Vergewaltigung, schwere Körperverletzung oder sexueller Kindesmissbrauch: Wenn sich im Gerichtssaal das Schöffengericht versammelt, handelt es sich bei den zu verhandelnden Sachverhalten zumeist um schwere Vorwürfe. Denn es kommt nur dann zusammen, wenn die im Gesetz vorgeschriebene Mindeststrafe für ein Delikt mehr als ein Jahr beträgt.
Ein Diebstahl von 40 Euro fällt im Normalfall nicht in diese Zuständigkeit – dennoch fand sich ein 24-jähriger Mann aus dem westlichen Kreisgebiet nach diesem Fehlverhalten vor dem Schöffengericht Bad Säckingen wieder und wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Grund dafür ist eine besondere Norm des Strafgesetzbuches, die Verteidiger Patrick Steiger als „schwer zu verstehen und nicht sachgerecht“ bezeichnete.
Zu finden ist diese Norm in Paragraf 244, der Folgendes regelt: Wer einen Diebstahl begeht, wird härter bestraft, wenn er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht. Besonders hart wird er bestraft, wenn es sich bei dieser Wohnung um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung handelt – dann beträgt die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr. Eine Verringerung aufgrund eines minder schweren Falles ist vom Gesetzgeber beim „schweren Wohnungseinbruchsdiebstahl“ ausgeschlossen.
Angeklagter bricht in Wohnung seiner Schwester ein
Der 24-jährige Angeklagte hatte im Oktober 2024 mit einem Werkzeug das Fenster zur Wohnung seiner Schwester aufgebrochen und 40 Euro aus ihrem Schlafzimmer entwendet. Sein Fehlverhalten räumte der junge Familienvater vollumfänglich ein. Über seinen Verteidiger ließ der Angeklagte erklären, dass er sich zum Tatzeitpunkt in einer finanziell prekären Situation befunden hatte. Bei seiner Schwester entschuldigte er sich und sicherte ihr zu, das Geld bei nächster Gelegenheit zurückzuzahlen.
Überführt wurde der Beschuldigte durch einen Handflächenabdruck, der gesichert und ihm zugeordnet wurde, was zur Anklage vor dem Amtsgericht führte. Dass er dort zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt werden würde, stand von Anfang an nicht wirklich zur Debatte. So sieht es das Strafgesetzbuch vor und lässt keinerlei Spielraum für Ausnahmen – ein Umstand, den Rechtsanwalt Steiger scharf kritisierte.
„Das ist eine drakonische Strafe“
Der Verteidiger berief sich unter anderem auf den ehemaligen Bundesrichter Thomas Fischer, dessen Kommentierung des Strafgesetzbuches unter Juristen als Standardwerk gilt und kam zur Auffassung, dass die entsprechende Rechtsnorm nicht sachgerecht sei. Dennoch blieb ihm nichts anderes übrig, als sich dem Plädoyer von Staatsanwalt Krüger anzuschließen und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zu fordern. „Das ist eine drakonische Strafe. Das muss man klar sehen“, ergänzte der Rechtsanwalt.
Das Schöffengericht um die Vorsitzende Richterin Stefanie Hauser entsprach der Forderung von Staatsanwalt und Verteidiger und setzte die Freiheitsstrafe zur Bewährung aus. Trotz der bis dahin schweren Lebensgeschichte des Angeklagten war sich Hauser sicher, dass es ihm gelingen wird, zukünftig ein geregeltes Leben zu führen und keine weiteren Straftaten zu begehen.