Den Aktendeckel hat Rafael Melzig noch nicht ausgefüllt. „Abiturprüfung“ prangt darauf in fetten Lettern. Einzutragen sind noch das Datum, der Name sowie das Prüfungsfach. An diesem Dienstag ist es Deutsch. Und heute schreiben jene Schülerinnen und Schüler ihre schriftliche Prüfung, die Deutsch als Leistungsfach gewählt haben.
„Bei uns sind das dieses Mal 30“, erklärt Diana Amann, die Direktorin des Gymnasiums am Markdorfer Bildungszentrum (BZM). Insgesamt zähle der Abiturjahrgang 2025 am BZM-Gymnasium 83 Schülerinnen und Schüler. 83 von rund 29.300, die laut dem Stuttgarter Kultusministerium in diesen Wochen an den 450 allgemeinbildenden Schulen Baden-Württembergs ihre Reifeprüfung ablegen.
Anspruchsvoll, aber machbar
„Viel Erfolg – wünscht euch eure SMV“ steht auf dem breit lächelnden Marienkäfer aus Schokolade, den die Schüler-Mitverwaltung auf eine mit einem vierblättrigen Kleeblatt bedruckte Karte geklebt und auf den Arbeitstischen der Klausurschreibenden verteilt hat. Ansonsten liegen der Duden und die beiden Pflichtlektüren da.
In diesem Jahr waren das Georg Büchners „Woyzeck“ und Juli Zehs „Corpus Delicti“. Sie gilt es zu erörtern – entweder den Roman von Juli Zeh oder das Büchner-Stück. Zur Wahl stehen indes noch weitere Themen: etwa die Interpretation von Kurzprosatexten oder von einem Gedicht, etwa das Verfassen eines Kommentars. „Alles durchaus anspruchsvoll, aber machbar“, erklärt Diana Amann. Ihre Deutschlehrer-Kollegen jedenfalls seien recht erfreut gewesen, als sie am Morgen die Prüfungsthemen erfahren haben. Ein gewisser Stolz sei auch im Spiel gewesen, so die Schulleiterin, „weil sie ihre Schüler so gut vorbereitet haben“.
Sofie Rieck, 18, ist die Erste, die man im Schulgebäude nach den Prüfungen trifft. Sie sieht zufrieden aus. Und sie klingt auch so. Ihre Klausur hat sie eine gute Viertelstunde früher abgegeben. Beginn war um 9 Uhr. Geschrieben werden durfte bis 14 Uhr – 315 Minuten oder sieben Unterrichtsstunden lang. „Ich habe mich für Corpus Delicti entschieden, den Juli-Zeh-Roman“, sagt sie. Also für eine der beiden literarischen Erörterungen. Darauf habe sie sich vor allem konzentriert bei ihren Vorbereitungen. „Die anderen Themen waren aber auch gut.“ Ihr Eindruck oder Gefühl: „Ja, doch, es ist recht gut gelaufen.“


Dann dauert es wieder eine ganze Weile, bis sich die Tür des Prüfungsraums erneut öffnen wird. Flur und Treppe im Obergeschoss des Schulgebäudes sind hier mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. „Bitte leise! Prüfung“ verkünden Schilder allen übrigen Schülern, deren Schulalltag ganz normal weiterläuft. Es sei denn, einer ihrer Fachlehrer ist zur Aufsicht im Prüfungsraum eingeteilt – und muss deshalb vertreten werden.
Schüler haben ein gutes Gefühl
Emily Nadig, 19, hat sich für eine Gedichtinterpretation entschieden. „Die Nacht verrinnt, der Morgen dämmert“ von Arno Holz. „Eigentlich liegt mir Lyrik ja nicht so besonders“, erklärt die Schülerin. Womöglich hat es ihr der Anfang des Gedichts angetan: „Vom Hof her poltert die Fabrik / Und walkt und stampft und pocht und hämmert / Ein hirnzermarterndes Gequik!“ Nach einem etwas holprigen Start sei es dann bei ihr „eigentlich ziemlich gut gelaufen“.
Ein gutes Gefühl hat auch Maya Sacotte. „Ich glaube, wir sind jetzt alle übel glücklich, dass es endlich vorbei ist“, erklärt die 18-Jährige. Auch sie hat sich für den Zeh-Roman entschieden. Der beigestellte Text mit Thesen über die Rolle der Justiz in Staat und Gesellschaft sei nicht ohne gewesen. Trotzdem habe sie „ein gutes Gefühl – es ist einfach gut gelaufen“.

Dank „der guten Vorbereitung im Unterricht“ blickt Henry Borkenhagen ebenfalls mit einiger Zuversicht auf die Notenbekanntgabe. Sein Konzept, eine Idee, wie er seine Erörterung angehen kann, habe er früh im Kopf gehabt. „Damit ich mich nicht verrenne, habe ich dann aber eher langsam geschrieben.“