Sie sind immer dabei: Keine Fasnet ohne Kaujohle. Wenn es närrisch zugeht in Markdorf, dann sind stets auch die Figuren mit der Holzmaske, dem gegabelten Haselnussstecken, mit den hölzernen Schellen am Gürtel und mit dem blätterbesetzten Anzug, dem Kaujohle-Häs, mit von der Partie. Sie sind auch die ersten, wenn sich am Dreikönigstag die Narren wecken lassen. Dann nämlich ruft der Kaujohle den Hänseler, die andere wichtige Figur im Markdorfer Narrentreiben zur Fasnet: „Hänseler, Du Lumpehund, usser mit Dir, wenn d‘Fasnet kunnt.“ Bei der Schülerbefreiung am Schmotzigen Dunschdig befreien die Kaujohle mit.

Beim Narrenbaumsetzen sind sie dabei sowie bei allen Feiern und Bällen in der Stadt – gleich ob für Kinder oder Senioren. Zum Höhepunkt aber dürfte in diesem Jahr für die Kaujohle der große Umzug am Fasnetsunntig werden.

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Nach Dreikönig darf der Kaujohle raus aus seinem Wald und wieder in die Stadt.
Nach Dreikönig darf der Kaujohle raus aus seinem Wald und wieder in die Stadt. | Bild: Jörg Büsche

Endlich wieder auf Rädern beim Umzug

„Wir fahren dann endlich wieder mit einem eigenen Wagen mit“, kündigt Manuela Boll an, die amtierende Oberkaujohle. Seit Mai schon werde an dem Gefährt aus früheren Tagen eifrig restauriert. Nur, dass auf dem Anhänger Bäume emporragen, verrät Manuela Boll. Sie stehen symbolisch da, für den Wald im Gehau. „Bei uns spricht man‘s „Kau“ aus“, erklärt Birgit Beck. Und damit hat die Zunftmeisterin schon angedeutet, woher der Name der Maske kommt. Kaujohle setzt sich aus dem Flurnamen des besagten Waldstückes im Süden der Stadt und dem zusammen, was dort nächtens ertönt: Lautes Geheul – oder Johlen. Klagelaute, die ein auf ewig verdammter Unhold ausstößt.

Zunftmeisterin Birgit Beck neben einem historischem Kaujohle-Häs im Markdorfer Narrenmuseum im Zunfthaus Obertor.
Zunftmeisterin Birgit Beck neben einem historischem Kaujohle-Häs im Markdorfer Narrenmuseum im Zunfthaus Obertor. | Bild: Jörg Büsche
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Der düstere Hintergrund der fröhlichen Maske

Denn so begeistert die Markdorfer Kaujohle auch von ihrer gleichnamigen Abteilung in der Historischen Narrenzunft sein mögen. Der Ursprung ihrer Fasnetsfigur ist eher betrüblich. Die Maske zeigt einen fiesen Förster in feudaler Zeit. Sein Amt, die Waldungen im Süden Markdorfs von Wilderern freizuhalten, hat er mehr als erfüllt. Denn der Forstmann vertrieb auch all jene, die im Forst nach Brennholz suchten. Mitleidlos hetzte er seine Hunde auch auf Markdorfer, die im Wald nach Pilzen und Beeren suchten, um Hungerzeiten zu überstehen. Zur Strafe für seine Hartherzigkeit wurde der böse Förster verdammt.

Vize-Oberkaujohle Heiko Frick zeigt sich mit Häs und Maske.
Vize-Oberkaujohle Heiko Frick zeigt sich mit Häs und Maske. | Bild: Jörg Büsche
Offen für Groß und Klein zeigen sich die Kaujohle, hier beim Markdorfer Umzug im Jahr 2023.
Offen für Groß und Klein zeigen sich die Kaujohle, hier beim Markdorfer Umzug im Jahr 2023. | Bild: Jörg Büsche

Dementsprechend unfreundlich kommt seine Maske daher. Weit aufgerissen der breite Mund unter der aufgestülpten Nase und zwischen den bleckenden Zähnen schiebt sich die Zunge hervor. Richtig Angst vor den Kaujohle müsse aber niemand haben, versichert Vize-Oberkaujohle Lisa Jäger. Auch nicht dann, wenn die Kaujohle mit ihren mächtigen Haselnussstecken fuchteln. „Es bleibt beim Fuchteln, allenfalls kommt es zu einem kleinen Schabernack.“ Etwa einem leichten Stoß an die Füße.

Früher (links) und heute (rechts): Vom bemalten Rupfen zum mit Blättern benähten Kaujohle-Häs.
Früher (links) und heute (rechts): Vom bemalten Rupfen zum mit Blättern benähten Kaujohle-Häs. | Bild: Jörg Büsche

Zur Fasnet hat den Kau-Unhold vor 90 Jahren Eugen Brutsch gebracht. Mit Hut, Umhang, Säbel, Horn und Saufeder tauchte er auf der Fasnet auf. Er brachte damit die Entwicklung der heute in der Markdorfer Fasnet so vertrauten Maskengruppe ins Rollen. Und es waren die Markdorferinnen, die die Försterfigur aufgriffen und zu einem eigenen Häs gestalteten. Das Besondere daran: Hinter der Kaujohle-Maske steckten nun auch Närrinnen, nicht ausschließlich Männer wie etwa bei den Markdorfer Hänselern. Vor genau 70 Jahren, 1954, beteiligten sich die Kaujohle zum ersten Mal am Markdorfer Fasnetsumzug.

Bei der Schülerbefreuung wirken Kaujohle und Hänseler zusammen, wie hier Bianca Seiler und ihr Sohn Maurice-Joel im vergangenen Jahr.
Bei der Schülerbefreuung wirken Kaujohle und Hänseler zusammen, wie hier Bianca Seiler und ihr Sohn Maurice-Joel im vergangenen Jahr. | Bild: Jörg Büsche

Mit 350 Hästrägern eine große Gruppe in der Zunft

Inzwischen zählt die Kaujohle-Gruppe in der Historischen Narrenzunft rund 350 Hästräger. Zunftmeisterin Birgit Beck führt die große Zahl auf die Anziehungskraft der Figur auf Familien, insbesondere auf junge Familien zurück. Gehören die Eltern bereits der Gruppe an, bringen sie ihre Kinder mit, erklärt Lisa Jäger. So habe sie es gehalten mit ihrer damals vier Jahre alten Tochter. Die sei heute 22 und „immer noch mit großer Begeisterung dabei“. Das erklärte Ziel von Oberkaujohle Manuela Boll: „Noch mehr Familien für uns Kaujohle gewinnen.“