Während das „Klimakabinett“ der Großen Koalition in Berlin sein Klimapaket verhandelte, gingen bundesweit Menschen auf die Straße, um für schnellere und wirksamere Reaktionen auf den Klimawandel zu demonstrieren. So auch in Markdorf, wo sich vor knapp zwei Wochen rund 1300 Bürger am Klimastreik beteiligten, zu dem die Gruppe „Parents for Future“ aufgerufen hatte.

„Unsere Klimademo vom 20. September war ein großartiger und überwältigender Erfolg“, berichtet Dietmar Mogwitz, Begründer der Markdorfer Parents-for-Future-Gruppe, im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Die Gruppe lege großen Wert darauf, sich im Kontext der globalen Klimabewegung zu sehen. Ihre Stoßrichtung ziele deshalb auf die nationale und internationale Politik.

Der Blick aufs Lokale
Gleichwohl wurden bei der ersten Markdorfer Klimademo auch Appelle zu regionalem beziehungsweise lokalem Handeln laut: Susanne Handtmann zum Beispiel blickte bei ihrer Rede auf den Verkehr.
Sie forderte ein Umdenken: Weg vom Individual-, hin zu mehr öffentlichem Personennahverkehr, die Verbannung von Autos aus den Innenstädten, den Vorrang von Fahrradfahrern und Fußgängern dort. Norbert Beck schaute auf die Gebäude. Er plädierte für die Reduktion des Energiebedarfs durch höhere Standards bei Neubauten und für die Sanierung älterer Häuser.
Kommunen als „Schlüsselakteure“
All das sind Forderungen, die jüngst auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DstGB) stellte. Er sieht die Städte und Gemeinden als „Schlüsselakteure im Klimaschutz“. Verfügten sie doch über einen nicht unbeträchtlichen Gebäudebestand.
Und sie spielten eine wichtige Rolle bei der Mobilität. Mithin könnten „gerade die Kommunen einen maßgeblichen Beitrag zur Umsetzung von globalen und nationalen Klimaschutzzielen“ leisten, heißt es in einer Mitteilung des DstGB zum „kommunalen Klimaschutz“.

Einen, nicht trennen als Devise
Einen, nicht trennen, laute die Devise bei den „Parents for Future“ in Markdorf. So hatte es Mogwitz am Schluss der Klimaschutz-Demonstration auf dem Rathausplatz formuliert. Nur durch eine gemeinsame Anstrengung seien die Folgen des Klimawandels noch zu begrenzen.
„Deswegen wollen wir auf keinen mit dem Finger zeigen, nur weil jemand ein großes Auto fährt, geflogen ist oder täglich Wurst isst.“ Ausdrücklich warnte er davor, „sich als Moralapostel des Klimas“ aufzuspielen. An dieser Haltung hält er auch nach dem Streiktag fest. Er kündigt nächste Aktionen in Markdorf an – noch in diesem Jahr.
Alle Aktionen, so betont Mogwitz, „möchten wir zu einer gemeinsamen, verbindenden Markdorfer Sache machen“, an der sich alle Bürger, überdies auch Firmen und Organisationen, beteiligen könnten und sollten. Geplant seien auch Informationsveranstaltungen mit Klimaschutz-Experten. Die sollen laut Mogwitz Wissen vermitteln und dazu beitragen, Berührungsängste mit und Vorbehalte zum Thema abzubauen.
BUND sieht Stadt in der Pflicht
Albin Ströbele vom Vorstand der Markdorfer BUND-Ortsgruppe sieht alle in der Pflicht zur Geschlossenheit und in der Pflicht, jene vielen kleinen Schritte zu unternehmen, die auch Pfarrer Tibor Nagy bei seiner Rede während der Klimademonstration angesprochen habe. „Das fängt beim einzelnen Bürger an, wenn er sein Auto stehen lässt und sein Rad benutzt“, sagt Ströbele, „und dazu gehört natürlich auch die Kommune, die das Radwegnetz Schritt für Schritt verbessert“.

Gerade in diesem Punkt gebe es erheblichen Nachholbedarf in Markdorf, wo das Radfahren alles andere als eine attraktive Alternative zum CO2-ausstoßenden Auto sei. Sein Vorstandskollege Franz Beer verweist in diesem Zusammenhang auf die Bevorzugung des Autos durch die kommunale Parkraumpolitik.
Funktionierendes Stadtbus-Angebot
Er sieht den Gemeinderat vor die Aufgabe gestellt, ein funktionierendes Stadtbus-Angebot einzuführen. Überhaupt, so argumentiert BUND-Vorstandsmitglied Heiner Bühler, heiße es, den öffentlichen Personennahverkehr zu optimieren. Nur so ließen sich bisher den eigenen Wagen nutzende Pendler zum Umsteigen motivieren.
Impulse könnte die Gemeinde auch für Hausbesitzer geben. „Vor 20 Jahren hat es einmal städtische Zuschüsse gegeben für Solaranlagen“, erinnert Albin Ströbele. Grundsätzlich gelte es zu prüfen, ob Neubauten nicht generell mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten seien.
Plädoyer für die Grünzüge
Viel Lob seitens des BUND Markdorf gibt es für Monika Beder, die Leiterin der Stadtgärtnerei. Denn sie habe den Artenschutz im Blick. Und augenscheinlich achte die Stadtgärtnerin auch auf eine klimagerechte Bepflanzung – was sich im Stadtwald, dem Revier von Förster Jörn Burger, schon schwieriger gestalte. Beer warnt hier ausdrücklich vor voreiligen Maßnahmen. „Der Wald ist ein sehr komplexes System, da muss man vorsichtig sein.“

Zu mehr Vorsicht mahnt auch Bühler im Hinblick auf den neuen Regionalplan. Dass die Grünzüge zurückgenommen statt ausgebaut werden sollen, sei ein Fehler. „Auf die Weise wird die Bodenseeregion doch noch zur Stadtlandschaft“, warnt Beer. Und die könne ganz sicher nicht klimafreundlich sein. „Deshalb muss es unser vorrangiges Ziel sein, Grünzüge zu erhalten“, betont Beer.
Forderung nach der Verkehrswende
„Wie fatal sich der Klimawandel auswirkt“, sagt Susanne Deiters Wälischmiller, Fraktionsvorsitzende der Umweltgruppe im Gemeinderat, „das spüren wir hier ja nicht so direkt wie die Menschen in anderen Regionen.“ Dennoch sei Handeln geboten. Zumal die Hoffnung bestünde, „dass noch etwas machbar ist“. So etwa im Bereich einer umweltverträglichen Mobilität. „Wir brauchen die Verkehrswende für Markdorf: Radwege, Busse in der Stadt und in der Region, bessere Bahnverbindungen.“

Anzuerkennen seien die Bemühungen der Stadtverwaltung um energetische Sanierung von eigenen Gebäuden. Auch das neu aufgesetze kommunale Energiemanagement sei positiv, sagt Deiters Wälischmiller. Grundsätzlich aber möchte sie künftig jeden Ratsbeschluss prüfen, wie klimawirksam er sei. Weitere Straßen schließe sie aus, auch die Südumfahrung.

Nach wie vor fordere die UWG, dass sich die Stadt am „European Energy Award“ beteilige, da dieses Qualitätsmanagement den kommunalen Klimaschutz nachhaltig verbessern helfe. Hinzu kämen die bereits im Kommunalwahlkampf erhobenen Forderungen: Etwa den Gehrenberg als Landschaftsschutzgebiet auszuweisen, die Fließgewässer in Markdorf zu renaturieren oder das Begrünen von Hauswänden zu fördern, da auch dies ein Beitrag zu mehr Klimaverträglichkeit darstelle.
Zur Serie
An der SÜDKURIER-Umfrage „Jetzt mitreden“ haben 457 Leser aus Markdorf, Bermatingen und dem Deggenhausertal teilgenommen, darunter knapp die Hälfte Nicht-Abonnenten. Sowohl Abonnenten wie auch Nicht-Abonnenten hatten das Thema ÖPNV eindeutig an die erste Stelle ihrer Prioritätenliste von Wunschthemen für die Zeitung gesetzt. Diesen Wunsch möchten wir von der Redaktion gerne aufgreifen und haben eine Serie entwickelt, die sich bis zum Jahresende in loser Folge jeweils einem konkreten ÖPNV-Thema widmen wird – immer unter der Maßgabe: Welche Ideen gibt es, was muss besser werden, sind Lösungen in Sicht? Wir wollen den Busverkehr ebenso beleuchten wie die Bahn oder auch andere Verkehrskonzepte. Zur Sprache kommen sowohl die Bürger wie auch ehrenamtlich engagierte Vertreter von Verbänden, aber auch kommunalpolitische Entscheidungsträger und Experten von Verkehrsunternehmen. Unserer Serie haben wir die Überschrift gegeben: „Wege aus der Verkehrsfalle? Der ÖPNV-Report Markdorf“. Zum heutigen Auftakt stellen wir eine Bestandsaufnahme des Themas Klimaschutz im Lokalen voraus.