Blättert man im Markdorfer Narrenbuch, so findet sich im Jahr 1937 folgender Eintrag: „Am Montag, den 4. Februar wurde, wie alljährlich auf dem „Saumarkt“ der Narrenbaum wiedererstellt. Dabei trat eine Vermessungskommision in Tätigkeit, die durch ihr urgelungenes Auftreten und ihre Vermessungstätigkeit sehr gefiel“. Diesen 4. Februar 1937 kann man also als die Geburtsstunde des Vermessungstrupps ansehen und seit damals gehört diese muntere Truppe zum Narrenbaumstellen. Wer die Idee des Vermessens erstmals hatte und ob sie vielleicht noch viel älter ist, weiß heute keiner mehr.

Bis Ende der 50er Jahre bestand der Vermessungstrupp aus einer kleinen festen Gruppe, der je nach Lust, Zeit und Laune noch Freunde und Bekannte angehörten. Jeder trug eine Fantasieverkleidung und erst 1958 entschieden sich die Vermesser für einheitliche Drogeristenmäntel, die dann 1960 durch dunkelrote, mit schwarzen Streifen durchzogene Wollkittel, weiße Malerhosen und schwarze Melonen ersetzt wurden. Dieser Kleidung sind die Vermesser treu geblieben.

Mit den Jahren wurde aus dem losen Trupp eine verschworene Gemeinschaft, die bis 1992 dem Narrenbaum auf seinem Weg zum Marktplatz voraus zog und die Rathausstürmung inszenierte. Im Frühjahr 1992 beschlossen die Herren dann in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen und als Altvermessungsräte närrisch aus dem Hintergrund zu wirken.

Der Nachwuchs formierte sich eher zufällig: Ein SÜDKURIER-Artikel über eine Gruppe, die am Stüblehof seit mehreren Jahren ein privates Narrenbaumstellen organisiert, landete auf dem Tisch der Altvermessungsräte und so gab eins das andere. Bereits im Herbst 1993 konnte sich die Narrenzunft über die Wiedergründung des Vermessungstrupps freuen, bei der Fasnet 1994 traten die Jungvermesser dann in die Fußstapfen ihrer Vorgänger. "Wir sind ein bunt zusammen gewürfelter Haufen und haben einfach jede Menge Spaß", sagt Obervermesser Clemens Scheidweiler, der besonders stolz darauf ist, dass die eingeschworene Gruppe seit 1998 aus den gleichen 22 Männern besteht, die sich damals laut Scheidweiler in einem "strengen Assessment-Center" für ihre Aufgaben qualifiziert haben. Seitdem hat es keine Ab- und Zugänge mehr gegeben. Aus den einst jungen Männern sind zwar mittlerweile berufstätige Familienväter geworden, denen aber der Schalk nach wie vor (sehr) tief im Nacken sitzt.

"Uns wird natürlich auch eine gewisse Narrenfreiheit gewährt", so Scheidweiler, der seit 21 Jahren Obervermesser ist. Alle Versuche, diese Position abzugeben, blieben erfolglos und so darf Clemens Scheidweiler den Trupp weiter anführen. Besonders legendär sind die Ideen für den Rathaussturm. Diese entstehen meist im Sommer und werden dann im November wieder über den Haufen geworfen. In diesem Jahr wurde aus dem Vermessungstrupp ein Fernsehteam, das vor lauter drehen und interviewen gar nicht zum Rathaussturm kam. Schließlich musste jede Szene mehrfach wiederholt werden, bis die perfekte Aufnahme im Kasten war.

Gerne erinnern sie sich an das Jahr 2001 zurück, als sie den Narrenbaum durch den Großhäcksler schickten, noch bevor sie jemand davon abhalten konnte. Dass längst mit einem noch schöneren und größern Narrenbaum für Ersatz gesorgt war, hatten sie niemanden verraten, auch nicht dem damaligen Zunftmeister Otto Gäng, der während der Aktion zusehends nervös geworden war. Oder 2006 als mit den Verwaltungsmitarbeitern vor dem Rathaus Fußball gespielt wurde. 2014 feierte der Vermessungstrupp sein 20-jähriges Bestehen mit einem Hupenball im Theaterstadel. Ein Rekordversuch mit Büstenhalter scheiterte knapp: In Markdorf wurden 732 Exemplare gesammelt, in Neuseeland waren es deutlich mehr.

"Wenn wir eines Tages aufhören, dann alle gemeinsam", sagt Vermesser Jens Neumann, der den Zusammenhalt lobt. Am Samstag des Narrenbaumstellens treffen sich alle morgens bei Resi Ill. Nach einem Jahr Pause habe es in diesem Jahr um 8.30 Uhr Gulasch und Spätzle gegeben. "Das ist nett und wir schauen im Städtle immer gerne bei jemandem vorbei, den man kennt", so Neumann. Um den Nachwuchs müssen sie sich keine Sorgen machen: Die Söhne, die bereits mit der entsprechenden Kleidung ausgestattet sind, dürfen ihre Väter bei einzelnen Aktionen begleiten. Aus Markdorf geht der Vermessungstrupp nicht raus – höchstens nach Ittendorf und Leimbach zum Narrenbaumstellen.

Figuren der Narrenzunft

Die Historische Narrenzunft Markdorf hat am letzten Januar-Wochenende das große Landschafts­treffen der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) ausgerichtet. Der SÜDKURIER nimmt dies zum Anlass um in loser Reihenfolge die verschiedenen Gruppen und Figuren der Narrenzunft vorzustellen. Dazu gehören Hänseler, Kaujohle, Altmarkdorferinnen, Fahnenschwinger, Narrenrat und Präsidium, Zunftkapelle, Garde, Narrenbüttel, Narrenbolizei, Narreneltern, Vermessungstrupp, Jungnarrenrat und Fuhrmann. (jli)