Herr Sigl, drei Mal wurde der geplante Auftritt der Spider Murphy Gang in Markdorf zwischen 2020 und 2021 wegen Corona verschoben. Wie sehr freut sich die Band, dass sie nun am 28. Mai hier auf dem Marktplatz auftreten wird?
Schon sehr. Wir hatten jetzt ein halbes Jahr Pause, dann unseren traditionellen Auftritt an Ostern in Akustik-Besetzung im Lustspielhaus in München. Davor nochmal neun Monate nichts wegen Corona – und nun dieses Jahr rund 50 Auftritte. Endlich ist der Kalender wieder voll und wir freuen uns auf jeden Gig.
Die Spider Murphy Gang war ja vor vielen Jahren schon mehrfach in Markdorf. Wie sind Ihre Erinnerungen daran?
An Markdorf erinnere ich mich noch gut. Zum ersten Auftritt kamen wir noch im VW-Bus, das war so um 1980. Wir spielten im Wirtshaus am Gehrenberg, alles sehr klein noch damals. Ich weiß noch, die Wirtsleute waren sehr nett. Beim zweiten Auftritt waren wir schon bekannter: Ein Open Air bei einem Tennisplatz. Da kamen wir schon mit dem Sattelschlepper.

Sie sind eine Münchner Band und haben damals schon sehr viel in der Region Bodensee-Oberschwaben gespielt. Wie kam es dazu?
Unser Tontechniker Heiner Schupp kam aus Bad Waldsee. Er hat uns von Anfang an und viele Jahre begleitet. Und so kamen viele Konzerte hier in der Gegend zusammen. Heute lebt er in Aulendorf. Durch Heiner hatten wir auch immer seine sehr oberschwäbische Tour-Crew, weil er sie rekrutiert hatte. Das hält übrigens bis heute an.
Laut Heiner Schupp hatten die Auftritte in Markdorf etwas mit Marmelade zu tun?
Oh ja, vermittelt hatte die Auftritte ein Herr Ditting, der offenbar Marmeladenvertreter war und uns immer wieder Marmelade geschenkt hat. Wir hatten immer wieder mit ihm Kontakt und ich hoffe, er freut sich, wenn er das hier liest.
Wie sind Sie damals darauf gekommen, Rock‘n‘Roll mit bayerischen Texten zu machen?
Wir haben ab 1971 in den Ami-Clubs gespielt, meist Rock‘n‘Roll. Unsere Helden waren Elvis und für Gitarrist Barny Murphy vor allem Chuck Berry. 1978 tauften wir uns Spider Murphy Gang, hatten Auftritte in der Radioshow „Rockhaus“ des Bayerischen Rundfunks. Moderator Georg Kostya meinte, dafür müssten wir aber was Bayerisches spielen. So wurden wir bei ihm Stammgast, schrieben für jede Show einen neuen Song auf Bayerisch. Bald war genug für eine LP beisammen und 1980 kam „Rock‘n‘Roll Schuah“ heraus.

Hat sich dadurch viel für euch verändert?
Ja klar. Wenn du in Clubs der US-Armee spielst, dann spielst du ja quasi im Ausland. Wir aber wollten in die Münchener Clubs – und das hat mit den bayerischen Songs richtig eingeschlagen.
Mit dem Hit „Skandal im Sperrbezirk“ kam 1982 der Riesenerfolg. Ein Popsong, der eigentlich kein typischer Rock‘n‘Roll ist. War das Zufall oder haben Sie den speziell für die Neue Deutsche Welle geschrieben?
Nein, andersrum: Der Song entstand eher zufällig im Proberaum. Ich hatte in einem Text die Münchner Sperrbezirksverordnung von 1972 aufs Korn genommen und unser Keyboarder Michael Busse hatte diesen neuen Synthesizer zum Umhängen. Der fing mit dem Stakkato-Riff an, im Mittelteil ließen wir den Synthi dann heulen wie eine Polizeisirene bei einer Razzia. 1981 landete der Song auf der LP „Dolce Vita“, der Durchbruch kam aber erst 1982. Ich weiß noch, wie sich unser Manager freute: „Au ja, das ist ja Hochdeutsch! Das kann man endlich mal in der gesamten BRD vermarkten!“ Und mit der Neuen Deutschen Welle wurde alles gepuscht, was deutsche Popmusik war. So kamen wir zu unserem Nummer-1-Hit. Auch wenn wir wegen dem Text und dem Wort „Nutten“ beim Bayerischen Rundfunk auf dem Index standen, bei der ZDF-Hitparade ebenso. Er ist dann doch viel gespielt worden, in den Diskotheken, viel lief über Mundpropaganda bei den jungen Leuten: „Hej, hast gehört, der neue Song von den Spider mit den Nutten und so…“
Und mit „Rosi“ ging es auf die großen Bühnen…
Oh ja, das war schon was, wenn du bisher in kleinen Clubs gespielt hast und plötzlich in der Dortmunder Westfalenhalle und überall – das war schon ein Riesenerfolg. Und wenn du dann plötzlich mal so eine Million aufs Konto bekommst…
Man erzählt sich, in so einem plötzlichen Rockstar-Leben sei das Geld schnell verjubelt. Nur der gelernte Bankkaufmann Günther Sigl habe damals das Geld zusammengehalten.
Ja, da muss man schon dran denken, wenn das Geld kommt, dass im nächsten Jahr noch genug übrig ist, wenn das Finanzamt kommt und die Hälfte davon als Steuern will. Da habe ich meine Bandkollegen auch immer beraten.

Wie ging es nach „Skandal im Sperrbezirk“ weiter?
Da haben wir fast jedes Jahr eine Platte gemacht. Da kommt dann der Druck, weil du ja immer neue Lieder geschrieben haben musst. Das alles zwischen den vielen Foto- und Fernsehterminen. Und dann ging es jedes Mal auf Tournee, um die Platte zu promoten.
Nach 1990 wurde es vergleichsweise ruhiger um euch. Wie seid ihr damit umgegangen?
Wir hatten das Glück, dass wir immer eine Live-Band und auf der Bühne waren. Wir haben einfach weitergespielt und wir hatten unser Publikum. Im Gegensatz zu den „One Hit Wondern“ der Neuen Deutschen Welle wie Hubert Kah und UKW, die waren reine Studioprojekte.
Bis zu 50 Konzerte im Jahr: Wie steckt man das mit Mitte 70 noch weg?
So lange Tourneen wie früher, so 30 Tage am Stück, das machen wir schon lange nicht mehr. Aber so verteilt ist das für mich bequem. Ich bin ja gesund, dazu mit 75 der Älteste in der Band. Das macht mir nichts aus, das gibt mir eher Power und Kraft. Nein, das Daheimsitzen, dieses Rentnerdasein, das wäre nichts: Wir müssen hinaus auf die Bühnen der Welt.
Nach Markdorf zum Beispiel.
Ja, das ist wunderbar, dass wir jetzt wieder spielen können. Das ist unser Leben, das müssen wir machen. Ich sag‘ immer, wir spielen bis wir umfallen. Immer mal wieder ein Wochenende raus und unterwegs sein, das hält ja auch jung. Stimme ist auch kein Problem. Manche sagen, ich hätte immer noch eine jugendliche Stimme.
Was erwartet die Fans denn am 28. Mai in Markdorf?
Wir spielen natürlich die ganzen Hits: Skandal, Schickeria, „Mir san a bayerische Band“, „Pfiat di Gott Elisabeth“, unsere Top-5-Nummern aus der Neuen Deutschen Welle wie „Ich schau dich an“ und „Wo bist du“. Wir haben auch viele Songs, das sind einfach so Live-Kracher, die nicht unbedingt Single-Hits waren. Balladen wie „Sommer in der Stadt“, unsere Chuck-Berry-Adaption „Autostop nach Schwabing“. Da machen wir viel Interaktion mit dem Publikum, mit Mitsingen und Tanzen.
Welches ist Ihr persönlicher Lieblingssong im Repertoire?
„I ziags net aus, meine Rock‘n‘Roll Schuah“. Immer schon. Mein erster richtiger Song, mit dem ich zufrieden war. Noch schwer im Chuck-Berry-Duktus, von Barneys Gitarre her. Das war damals schon ein Statement. Das hatte was Rebellisches. Und jetzt, 45 Jahre später, hat das nochmal eine andere Bedeutung: Nein, ich ziags net aus, meine Rock‘n‘Roll Schuah.
Welcher Song kommt live am besten an?
Bei uns warten natürlich die Leute auf den „Skandal“. Das spielen wir zum Abschluss vom Set und das reißt dann auch wirklich den letzten vom Hocker.
Jetzt hoffen wir nur noch auf gutes Wetter am 28. Mai.
Ja genau. Und dann werden wir eine schöne Rock‘n‘Roll-Party feiern in Markdorf.