Seit fast zwei Monaten ist der reguläre Betrieb von Schulen und Kindergärten auf Eis gelegt. Zwar zeichnet sich eine schrittweise Öffnung der Einrichtungen ab – ab Montag, 18. Mai kehren die Viertklässler in die Grundschule zurück und auch die Notbetreuung wurde ausgeweitet – doch viele Eltern wünschen sich einen konkreten Fahrplan, wie es in den kommenden Monaten weitergehen soll.

Dieser Wunsch könnte nun in Erfüllung gehen, denn die Landesregierung hat ein Konzept zu einem reduzierten Regelbetrieb in den Kindergärten vorgelegt.

Elternvertreterin fordert einen konkreten Fahrplan

Kristina Dietrich, Gesamtelternbeiratsvorsitzende der Markdorfer Kindergärten, und Mutter des sechsjährigen Leon und der vierjährigen Maya, sagt zur aktuellen Lage: „Ich verstehe, dass man sehr behutsam vorgehen muss und nur in kleinen Schritten Lockerungen stattfinden dürfen. Nur was die Kindergärten angeht, haben wir in den vergangenen Wochen bis auf den Ausbau der Notbetreuung nicht viel gehört. Wir brauchen diesen konkreten Fahrplan. Es ist wichtig, eine grobe Abschätzung zu haben, wie es weitergehen wird.“

Kristina Dietrich steht mit relativ vielen Kindergartenfamilien in Kontakt und weiß, dass die Situation für manche Familien sehr schwer ist. „Vor allem für Familien, bei denen beide Elternteile Vollzeit arbeiten, wenn auch im Home Office, ist es sehr schwierig. Die Kinder sind quasi den ganzen Tag sich selbst überlassen. Natürlich werden die Grundbedürfnisse erfüllt, aber einen abwechslungsreichen Alltag, in dem die Kinder sich auspowern oder auch sinnvolle Aktivitäten erleben, ist fast nicht möglich“, berichtet Dietrich.

Kristina, Leon, Maya und Arno Dietrich verbringen die gemeinsame Zeit in der Natur.
Kristina, Leon, Maya und Arno Dietrich verbringen die gemeinsame Zeit in der Natur. | Bild: Dietrich, Kristina

Erst Schulaufgaben, dann Bewegung

Wenn die Eltern dann noch Schulkinder haben, gehe die arbeitsfreie Zeit für das Home-Learning der älteren Geschwister drauf. Dann bleibe für das Kindergartenkind wenig Zeit. Diese Erfahrung hat Saskia Friedrich-Rother, Mutter des neunjährigen Oskar und fünfjährigen Theo, in den vergangenen Wochen gemacht.

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„Das Schwierige an unserer Situation ist, dass der Große Schulaufgaben machen muss, was schwierig zu managen ist, da mein Mann und ich beide berufstätig sind und bei den Aufgaben am Vormittag oft wenig unterstützen können. Die Schulaufgaben stehen auf jeden Fall an erster Stelle, der Kleine malt in dieser Zeit, aber eigentlich fällt die Beschäftigung mit ihm immer auch ein Stück weit hinten runter, was bei mir permanent für ein schlechtes Gewissen sorgt“, räumt die Zweifach-Mutter ein.

Sterne aus Gummis basteln – das macht Spaß.
Sterne aus Gummis basteln – das macht Spaß. | Bild: Friedrich-Rother, Saskia

Nach den Schulaufgaben versuche sie dann für Bewegung oder eine Unternehmung an der frischen Luft, beispielsweise im Garten oder in der Natur, zu sorgen. Dann geht es oft zum nahe gelegenen Bauernhof oder mit dem Fahrrad an den See.

Ausweitung der Notbetreuung

Schwierig sei es laut Kristina Dietrich auch für Einzelkinder. Diese haben zum Teil seit Wochen keine anderen Kinder gesehen. Hier habe sie schon Rückmeldung erhalten, dass die Kinder antriebs- und lustlos werden.

„Für diese Familien wurde zum Glück die Notbetreuung ausgeweitet. Langfristig wäre das für viele sonst kaum zu schaffen gewesen. Den meisten Eltern hat die Unsicherheit zu schaffen gemacht. Keiner wusste so recht, wie es weitergehen soll. Lange Zeit hieß es die Maßnahmen gehen bis nach Ostern. Darauf haben sich viele emotional eingestellt und das hat dann auch irgendwie funktioniert“, schildert Kristina Dietrich die Situation.

Daher sei es jetzt umso wichtiger, dass ein Konzept erarbeitet wird, dass die Familien entlastet und die Kinder zumindest für einige Stunden in der Woche wieder in den Kindergarten gehen können.

Mütter sind voller Lob für den Nachwuchs

Voller Lob sind beide Mütter für ihre Kinder. „Die Kinder haben sich gut auf die Situation eingestellt, Oskar fragt eher mal nach seinen Freunden als Theo. Die Bindung unter den Geschwistern ist viel enger geworden. Meine beiden können stundenlang zusammen in ihrem Zimmer Lego spielen. Sie sind sehr aufeinander eingespielt und halten zusammen“, sagt Saskia Friedrich-Rother.

Die Geschwister halten zusammen: Oskar verrät Theo ein Geheimnis.
Die Geschwister halten zusammen: Oskar verrät Theo ein Geheimnis. | Bild: Friedrich-Rother, Saskia

Auch bei Familie Dietrich sind die Geschwister noch enger zusammen gewachsen. „Leon und Maya verstehen sich sehr gut und spielen fast ununterbrochen zusammen. Sie machen es uns verhältnismäßig leicht, Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen, auch wenn die Gesamtsituation anstrengend ist“, so Kristina Dietrich.

Kinder brauchen Kontakte

Sie versteht, dass nicht alle Kinder wieder von heute auf morgen in den Kindergarten gehen können. „Aber viele Kinder brauchen jetzt die Struktur und den Kontakt zu gleichaltrigen. Für manche Familien ist die Not natürlich größer als für andere. Es ist richtig, dies zu berücksichtigen und diesen Familien zuerst den Zugang zum Kindergarten zu ermöglichen.“

Wöchentliche Ideenbörse vom Kindergarten

Vom Kindergarten werden die Familien wöchentlich mit einer Ideenbörse mit Geschichten, Lieder, Rätsel und Basteltipps versorgt. Ein Brief an die Kinder ist auch immer dabei, die Börse ist laut Saskia Friedrich-Rother „wirklich originell und liebevoll zusammengestellt“. So sollten die Kinder mal einen Stein bemalen und ihn in den Kindergarten bringen, dort den „Alles wird gut“-Regenbogen finden und den Stein darunter legen.

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„Das war das erste Mal, dass wir wieder am Kindergarten waren und mein Sohn konnte nicht verstehen, warum er nicht hinein gehen kann und die anderen Kinder nicht da sind. Wir haben kurz noch mit seiner Erzieherin am Gartenzaun gesprochen, das war wirklich nett und hat große Sehnsucht nach Alltag und sozialen Kontakten geweckt“, so Saskia Friedrich-Rother.

Übergang in die Grundschule

Der sechsjährige Leon kommt im September in die Grundschule. „Ich fände es sehr schade, wenn er seine Kindergarten-Freunde nicht mehr sehen und sich nicht von ihnen verabschieden könnte“, so Mutter Kristina Dietrich. Außerdem habe sie auch Sorgen, dass ihm der Übertritt in die Schule durch die lange Isolation schwerer fallen wird.

„Oder dass die Grundschule im schlimmsten Fall gar nicht normal startet und mein Mann und ich ihm schreiben, lesen und rechnen beibringen müssten. Gerade in den ersten Klassen halte ich eine pädagogische Ausbildung für extrem wichtig, um die Grundlagen richtig zu vermitteln. Ich möchte seine schulische Laufbahn nicht durch einen holprigen Anfang erschweren“, so die Befürchtungen von Kristina Dietrich.

Was haben wir denn hier entdeckt? Arno Dietrich mit Leon und Maya.
Was haben wir denn hier entdeckt? Arno Dietrich mit Leon und Maya. | Bild: Dietrich, Kristina

Strukturierter Tagesablauf mit festen Zeiten

Im Alltag versuchen die Mütter einen gut strukturierten Tagesablauf mit festen Zeiten zu schaffen. „Es tut den Kinder gut, in der Natur unterwegs zu sein und Bewegung zu haben“, so Saskia Friedrich-Rother. Bei Kristina Dietrich, die seit Beginn der Krise im Home-Office arbeitet, sei das tägliche Kochen eine große Umstellung gewesen, denn normalerweise essen die Kinder im Pestalozzi-Kindergarten.

„Die Kinder sind bisher glücklich und ausgeglichen“, so Dietrich. Die Familie spricht viel über die Situation und möchte für die Zukunft optimistisch bleiben.