In den Sommermonaten herrscht in den Hotels und Restaurants der Region Hochbetrieb. So auch im Seehof in Immenstaad. Zusammen mit seinem Bruder Jürgen führt Frank Hallerbach das Hotel in fünfter Generation. „Wir sind im Moment knapp 50 Mitarbeiter aus 18 Nationen“, erzählt Frank Hallerbach. Die Angestellten kommen teilweise aus dem Osten oder Süden Europas, Asien, Afrika und Mittelamerika.

Einer von ihnen ist Ediz Cinarli. Der 30-Jährige stammt aus der Türkei und absolviert seit einem Jahr seine Ausbildung als Koch in Immenstaad. In wenigen Tagen kommt er in sein zweites Lehrlingsjahr. Durch einen türkischen Verein ist er auf das Projekt der Ausländischen Handelskammer und der IHK Bodensee-Oberschwaben gestoßen. Der Seehof in Immenstaad war sein zweites Bewerbungsgespräch: „Bei mir gab es zwei Optionen: England oder Deutschland.“ 2017 war er bereits über die Weihnachtszeit zu Besuch in Stuttgart und Frankfurt. „Es hat mir hier gut gefallen“, sagt er.
Durch Videos hat er Deutsch gelernt
Den zweiten Corona-Lockdown in der Türkei habe Cinarli genutzt, mithilfe von Videos auf der Plattform YouTube Deutsch zu lernen. Ausreichende Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 sind Voraussetzung für die Bewerbung im Rahmen des Ausbildungsprojekts. Koch werden wollte er schon immer. „Ich habe schon als Kind bei meiner Mutter und meinem Cousin gearbeitet,“ erzählt er, „Sie sind alle in der Gastronomie beschäftigt.“
„Ab und zu fehlt mir ein guter Döner“
Vor seiner Lehre als Koch hat Cinarli eine Ausbildung und ein Studium im Bereich Buchhaltung absolviert. Für das Studium hat er damals sein Zuhause in Bursa, eine Großstadt südlich von Istanbul, verlassen und ist nach Izmir gezogen. Deshalb fiel es ihm nicht besonders schwer, seine Heimat zurückzulassen. Allerdings vermisst er ab und zu einen richtig leckeren Döner. Dieser muss aus gutem Fleisch und auch ein wenig Bauchfett bestehen. „Da muss man schon nach Stuttgart fahren, um so einen zu finden,“ sagt er. Ob die hiesigen Dönerimbisse das genauso sehen, bleibt dahingestellt.
Typisch deutsche Hobbys
Trotzdem gefällt es ihm am Bodensee sehr gut. „Es gab schon immer Wasser, da wo ich gelebt habe“, sagt Cinarli. Er fühlt sich wohl und hat auch schon ein paar neue Freunde und Hobbys gefunden. „Ich schwimme gern, bin oft mit dem Fahrrad unterwegs und wandere gern – ganz deutsche Dinge“, erzählt er lachend.
Momentan ist Deutsch zu lernen jedoch sein Haupthobby. Bei der Volkshochschule belegt Cinarli gerade einen B2-Kurs. Der schwäbische Dialekt mache es ihm allerdings nicht leicht, seine Kenntnisse schnell zu verbessern. Auf die Frage, wie ihm der Dialekt gefalle, antwortet er lachend: „Er ist manchmal schwer zu verstehen, aber ich kann damit leben. Ich sage auch oft ‚sch‘ – wie bei ‚Was machscht du?‘“
Es kommt auf die Persönlichkeit an
Ab und zu kommt es allerdings noch zu Verständigungsproblemen in der Küche. Das bestätigt auch sein Ausbilder Jürgen Hallerbach: „Es gibt immer wieder kleine witzige Anekdoten.“ Der Dialekt und das schnelle Reden in der Küche mache es nicht einfach und führe manchmal zu Missverständnissen. „Durch den Druck, der in der Gastronomie herrscht, sind wir halt alle etwas direkter“, erklärt Jürgen Hallerbach, „Aber Herr Cinarli kann damit sehr gut umgehen.“
Generell ist Jürgen Hallerbach sehr zufrieden mit Ediz Cinarli, das läge vor allem an seiner Persönlichkeit. „Die Eigenmotivation, die Herr Cinarli an den Tag legt, ist besonders und toll“, lobt Jürgen Hallerbach, „er zeigt großes Interesse und bemüht sich selbst etwas zu tun.“ Es habe auch schon andere Beispiele mit Auszubildenden aus dem Ausland gegeben, bei denen es nicht so gut funktioniert hat: „Es kommt immer auf den Menschen an, nicht auf die Nationalität.“
Sprache und Eigenmotivation sind wichtig
Für Jürgen Hallerbach hängt es von zwei Komponenten ab, ob Projekte wie diese funktionieren. Zum einem ist es die Sprachbarriere, zum anderen die Motivation hinter der Bewerbung aus dem Ausland. „Wenn man Leuten nicht erklären kann, wie was funktioniert, kann ich meinem Lehrauftrag nicht gerecht werden“, erklärt er. Er selbst hat ebenfalls im Ausland gearbeitet und weiß, wie schwer es ist, in einer neuen Umgebung mit einer fremden Sprache anzufangen. „Man muss es halt wollen,“ sagt Jürgen Hallerbach, „es macht einen Unterschied, ob es der Wunschberuf von einem ist oder nur die Eintrittskarte nach Deutschland.“
Möglichkeiten nach der Ausbildung
Ziel ist es, die ausländischen Auszubildenden auch nach abgeschlossener Lehre in Deutschland als Fachkräfte zu halten. Daher erhalten sie eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis und später die Möglichkeit, sich einzubürgern. Jürgen Hallerbach hat sich gefreut, als er erfahren hat, dass Ediz Cinarli nach seiner Ausbildung in Deutschland bleiben will. „Wenn er das so weiter behält und keine anderen Ambitionen hat, kann ich mir auch gut vorstellen, ihn weiter zu beschäftigen“, sagt er. „Aber ohne Sie unter Druck zu setzen, Herr Cinarli!“