Anfang der 1970er Jahre lag am Eisweiher noch Müll. Dann wurde die Deponie geschlossen. Heute wachsen hier Brombeerhecken und ein Stück weiter – hinter dem Gatter grasen Rinder. Heckrinder, wie die rückgezüchtete Auerochsen-Rasse heißt. „Und dieser Name hat nichts mit Hecken und Sträuchern zu tun“, erklärt Franz Beer vom BUND. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz hat in dem Gebiet eine große Rolle gespielt.

Benannt wurden die Tiere nach ihren Züchtern Lutz und Heinz Heck. Franz Beer weist dorthin, wo die Rinder stehen – und gelassen schauen, wer da mit Fernglas und Fotoapparat bewehrt am Gatter steht, direkt vor dem dreieckigen Schild mit dem fliegenden Weißkopfadler darauf und dem Schriftzug „Naturschutzgebiet“. „Da ist noch die Straße zu erkennen“, sagt Beer. Man muss es allerdings wissen, dass sich die Markdorfer eine Abkürzung nach Bermatingen zunutze gemacht haben. Vor allem die, die in den beiden Gallusstraßen wohnten, nahmen die geschotterte Strecke, wenn es schnell gehen sollte.

Heckrinder sind viel harmloser als sie wirken
Schnell geht hier gar nichts mehr. Am allerwenigsten die Heckrinder. Sie trotten in aller Ruhe. Denn die wissen sich hier sicher. „Ihre wirklich sehr eindrucksvollen Hörner verschaffen ihnen Respekt“, erklärt der studierte Biologe Beer. Sodass sich ihnen niemand nähert. Dabei seien die Tiere überaus friedlich. Auch wissen sie sich von keinerlei Feinden bedroht. Auf dem eingezäunten Gebiet dürfen sie wenn nicht paradiesische, so doch mindestens beinahe natürliche Bedingungen vorfinden.

Eine ganz eigene kleine Welt, die hier geschaffen wurde. Gewiss nicht sechs Tagen – weil es viele, viele Jahre gedauert hat, bis beim heute Eisweiher genannten Gelände die Spuren der wirtschaftlichen Nutzung getilgt waren und eine Wiesen- und Auenlandschaft entstanden ist. Aber nicht nur entstanden, sondern entwickelt, angestoßen, angeschoben und mit ebensoviel Engagement wie Mühsal immer weiter vorangetrieben. Wenn auch in manchmal winzigen Schritten.


Vom Kampf mit den Behörden
„Beim Durchsehen der Akten“ so berichtet Beer, „sind mir wieder die Erinnerungen gekommen.“ An die zahlreichen Eingaben, Anträge, Antworten, Erklärungen – kurz an den uferlosen Schriftverkehr mit den Behörden. Eines sei es, eine Idee zu haben. Etwas ganz anderes, sie dann umzusetzen.
Die Idee von Franz Beer und seinen Mitstreitern in der damals, Anfang der 1980er-Jahre, neu gegründeten BUND-Ortsgruppe war, die Ackerflächen beim Eisweiher wieder zu vernässen. Damit dort aufs einstige Moorgebiet wieder die ursprünglichen Tiere leben und Pflanzen gedeihen können.
Vom Fisch- zum Eisweiher
Das Land gehört dem Staat. Es ist ihm zugefallen – aus früherem Klosterbesitz. Die Geistlichen hatten erst einen Damm bauen, dann dahinter zwei Fischweiher anlegen lassen. Da hieß der Weiher noch Nesselwang-Weiher. Zum Eisweiher wurde er, weil hier winters Eis zum Kühlen des Biers in Markdorfer Lagerkellern gebrochen wurde. Womit es Ende des 19. Jahrhunderts aber vorbei war, da der Damm durchbrochen wurde, um die 20-Hektar-Fläche trocken zu legen.

Es folgte die Phase, in der Landwirte auf den so entstandenen Wiesenflächen Streu für ihre Viehställe ernteten. Seitdem die Kühe auf Spaltenböden stehen, fiel diese Nutzung fort.
Der BUND übernahm 1983 die Pflege der Streuwiesen
Streuwiesen wurden mit einem Mal uninteressant für die Landwirte. Nun säten sie Mais und Getreide aus. Die Nutzung als Ackerland entsprach jedoch nicht dem, was in den Pachtverträgen vereinbart war. Weshalb die Naturschutzverwaltung auf eine Wiedervernässung drängte. Und das brachte den Markdorfer BUND ins Spiel. Die junge Ortsgruppe übernahm 1983 die Pflege der wenigen noch erhaltenen Streuwiesen, mit den seltenen Orchideenarten darauf. „Und mit den Landwirten handelten wir deren langsamen Ausstieg aus“, so Beer. Sodass 1989 mit der Renaturierung begonnen werden konnte.

Die Alternative wäre das Wiederanstauen des Bachs und somit ein Badesee im Westen von Markdorf gewesen. Aus Sicht der Naturschützer keine gute Idee – zumal der Bach damals noch ungeklärtes Abwasser mitführte. Da habe der Gedanke an Naturschutz und Naherholung schon näher gelegen.

Zunächst kamen die Lastautos. Sie fuhren Erdreich ab. Denn das lag viel zu hoch, als dass sich eine Feuchtwiese entwickeln konnte. Der Boden wurde im Umland verteilt – oder zur Modellierung der neuen Eisweiher-Landschaft verwendet. Insgesamt hat sich dieser Prozess über einen Zeitraum von 15 Jahren erstreckt.
Es geht auch ohne Planungsbüros
„Was ich damals alles unterschrieben hab!“, wundert sich Franz Beer heute über seinen damaligen Wagemut. Mit Renaturierung, mit Landschaftsumgestaltung hatte er sich davor auch schon in Unterfranken befasst, mithin einige Erfahrungen im Gepäck, als er an den Bodensee kam. Trotzdem war das Projekt Eisweiher doch ein Sprung ins kalte Wasser. „Heute würde man Landschaftsplanungsbüros mit solchen Dingen beauftragen.“
Es galt, Fragen des Wasserrechtes zu klären und die Anwohner der Gallusstraßen für die Vernässung ins Boot zu holen. Die befürchteten eine Schnakenplage. Es galt aber auch die Kritiker im Markdorfer Gemeinderat zu beruhigen. Später, als das Projekt etwas fortgeschritten war, kamen die Kommunalpolitiker aus anderen Gemeinden nach Markdorf, um sich vom BUND schildern zu lassen, welche Wege der Landschafts- und Naturschutz gehen kann.
Abschied vom Ordnungswahn
Seinerzeit Anfang der 1980er-Jahre leiteten in Sachen Landschaft noch weitgehend Ordnung und Sauberkeit das Denken – neben der Wirtschaftlichkeit. Bäche und Gräben, freigeräumt von Bepflanzung. Von Schilf und Gräsern, die nicht ins Schema der aufgeräumt zweckdienlichen Landschaft passten. Kräuter waren Unkraut, Insekten Ungeziefer. Und die Uferböschungen von Bachläufen wurden regelmäßig kahlrasiert.
Gleiches galt für Wiesengräben. Überhaupt habe die stetige Mahd von Wiesen fatale Folgen für Fauna und Flora, erklärt Beer. Das Tabula-rasa-Machen im Jahresrhythmus führe dazu, dass bestimmte Pflanzen sich nicht wieder erholen. Mit der Folge, dass auch bestimmte Insekten eingehen, nicht mehr wiederkommen.
Biber und Dommeln sind wieder da
Heute, vier Jahrzehnte später, habe sich viel verändert, was das Bewusstsein anbelangt. Eine immer breiter gewordene Öffentlichkeit interessiert sich für ökologische Zusammenhänge. Die Mitglieder des BUND in Markdorf beobachten, dass sich immer mehr Besucher an den Beobachtungspunkten beim Naturschutzgebiet Eisweiher einfinden. Aber nicht nur dort: auch im Hepbacher-Leimbacher Ried, dem anderen von der Ortsgruppe betreuten Renaturierungsareal, wächst die Zahl der Interessierten.
Für sie hat Franz Beer gute Nachrichten: Seltene Tierarten sind zurückgekehrt, Röhrichtsänger und Biber etwa, und am Eisweiher nun auch die Zwergdommel. Letztere gehöre inzwischen zu den „großen Raritäten“, sagt Beer. Auf nur noch 250 Paare schätzen Vogelkundler den Bestand bundesweit.