Lena Haas ist 21, studiert an der Häfler Zeppelin Universität und ist enttäuscht von den Markdorfer Wählern – zumindest denjenigen, die bei den Kommunalwahlen nur die älteren Kandidaten gewählt haben. Mit 1260 Stimmen und dem drittbesten Ergebnis auf der FDP-Liste ist Haas am vorvergangenen Sonntag nur äußerst knapp am Einzug in den Gemeinderat gescheitert. Rainer Zanker, der mit 1581 Stimmen direkt vor ihr ins Ziel einlief, wird künftig mit dem wiedergewählten Rolf Haas das FDP-Duo bilden. Bei einem dritten Sitz für die FDP, der durchaus in Sichtweite war, wäre Haas drin gewesen.

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Enttäuscht ist Lena Haas weniger über ihr eigenes Abschneiden. „Ich hätte mich zwar sehr gefreut, aber ich hatte mich schon darauf vorbereitet, denn es war mir klar, dass es für mich nur bei einem dritten Sitz gereicht hätte“, sagt sie. Enttäuscht sei sie vielmehr darüber, dass bis auf die wiedergewählte 25-jährige UWG-Rätin Lisa Gretscher kein einziger weiterer junger Kandidat oder Kandidatin den Sprung in den Rat schaffte. „Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass alle Altersgruppen vertreten sind“, sagt Haas, die darauf hinweist, dass der nächstjüngere Stadtrat nach Gretscher, Simon Pfluger von der CDU, auch bereits 39 Jahre alt ist. Das heißt: Markdorfs kommunalpolitische Entscheider gehören fast ausnahmslos den Generationen 40+ an. Die junge Generation ist nicht vertreten.

Eine Runde von Damen und Herren im gesetzteren Alter: Die 25-jährige Lisa Gretscher ist die einzige verbleibende Vertreterin der ...
Eine Runde von Damen und Herren im gesetzteren Alter: Die 25-jährige Lisa Gretscher ist die einzige verbleibende Vertreterin der jüngeren Generation im neuen Gemeinderat. Bis auf den 39-jährigen Simon Pfluger gehören alle anderen Stadträte zur Generation 40 plus. | Bild: Grupp, Helmar

Je kleiner die Stadt, desto schwieriger für die Jungen

Haas benennt das Dilemma, das zu einem solchen Wahlergebnis führt: „Je kleiner die Stadt, desto mehr wählt man Personen statt Parteien. Die Folge ist, dass bekannte Namen immer wieder reingewählt werden, neue und vor allem junge Kandidaten es hingegen viel schwieriger haben, sich zu beweisen.“ Und bewusst provokant schiebt sie die Frage hinterher: „Weshalb sollten Menschen über 70 über die Zukunft von Markdorf entscheiden?“ Für den neuen Rat ist das etwas zugespitzt. Denn mit FW-Chef Dietmar Bitzenhofer sitzt nur eine Ü-70-Person im Rund. Andererseits sind die UWG-Rätinnen Christiane Oßwald (70) und Susanne Deiters Wälischmiller (71) nur äußerst knapp an ihrer Wiederwahl gescheitert.

Ergebnis des 9. Juni „sehr demotivierend“

„Man jammert immer, die Jugend interessiere sich nicht für Politik, aber diejenigen, die sich für ihre Stadt engagieren wollen, werden nicht gewählt“, kritisiert Haas. Für junge Menschen seien solche Ergebnisse „sehr demotivierend“. Sie sehe zwar schon, dass die Stadträte sich bemühen würden, sich in die Lage der jungen Menschen hineinzuversetzen. Das sei aber nicht dasselbe, als wenn man die Jungen selbst mitentscheiden lasse.

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Ausgewogene Mischung würde Teams „komplettieren“

Die 21-Jährige verweist auch darauf, dass von einer ausgewogenen Altersmischung im Rat ja auch die ältere Generation profitiere, nicht nur die Jungen: „Wenn mehrere junge Menschen im Gemeinderat sind, werden die Themen auch aus anderen Blickwinkeln gesehen und diskutiert“, sagt sie. „Wir können unsere Expertise zur Lebenswelt der jungen Mitbürger einbringen und neue Perspektiven aufzeigen.“ Ebenso wie sie selbst sich bei bestimmten Themen ja auch auf die Expertise der Erfahrenen verlassen würden. Nur die Mischung würde aber „die Teams komplettieren“.

Was kann man tun? Gibt es für die Jungen überhaupt eine Möglichkeit, daran etwas zu ändern? Schließlich sind die Älteren ja auch in der Wählerschaft ganz eindeutig in der Überzahl. Ein Patentrezept habe sie auch nicht, sagt Haas. Man könnte die Satzung des Jugendgemeinderates dahingehend ändern, dass man noch bis zum Alter von 25 Jahren Mitglied sein könne und nicht, wie bislang, nur bis 23. Und dass dann die Themen und Beschlüsse des Jugendgemeinderates verbindlich auf die Agenda des Gemeinderates gesetzt werden müssten.

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Es gibt ja nicht einmal einen Jugendrat

Diese Geschichte hat allerdings einen wesentlichen Haken: Einen Jugendgemeinderat gibt es in Markdorf nach wie vor noch nicht. Jahrelang wurde daran herumgedoktert, es fanden zig Treffen statt, aber inzwischen ist das Thema wieder in der Versenkung verschwunden. „Eigentlich ist für einen Jugendgemeinderat alles komplett vorbereitet“, sagt Haas, die selbst jahrelang im Aufbauteam mit dabei war. Es müssten eben nur die Wahlen angesetzt werden.

Dennoch ist auch ihr klar, dass das das Problem der mangelnden Teilhabe im Gemeinderat nicht löst. Dafür wäre auch ein Umdenken in der Stadtgesellschaft nötig und die Bereitschaft der „alten Garden“, den Jungen mehr Platz einzuräumen.