Bei einer Enthaltung von FDP-Rat Rolf Haas hat der Gemeinderat am Dienstagabend den Haushaltsplan 2023 verabschiedet. Auch im nächsten Jahr stehen die Finanzen der Stadt ganz im Zeichen der aktuellen gewaltigen Investitionen: 17,3 Millionen Euro werden für Investitionen aufgewendet, das ist fast die Hälfte der gesamten Aufwendungen von 38,9 Millionen Euro. Mit einem Defizit von voraussichtlich 1,4 Millionen Euro fällt der Ausblick allerdings besorgniserregend aus. Im Mittelpunkt standen am Dienstagabend die Haushaltsreden der Fraktionen. Wie beurteilen die Stadträte den Haushalt?

- Umweltgruppe: „Uns allen ist klar: wir müssen sparen und die Einnahmenseite stärken“, stellte UWG-Sprecher Joachim Mutschler klar. Die Meinungen darüber, was wichtig sei, würden im politischen Diskurs jedoch auseinandergehen: Umfahrung, Stadtbus, Parkhäuser, Geld für Vereine, Kinder, Kultur und Sport, nannte er als Beispiele. Fehlende Mittel sollte der Gemeinderat aber nicht im „Klein-Klein“ suchen, sondern die operativen Einsparanstrengungen der Verwaltung überlassen. Klar sei: Das Volumen der Projekte übersteige die Leistungsfähigkeit der Stadt deutlich. Es gehe daher nur mit Ausgabendisziplin: Zurückhaltung bei neuen Projekten, Standards müssten auf den Prüfstand. Ganz oben für die UWG stünden Maßnahmen, die „in die Klimaneutralität führen“. Die geplanten PV-Projekte gehörten dazu, ebenso wie die Stelle fürs Klimaschutzmanagement im Rathaus. „In den letzten Jahrzehnten wurde mit viel Geld Natur und Zukunft vernichtet“, so Mutschler. Nun gehe es darum, die „Lebensgrundlage unserer Kinder zu schützen“. Künftig müsse man viel stärker den Fokus auf klimaschonende Mobilität legen, dazu gehöre auch die Einführung von Parkgebühren. Kürzungen bei den Vereinen lehnt die UWG ab. Die Vereine seien eine „wesentliche Säule für das soziale Leben in unserer Stadt“.

- CDU: Auch CDU-Sprecherin Kerstin Mock äußerte „Sorge über den Ausgleich des Haushaltes“, verwies zugleich aber auf die großen und nötigen Investitionen. Auch in den kommenden Jahren habe man weiter hohe Investitionen im Bildungsbereich. Einen kritischen Blick warf Mock auf die Förderprogramme, vor allem beim Klimaschutz: „Setzen wir Geld und Arbeit lieber für Lösungen ein als für Zertifikate“, mahnte sie. Sehr kritisch sehe die CDU die geplante Prüfung einer von der EnBW projektierten Flächenphotovoltaikanlage. Der Rat hatte sich auf einer Exkursion in Leutkirch eine solche angesehen. Bei zehn Hektar Flächenbedarf drohe weiterer Flächenverlust für die Landwirte. Dies stünde nicht in Relation zu den Einspar- und Klimapotenzialen. Die CDU stehe zur Landwirtschaft. In Zukunft müsse man noch mehr „auf Sicht fahren“ und in kürzeren Abständen planen. Auch Mock erteilte Abstrichen bei den Vereinen eine Absage: Deren Förderung der angespannten Haushaltslage zu opfern, komme für die CDU nicht in Frage.

- Freie Wähler: Solide Finanzen seien den FW immer wichtig gewesen, so Fraktionschef Dietmar Bitzenhofer. Daher habe es ihn stutzig gemacht, dass seine Fraktion die einzige gewesen sei, die Sparvorschläge eingebracht habe: „Sind die Appelle von Verwaltung und Kämmerer nicht angekommen?“, fragte er in die Ratsrunde. Die Defizite von heute seien die Schulden der nachfolgenden Generationen. Gehe es um etwaige Steuererhöhungen in 2023, werde man mit den Freien Wählern kaum rechnen können. Stattdessen sei eine „rigorose Einsparung auf der Ausgabenseite“ gefordert. Nicht einsparen wollte man bei den FW hingegen bei den Freiwilligkeitsleistungen: „Es wäre derzeit ein falsches Signal für all unsere Vereine gewesen.“ Trotz roter Zahlen wolle man den Haushalt 2023 aber nicht schlechtreden, so Bitzenhofer: „Generell sind die Weichen in die richtige Richtung gestellt.“ Der Haushalt sei „in die Zukunft gerichtet gestaltet“, weil er den Fokus auf langfristige und nachhaltige Projekte lege. Einsparungen seien künftig aber nötig. Der Kurs in Richtung Energiewende und Klimaschutz sei richtig, aber dort sei auch Bürgerbeteiligung gefragt. Am Ausbau des ÖPNV komme man nicht vorbei, aber „ideologisches Durchboxen“ wäre der falsche Ansatz. In Sachen Digitalisierung gehe es hingegen zu langsam und die geplante Nichtbesetzung der Stelle sei ein Fehler. Man müsse die Person, die aktuell das Thema Digitalisierung mitbetreue, von allen anderen Aufgaben befreien.

- SPD: Er hätte sich nach Corona eine „Rückkehr zur Normalität“ gewünscht, sagte SPD-Chef Uwe Achilles. Die finanziellen Sorgen der Stadt könnten aber „nicht mithalten mit dem Leid in der Ukraine“, relativierte er. Ein Fehlbetrag von 1,4 Millionen Euro bei knapp 40 Millionen Gesamtvolumen sei „verkraftbar“, sollte aber eine Einmaligkeit bleiben. Denn es gehöre auch zur Generationengerechtigkeit, die Ressourcen nicht komplett zu verbrauchen. Es gehe vor allem darum, die Ertragsseite zu verbessern. Andererseits müsse man aber auch die Ausgaben reduzieren. Der Gemeinderat sei aber „kein Sparorgan, sondern ein politischer Entscheidungsträger“, bezog er sich auf einen kritischen Kommentar des SÜDKURIER. Auch er erteilte Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen eine Absage: „Wenn wir uns nur auf die Pflichtaufgaben reduzieren würden, würde in der Stadt viel vermisst werden.“ Die Stadt habe immer noch ein ambitioniertes Investitionsprogramm vor sich und der Weg zur Klimaneutralität werde nicht kostenlos sein. Angesichts dessen werde man 2023 sicherlich noch das ein oder andere Vorhaben verschieben müssen.
- FDP: Drastische Worte wählte FDP-Rat Rolf Haas: „Der uns hier vorgelegte Haushalt ist ein Desaster!“ Und dies nicht nur für 2023, sondern auch mittelfristig. Er sei das Ergebnis einer „langfristig verschleppten Fehlplanung der kostenintensiven Pflichtaufgaben“ als auch überzogener Ansprüche in den Lastenheften der Stadt – selbstverschuldet wegen „zu gut“ gemeinter Ziele, „die wirtschaftlich wenig oder gar keinen Sinn machen“. Die Folge sei eine Rekord-Neuverschuldung, so Haas: „Keine Gemeinde im Bodenseekreis wird sich wohl prozentual mehr verschlechtern.“ Die FDP fordere: Keinen Stadtbus, keine Steuererhöhungen und vor allem endlich deutlich mehr Anstrengungen in Sachen Digitalisierung der Verwaltung. Die Digitalisierung berge viel mehr Sparpotenzial als der Klimaschutz. „Raus aus dem Idealismus und rein in den Pragmatismus“, forderte Haas. Über die Attraktivierung der Innenstadt werde die Öffentlichkeit nicht informiert und „ein paar neue Pflastersteine und ein paar neue Weihnachtshütten werden keinen Euro mehr in die Stadtkasse spülen“.