„Das Wichtigste ist und bleibt, dass sich um die Tiere gekümmert wird“, sagt sie. Helga Weißkopf verliert nicht den Blick auf das Wesentliche – obwohl bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit im kommenden Jahr bedeutende Änderungen anstehen. Nach acht Jahren der Zusammenarbeit hat sich die Igelretterin aus Ahausen dafür entschieden, in Zukunft nicht mehr mit dem Tierschutzverein Markdorf zusammenzuarbeiten. Ab dem 1. Januar 2025 kümmert sie sich als Private Igelnothilfe Weißkopf um die Stacheltiere.

Warum die Trennung?

Über die Gründe für die Trennung will Weißkopf nicht viele Worte verlieren. Ja, es habe Vorwürfe von Igelfindern beim Verein gegeben, dass sie nicht immer erreichbar sei – dabei habe sie einen Anrufbeantworter und rufe so schnell wie möglich zurück. Hauptsächlich habe es aber Differenzen gegeben, die, so Weißkopf, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien: „Was einmal gesagt wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden. Und wer weiß, vielleicht arbeiten wir irgendwann einmal doch wieder zusammen, das ist nicht ausgeschlossen.“

Ähnlich äußert sich auch Annemarie Hendricks, Vorsitzende des Tierschutzvereins: „Die Trennung kann ich bestätigen, es gab organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten, auch, weil der Tierschutzverein und die Igelhilfe quasi zwei nebeneinander laufende Vereine sind.“ Diese Schwierigkeiten seien auch teils durch die Gesetzgebung für Vereine bedingt, mehr wolle sie aber nicht dazu sagen. „Wir sind weiterhin für die Tiere da, Helga Weißkopf auch – das zählt“, stellt sie klar.

Annemarie Hendricks vom Tierschutzverein bestätigt die Trennung. (Archivbild)
Annemarie Hendricks vom Tierschutzverein bestätigt die Trennung. (Archivbild) | Bild: Christiane Keutner

Helga Weißkopf, die hauptberuflich nicht tätig ist, muss nun ab dem 1. Januar ihre ehrenamtliche Arbeit ohne die Unterstützung des Vereins finanzieren. Über ihre Facebook-Seite ruft sie immer wieder zu Spenden auf. Bisher kamen diese über den Verein an Weißkopf, da dieser Quittungen für die Spendenbeträge ausstellen kann. Wie das in Zukunft geregelt wird, stehe noch nicht fest. Sie werde sich aber weiterhin in gleichem Umfang wie bisher um die Tiere kümmern: „Bei mir wird kein Igel abgewiesen, egal, von wo er kommt.“

Da es keine speziellen Medikamente für Igel gibt, greift Helga Weißkopf auf Medikamente für andere Tiere zurück. Finanziert wurden diese ...
Da es keine speziellen Medikamente für Igel gibt, greift Helga Weißkopf auf Medikamente für andere Tiere zurück. Finanziert wurden diese bislang über Spenden, die über den Tierschutzverein an Weißkopf übermittelt wurden. | Bild: Marvin Nagel

Mehr als ein Igel pro Tag

Viel lieber als über die Finanzierung, spricht sie aber ohnehin über ihre Arbeit, denn die sei wichtiger denn je: „Dieses Jahr wurde der Igel zum ersten Mal auf die rote Liste der gefährdeten Tiere aufgenommen, weil die Bestände so sehr zurückgegangen sind.“ Das liege vor allem daran, dass dem Igel immer mehr die Lebensgrundlage entzogen werde: „Viele Gärten sind mittlerweile hermetisch abgeriegelt oder so gepflegt, dass der Igel dort keinen Unterschlupf mehr findet“, erklärt Weißkopf. Dazu komme noch die ständige Gefahr durch Mähroboter. Nicht selten bekomme sie Igel, die durch die Klingen der automatischen Rasenmäher schlimme Verletzungen erlitten haben.

Mehr als 300 Igel hat Helga Weißkopf dieses Jahr schon behandelt, 15 pflegt sie zurzeit. Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um zu erahnen, wie zeitintensiv das ist. „Das ist ein absoluter Vollzeitjob. Wenn ein Igel eine Verletzung hat, oder jemand anruft, dann wird meine Hilfe meist sofort benötigt.“ Jeden Igel, den Weißkopf bekommt, unterzieht sie einer Rundum-Untersuchung. Mit ihrer Stirnlampe untersucht sie den Igel genau auf äußere Verletzungen und Zecken oder Flöhe. Auch das Equipment, um eine Kotprobe zu untersuchen, hat sie daheim.

Helga Weißkopf ist die Igel-Mama – daran soll sich auch nichts ändern, wenn sie nicht mehr mit dem Tierschutzverein Markdorf ...
Helga Weißkopf ist die Igel-Mama – daran soll sich auch nichts ändern, wenn sie nicht mehr mit dem Tierschutzverein Markdorf zusammenarbeitet. | Bild: Marvin Nagel

Erfahrung nach 20 Jahren Igelpflege

Darauf basierend erfolgt die weitere Behandlung des Tiers – wobei Weißkopf auch nach 20 Jahren Igelpflege nicht davor zurückschreckt, neue Methoden auszuprobieren: „Ich hatte einen Igel, der einfach nichts fressen wollte, egal, was ich ihm zu essen gab. Dann habe ich mir gedacht: ‚Süßem können nicht nur Menschen, sondern auch Tiere kaum widerstehen.‘“ So probierte es Weißkopf damit, dem Igel Tee, versetzt mit unverarbeiteten Honig vom Imker, direkt in den Mund zu spritzen. Dem Igel gefiel es so gut, dass Weißkopf ihn nach und nach dazu brachte, Futter zu essen, das von Honig umhüllt war. Am Ende konnte sie den Honig ganz weglassen, der Igel aß wieder normal und war gesundheitlich stabil.

Eine große Gefahr für Igel sind Mähroboter. Tiere, deren Pfoten von den automatischen Rasenmähern abgetrennt wurden, sind für Helga ...
Eine große Gefahr für Igel sind Mähroboter. Tiere, deren Pfoten von den automatischen Rasenmähern abgetrennt wurden, sind für Helga Weißkopf kein seltener Anblick. | Bild: Marvin Nagel

„Das hat mich schon berührt“

Wenn die Tiere bereit sind, wieder in die Natur zu entlassen werden, hat Helga Weißkopf ein lachendes und weinendes Auge: „Es ist ein tolles Gefühl, zu wissen, dass sie es geschafft haben und wieder so gesund sind, dass sie in ihren natürlichen Lebensraum zurückkönnen. Aber sie wachsen einem schon ans Herz, deswegen ist es auch immer ein trauriger Abschied.“ Wobei nicht jeder Abschied von den Igeln bedeutet, dass diese komplett verschwinden.

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So wurde Weißkopf schon davon berichtet, dass Igel, die auf einem Hof in die Freiheit entlassen wurden, immer wieder zurück an die dortige Futterstelle kamen – mit Nachwuchs. „Das hat mich schon berührt, zu wissen, dass wir das Leben der Igeleltern retten konnten – und dadurch auch die Geburt der Igelbabys ermöglichten“, sagt Helga Weißkopf. In solchen Momenten erkenne sie immer wieder, dass sich die kräftezehrende Arbeit mit den Igeln doch lohne.