ideenwerkstatt. Wir alle sind die Gemeinde.“ Wilfried Jerg (CDU) brachte eine Haushaltsstelle „Daseinsvorsorge“ für den Gemeindehaushalt 2023 in die Diskussion ein. „Aber wo fangen wir an, etwas zu fördern, und wo endet es?“ Eine Bürgergenossenschaft könne er sich gut vorstellen. Hubert Nadler (CDU) forderte, dass die Menschen auch vor Ort einkaufen, wenn es die Möglichkeit gibt.

Gerlinde Kriese schlug vor, einen Laden gemeinsam zu finanzieren. Auch kleine Beträge von Bürgern könnten hilfreich sein und sie könnten sich selbst einbringen und ein paar Stunden im Laden mithelfen. Für die ehemalige Gemeinderätin war klar: „Dieser Abend war schon lange fällig.“ Das sahen wohl auch viele andere Besucher so, wie aus zahlreichen Wortmeldungen deutlich wurde.
Carolin Ast und Thomas Hinke wollen die Lücke füllen
So wie es aussieht, braucht man jedoch nach einem Nahversorger nicht weiter zu suchen, wie der Abend zeigte. Carolin Ast und Thomas Hinke aus Unterrehna sind aus den Startlöchern raus: Sie haben einen Förderantrag beim Entwicklungsprogramm ländlicher Raum (ELR) gestellt und sind auch bei der Suche nach einer Räumlichkeit fündig geworden. Die Sparkasse Salem-Heiligenberg will ihre Filiale in der Fürstenbergstraße aufgeben. Rund 300 Quadratmeter stehen dann für einen Laden zur Verfügung. Veränderungen soll es auch bei der Volksbank-Filiale geben. „Dass beide zusammen ins Gebäude der alten Post gehen, scheint eine Möglichkeit zu sein“, stellte der Bürgermeister in Aussicht.
Aber: Die Sparkassenräume werden erst 2023 frei und die Entscheidung über den ELR-Antrag dauert auch noch einige Monate. Für die Zwischenzeit konnte Frank Amann eine Lösung präsentieren.

Verkaufswagen für Backwaren als schnelle Lösung
Patricia Stäbler und ihr Sohn Raphael schlugen vor, ab Januar mit einem Verkaufswagen nach Heiligenberg zu kommen. Wie oft, wann und wo, das muss noch entschieden werden. Die Stäblers betreiben in Wilhelmsdorf das gleichnamige Café am Saalplatz und verkaufen dort auch Brot und Brötchen. Diese kommen von der Bäckerei Zembrod in Fleischwangen. „Wir werden uns in den kommenden Wochen kundig machen, was von den Kunden gewünscht wird“, sagte Patricia Stadler. Man wolle einem Laden in der Fürstenbergstraße aber keine Konkurrenz machen und würde sich auch wieder zurückziehen, wenn das sinnvoll erscheine.

Der ehemalige Gemeinderat Manfred Hornstein forderte, dass die Gemeinde das Projekt im Sparkassengebäude unterstützt. „In der Startphase braucht es finanzielle Hilfe. Für das Freibad schießen wir auch jedes Jahr 130.000 Euro zu und das nutzen nur wenige Einheimische“, stellte er unter großem Beifall fest.