Er genieße jeden Tag, erklärt Dietmar Bitzenhofer. Zum kommunalpolitischen Sommergespräch hat er auf die Dachterrasse seines Hauses geladen. Seitdem er nicht mehr in seinem Geschäft steht, hat er nun „mehr Zeit für die Familie“. Eines jedoch vermisse er: „den tagtäglichen Kontakt mit den Kunden“, erklärt der Freie-Wähler-Stadtrat und Sprecher seiner Fraktion. Diese Kundengespräche fehlten ihm auch insofern, als sie ihm stets einen Eindruck davon geliefert haben, was die Markdorfer über die Entscheidungen des Gemeinderats denken.

Im Gespräch mit den Bürgern ist Bitzenhofer allerdings weiterhin. Das bringe sein ehrenamtliches Engagement mit sich. Und als einer der Stellvertreter des Bürgermeisters begegne er den Markdorfern nicht bloß auf der Straße, sondern auch in deren Wohnungen, wenn er Jubilare zur Gratulation besucht. „Das ist eine Aufgabe, die ich wirklich gerne mache“, erklärt Bitzenhofer. Denn dabei erfahre er sehr viel über Lebensleistungen und über Markdorf.

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Kommunalpolitik braucht Geduld

Ob der Bitzenhofer als Ruheständler nun mehr Zeit für kommunalpolitische Strategie-Überlegungen hat? Ob er sich mehr Gedanken machen kann, wie sich seine Fraktion oder wie sich die Stadt noch weiter voranbringen lässt? Seine Antwort ist sehr klar: „Strategisch gedacht habe ich auch vorher, vor meinem Ruhestand.“ Das sei ihm immer wichtig gewesen. Denn auch in der Kommunalpolitik brauche einen langen Atem, wer etwas erreichen möchte.

Es gibt Anstrengungen zur Innenstadtbelebung, doch ließe sich von andern Städten noch manches lernen, ist Bitzenhofer fest überzeugt.
Es gibt Anstrengungen zur Innenstadtbelebung, doch ließe sich von andern Städten noch manches lernen, ist Bitzenhofer fest überzeugt. | Bild: Jörg Büsche

Zeitenwende – auch in Markdorf

Die Chancen zur Einflussnahme sind seit der jüngsten Gemeinderatswahl für die Freien Wähler deutlich gestiegen. Und ihr Fraktionssprecher macht keinen Hehl daraus, dass ihn das gute Abschneiden sehr gefreut habe. Jetzt stünden die Freien Wähler aber in der Pflicht. „Wir müssen liefern.“ Keine leichte Aufgabe in der derzeitigen Situation. Bitzenhofer nimmt das Wort des Bundeskanzlers in den Mund: „Wir hatten eine Zeitenwende.“ Sehr vieles habe sich verändert. Die Menschen blicken ihm zufolge weit weniger zuversichtlich in die Zukunft, viele haben Angst. Und auch in Markdorf stehe man vor „nicht unerheblichen Problemen“.

Leben mit der Lücke

„Bei meiner Haushaltsrede habe ich noch von einem ausgeglichenen Haushalt 2024 gesprochen“, erinnert der Fraktionssprecher. Er habe aber auch schon darauf hingewiesen, „dass sich innerhalb von fünf Minuten alles ändern kann“. Eben das sei eingetroffen. Im städtischen Ergebnishaushalt sind Mindereinnahmen von 2,5 Millionen Euro zu verkraften. „Daran trägt die Verwaltung keine Schuld“, betont Dietmar Bitzenhofer. Zum einen fallen die Gewerbesteuervorauszahlungen einer Markdorfer Konzerntochter aus, was im städtischen Haushalt zu einer 1,9-Millionen-Lücke führe. Zum anderen müsse die Stadt einem zweiten Unternehmen 0,6 Millionen Euro erstatten, die vor rund zehn Jahren vom Finanzamt zu viel berechnet worden waren – so das Ergebnis eines Rechtsstreits.

Bei den städtischen Pflichtaufgaben – etwa der Wegesicherung – kann kaum gespart werden.
Bei den städtischen Pflichtaufgaben – etwa der Wegesicherung – kann kaum gespart werden. | Bild: Jörg Büsche

Nur geschlossen ans Ziel

Stadtrat Bitzenhofer kommt zurück auf die Zeitenwende. Nun müsse Schluss sein mit allen politischen beziehungsweise ideologischen Eitelkeiten. „Nur geschlossen kommen wir vorwärts.“ In der derzeitigen Situation dürfe es ausschließlich um Markdorf gehen, nicht um Parteiinteressen. Ohne Geschlossenheit keine Chance zu einem „Wir-schaffen-das“, zitiert er nun Scholz‘ Vorgängerin.

Seite an Seite mit der FDP?

„Ja, wir haben miteinander gesprochen“, erklärt Dietmar Bitzenhofer. Mit der Markdorfer FDP wurde über eine mögliche Fraktionsgemeinschaft geredet. Zustande gekommen sei sie dann aber doch nicht. Warum, das mag er nicht öffentlich darlegen. Er sagt nur, dass sich die Freie-Wähler-Stadträte geschlossen gegen ein Bündnis ausgesprochen haben. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch FDP-Positionen unterstützen – wenn die gut sind.“ Als Beispiel nennt Bitzenhofer die Vorschläge zur Digitalisierung. Und für die Ortsumfahrung sei man gemeinsam auf die Straße gegangen.

Dietmar Bitzenhofer hofft nach wie vor auf eine Ortsumfahrung.
Dietmar Bitzenhofer hofft nach wie vor auf eine Ortsumfahrung. | Bild: Jörg Büsche
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Festhalten an der neuen Schule

„Noch haben wir keine Förderzusage“, erklärt er zum Thema Grundschule Süd. Verbindliche Zusagen brauche die Stadt aber, um mit dem Bau einer dritten Grundschule beginnen zu können. Denn allein mit eigenen Mitteln sei das Millionenprojekt nicht zu stemmen. Dietmar Bitzenhofer hegt aber keinen Zweifel an der Notwendigkeit eines Neubaus. „Von sinkenden Schülerzahlen ist mir nichts bekannt.“ Grundsätzlich befürwortet er Investitionen in Kindergärten und Schulen. „Den nachfolgenden Generationen kann man ruhig zumuten, dass sie mit abtragen, wovon sie profitieren.“

Der Platz in der Jakob-Gretser-Schule reicht nicht aus, wenn die Schülerzahlen steigen.
Der Platz in der Jakob-Gretser-Schule reicht nicht aus, wenn die Schülerzahlen steigen. | Bild: Jörg Büsche

Das Bauen von Schulen und von Kindergärten sei Pflicht der Gemeinde. Keine Pflichtaufgabe sei dagegen das Betreiben von Seniorenzentren. „Dass da Handlungsbedarf besteht, steht außer Frage.“ Und die Beteiligung eines Betreibers sei aus seiner Sicht zumindest zu erwägen – „auch wenn ich das Pflegeheim lieber in den eigenen Händen sähe“, so Bitzenhofer.

Von Isny lernen

Dass trotz der Zeitenwende ein Wir-schaffen-das möglich ist, erläutert Dietmar Bitzenhofer am Beispiel Isnys. Dort sei vieles erreicht worden – auch eine Ortsumfahrung. „Mit Wasser wird überall gekocht“, räumt er ein, „aber an manchen Orten mitunter etwas heißer als bei uns“. Darum würde er gerne zwei Busse chartern, „um dem Gemeinderat, aber auch den Geschäftsleuten zu zeigen, dass vieles auch besser gemacht werden kann“.

Dietmar Bitzenhofer plädiert für mehr Anstrengungen im kommunalen Wohnungsbau.
Dietmar Bitzenhofer plädiert für mehr Anstrengungen im kommunalen Wohnungsbau. | Bild: BUESCHE,JOERG

In Kressbronn habe sich ja auch gezeigt, dass städtische Wohnbaugesellschaften gut funktionieren können, sogar Geld in den städtischen Haushalt spülen. Bitzenhofer hofft nach wie vor, dass das Projekt kommunale Wohnbaugesellschaft in Markdorf weiter vorangetrieben wird.