Es ist eines der drängendsten Probleme im Bodenseekreis und mittlerweile hat es auch das Hinterland erreicht – und da macht Markdorf keine Ausnahme: der knappe Wohnraum. An Luxusimmobilien und teuren Bauplätzen mangelt es nicht, bezahlbarer Wohnraum vor allem für jüngere Familien hingegen ist Mangelware.
Auch in Markdorf gibt es lange Wartelisten, wenn die Stadt mal wieder eigene Bauplätze ausschreibt. Wer einen der begehrten Bauplätze bekommen möchte, muss die Vorgaben von Punktelisten erfüllen: Kinder, langjähriger Wohnsitz in Markdorf, ehrenamtlich engagiert, solche Dinge. Viele Bewerber gehen dabei leer aus.
Bürgermeister: „Haben Optionen im Köcher“
Hört sich dramatisch an, sei es aber in der Realität keineswegs, sagt zumindest Bürgermeister Georg Riedmann. „Wir haben momentan viele Optionen im Köcher, so schlecht ist die Lage nicht“, lautet sein Urteil. Sein Beleg sind drei künftige große Wohnbaugebiete, von denen eines bereits gestartet ist und zwei weitere demnächst in die konkrete Planung gehen werden: Klosteröschle unterhalb von Bergheim, Öhmdwiesen am südlichen Stadtrand nahe der B33 und die jüngst vom Gemeinderat auf den Weg gebrachte Fläche innenstadtnah an der Gehrenbergstraße.
15 Hektar neues Bauland in den kommenden Jahren
Das macht in Summe rund 15 Hektar, die in Markdorf neu für den Wohnbau erschlossen werden. Klar ist dabei jetzt schon: Platz für Einfamilienhäuser wird es dabei nicht mehr geben, stattdessen soll Geschosswohnungsbau möglichst viel Wohnraum bereitstellen. Wie viel dabei möglich ist, zeigt ein Blick auf die vor zwei Wochen von der Stadt per Kaufvertrag erworbene Teilfläche unterhalb des Schussenrieder Hofs in der Gehrenbergstraße: Es sind lediglich 0,4 Hektar, die dort in den Besitz der Stadt gelangen werden. Doch auf diesen 0,4 Hektar sollen 17 Reihenhäuser entstehen.

Auch im Neubaugebiet Klosteröschle, neben der Kreisverkehr-Baustelle an der derzeit gesperrten K7742, will sich die Stadt mindestens ein Los als eigene Wohnbaufläche sichern, sagt Riedmann: „Dort könnten wir dann eventuell kostengünstigeren Wohnraum in städtischer Hand herstellen.“ Bis zu dreieinhalb Stockwerke hoch soll im Klosteröschle gebaut werden, insgesamt bis zu 400 Menschen sollen dort Wohnraum bekommen.
Wieso ist es so still um den Eigenbetrieb Wohnbau?
Das ist eine große Hausnummer. Doch es wird den Druck nur lindern, nicht aber beseitigen. Welche Rezepte gäbe es noch? Freie-Wähler-Stadtrat Jens Neumann hatte mit seinen Fraktionskollegen vor Jahren den Anstoß zur Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft gegeben. Gegründet Anfang 2022, befindet sie sich seither jedoch ein wenig im Dornröschenschlaf. Zu wenige Wohnungen im Bestand und fehlendes aktives Agieren am Markt, seien die Probleme, sagt Neumann.
Neumann: Zu spät gegründet
Im Grunde, so der FW-Rat, sei der Zeitpunkt der Gründung „schlecht“ gewesen, weil zu spät. Seither habe sich der Wohnbaumarkt insgesamt sehr verteuert. Dennoch gebe es ein Angebot am Markt, die Stadt könnte also erwerben, wenn sie aktiv werden würde. Angesiedelt ist der Eigenbetrieb Wohnbau in der städtischen Kämmerei. Doch die hat noch viele andere, teils wichtigere Aufgaben. Und für einen eigenständigen Geschäftsführer, der sich nur um den Eigenbetrieb kümmert, ist dieser noch zu klein. Zudem: Eine zusätzliche Stelle und mehr Immobilienkäufe kosten die Stadt Geld, das sie wegen des klammen Haushalts nicht hat, respektive anderswo freimachen müsste.
Andererseits, so betont Neumann, könnte der Eigenbetrieb Darlehen aufnehmen, die im städtischen Haushalt verrechnet werden, dies sei „unproblematisch“. Üblich war das jedenfalls in den vergangenen Jahren auch bei den anderen städtischen Eigenbetrieben. Der Eigenbetrieb werde jedenfalls erst „in fernerer Zukunft einen Effekt erzielen, wenn er einen größeren Bestand hat“.

Stadt könnte auf Gegengeschäfte setzen
Solange aber die städtische Wohnungsbaugesellschaft nicht in Fahrt kommt, müsse die Stadt auf andere Methoden setzen, sagt Neumann: Etwa, indem sie nur dann Baurecht für große Flächen erteile, wenn sie selbst einen Teil bekommt – wie nun an der Gehrenbergstraße geschehen. Oder, indem sie günstigeren Wohnraum mit höherpreisigen Verkäufen oder Grundstückserlösen gegenfinanziert.
Ein Muss, auch in Markdorf: Höher bauen, mehr verdichten
Ein anderes Instrument seien Verdichtung und bauen in die Höhe, sagt Neumann. Ohne dies gehe es nicht mehr und dies müsse Maßgabe für alle künftigen Flächenentwicklungen sein. „Die Städte verändern sich überall, man muss sich damit anfreunden, in die Höhe zu bauen“, betont der Stadtrat. Am aufgestockten Gasthof „Adler“ sehe man es ja: „Wenn etwas höher wird, muss es nicht schlechter aussehen.“ Hier würde er sich „mehr Mut“ in der Verwaltung und bei den Ratsfraktionen wünschen.

Die ausufernden Vorschriften seien ein anderes Thema. „Die sind extrem kompliziert, kostspielig und ein Riesenproblem für Bauträger“, sagt Neumann. Hier seien wiederum Bund und Land gefordert, kräftig zu stutzen. „Und da könnten auch die Kommunen viel selbstbewusster auftreten“, findet er. Er plädiere dafür, Vorgaben zur Höhe von Bebauungen komplett zu streichen und dies alleine den Kommunen zu überlassen. Auch die Vorgabe von zwei Stellplätzen pro Wohneinheit sei bei höherem Geschosswohnungsbau nicht mehr durchzuhalten – und auch nicht mehr zeitgemäß. „Da müssten wir in Markdorf über Bebauungspläne und die Bauleitplanung rangehen und generell mehr Verdichtung ermöglichen.“
Ein Wohnbau-Ausschuss für den Gemeinderat?
Bemühen sich die kommunalen Entscheidungsträger in Markdorf zu wenig um bezahlbaren Wohnraum? Schwierige Frage. Die Themen müssten erst einmal da sein. Aber wenn sie es nicht sind, müssten sie eben auch auf den Tisch gebracht werden. Neumann jedenfalls könnte sich einen Wohnbau-Ausschuss für den Gemeinderat vorstellen. Dann wäre das Thema grundsätzlich präsent.
Riedmann wiederum will den Wink des FW-Rates aufnehmen, dass der Eigenbetrieb Wohnbau aktiver agieren sollte. „Das ist eine Grundsatzfrage und darüber müssten wir tatsächlich einmal im Gemeinderat diskutieren“, sagt er. In der Vergangenheit habe die Stadt, Beispiele „Adler“ und Bischofschloss, eben viele „Problemimmobilien“ gekauft, die Kräfte gebunden hätten.

Auch das neue große Wohnbaugebiet Öhmdwiesen soll jetzt auf den Weg gebracht werden: In der nächsten oder übernächsten Sitzung, also spätestens im Juni, werde der Gemeinderat den städtebaulichen Entwurf zum Beschluss vorgelegt bekommen, kündigt Riedmann an.