Herr Riedmann, wie empfinden Sie zum Jahreswechsel die Stimmung in der Stadt?
Ich empfinde momentan die Stimmung tatsächlich eher positiv. Auch wenn es noch viele offene Baustellen gibt: Das, was wir über das Bundesförderprogramm ZIZ gemacht haben, im Bereich der Stadtmöblierung, der Weihnachtsbeleuchtung, der Veranstaltungen und vor allem im Bereich der Diskussion, das hat die Atmosphäre positiv beeinflusst. Um dieses Förderprogramm entsteht schon so etwas wie eine Lebendigkeit, eine gewisse Aufbruchstimmung.
Wird aber nicht auch die Erwartungshaltung der Menschen immer größer?
Das haben wir doch überall. Rathäuser sind heute im Prinzip der Konzentrationspunkt, wo man die Lösung aller denkbaren Lebensprobleme erwartet. An vielen Stellen können wir helfen. Ich finde auch, dass wir im Bereich der Dienstleistung durch unser saniertes Rathaus einen Quantensprung gemacht haben. Da sind wir in Markdorf auf einem sehr guten Standard.
Aber es gibt natürlich noch viele andere Erwartungen. Die Stadtverwaltung muss die Innenstadt beleben, sie muss das Klima retten und vieles mehr. Da haben wir sicher wichtige Funktionen, sind aber oft auch nur Teil von Gesamtprojekten, wo vieles mitspielen muss, damit man einen Effekt spürt. Ich kann niemandem versprechen, dass wir 2025 weniger Leerstand haben werden als dieses Jahr. Ich kann auch niemandem sagen, wie viele private Photovoltaikanlagen wir 2025 haben werden. Wir haben es nur für uns selbst in der Hand. Das sind Dinge, bei denen wir in der Wirksamkeit auch unsere Grenzen haben.

Wie steht es um Akteure oder Gruppierungen, die versuchen, von außen Einfluss auf das Rathaus zu nehmen? In unserer Wahrnehmung nimmt das deutlich zu. Ich nenne als Beispiel den Bauträger Betz und Weber und dessen Chef Hans-Peter Betz, der mit der Hauptstraße-Ruine und dem Heggbacher Hof im vergangenen Jahr für einigen Wirbel gesorgt hatte.
Tatsächlich darf ich Ihnen sagen, das lässt mich ehrlich gesagt sehr gelassen. Es ärgert mich durchaus, dass man spürt, dass da eine gewisse Verunsicherung gestreut wird in der Bevölkerung, ob und was die Verwaltung macht. Aber von unserer Seite aus wurde alles richtig gemacht, vor allem auch im Baurechtsamt. Wir hatten neulich eine Gruppe von Stadträten, die dort Akteneinsicht genommen haben, eben zu diesem Thema Hauptstraße und Biberacherhofstraße. Unser kritischster Stadtrat hat anschließend eine E-Mail an das Baurechtsamt geschrieben, dass man nicht erkennen könne, dass das Amt an irgendeiner Stelle verzögert hätte. Also sprich: Alles richtig gemacht, und das kann ich auch bestätigen.

Das Baurechtsamt stand 2024 tatsächlich deutlich stärker im öffentlichen Blickpunkt als gewohnt.
Ja, aber man muss dabei auch sehen, dass das Baurechtsamt keine politische Behörde ist, sondern ein Rechtsamt. Da geht es um Recht und nicht um Politik, das ist ein ganz großer Unterschied. Ein Bauamt, wo Stadtplanung gemacht wird, das ist politisch. Und da kann jeder Einzelne und auch der Gemeinderat Einfluss nehmen und sagen, jawohl, wir wollen es entweder in die Richtung entwickelt haben oder in jene Richtung. Wenn man Bedenken hat bezüglich der Sorgfalt oder der Richtigkeit der Arbeit im Baurechtsamt, sollte man nicht zur Presse oder ins Zunfthaus Obertor gehen, sondern den Rechtsweg beschreiten.

Ärgert es Sie wirklich nicht, dass man Ihnen in einem ohne Ihr Zutun öffentlich gemachten E-Mail-Verkehr eine Schubkarre voller Vorwürfe ins Büro kippt?
Natürlich. Das wäre jetzt falsch, wenn ich sagen würde, dass es nichts mit einem macht, aber wenn jemand in der Öffentlichkeit behauptet, überall läuft es hervorragend und nur in Markdorf läuft es schwierig, dann kann ich das auch eins zu eins zurückgeben und sagen, wir haben mit allen Bauträgern ein hervorragendes Miteinander, nur mit einem nicht. Wir haben viele wunderbare Projekte in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Bauträgern entwickelt, und die sind alle geräuschlos durch den Rat und durch das Baurechtsamt marschiert und bringen uns heute notwendigen Wohnraum. Kritisch wird es für mich dann, wenn in der Öffentlichkeit nicht die Wahrheit gesagt wird, wenn gesagt wird, es liegt ein Angebot für das Bischofschloss vor und es stimmt einfach nicht. Dann werde ich unruhig, weil ich finde, man kann mit harten Bandagen kämpfen, aber man sollte immer bei den Tatsachen bleiben.

Gehen wir zurück zum Thema Stimmung in der Stadt. Wie bewerten Sie den Anlauf des neuen Bürgertreffs Ulrich 5? Gewünscht war ein Ort, an dem engagierte Bürger zusammenkommen.
Ich bin wirklich zufrieden damit. Die Schwerpunkte in den zurückliegenden ersten Monaten sind vielleicht ein bisschen andere als die, die uns bei der Konzeption in den Sinn gekommen sind. Wir würden uns noch mehr regelmäßige Programme tagsüber wünschen. Das war eigentlich die eigentliche Idee, dass dieser Raum tagsüber belebt wird und damit auch einen Beitrag zur Belebung der Innenstadt liefert. Aber diese Werkstatt-Idee, jeder, der etwas beizutragen hat, kann sich dort einbringen, die funktioniert aus meiner Sicht gut.
Haben Sie dennoch für sich das Gefühl, wir haben nun eine engagiertere Stadtgesellschaft?
Also, die Markdorfer zeigen von jeher riesiges Engagement. Wir haben ja unglaublich viele Vereine, die deutlich mehr machen als ihren eigenen Vereinszweck zu erfüllen. Wir haben das Mehrgenerationenhaus, den Kleiderladen, die Tafel und vieles mehr. Alles Orte, wo Bürgerinnen und Bürger sich füreinander engagieren. Es ist schwer zu sagen, dass wir jetzt noch deutlich mehr hätten. Dazu hat der Kieselstein noch zu wenig Kreise gezogen, aber der Bürgertreff ist ein weiterer Baustein in diesem großen Engagement.