Dass zwei Menschen wegen des Konsums von illegalen Drogen mit Suchtproblemen kämpfen und sich in krumme Geschäfte verwickeln, ist menschlich dramatisch, aber leider nicht allzu ungewöhnlich. Mit einer solchen Geschichte beschäftigte sich jüngst auch das Schöffengericht Bad Säckingen. Doch was nach juristischem Alltag klingt, war alles andere als das – denn bei den beiden betroffenen Personen handelt es sich um zwei 13-jährige Jungen.
Im Verhandlungssaal zeigte sich die Dramatik der Geschichte. Verurteilt wurde schließlich der Lebensgefährte der Mutter eines der Jugendlichen: Sechs Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung wegen räuberischer Erpressung. Er hatte laut Richterin Hauser als „Geldeintreiber“ fungiert und den anderen Jungen unter Anwendung von körperlicher Gewalt zur Aushändigung von Geldschulden gezwungen.
13-Jähriger nutzt fremdes Smartphone, um mit seinem Dealer zu kommunizieren
Der 13-jährige Sohn seiner damaligen Partnerin hatte sich im Verlauf des vergangenen Jahres in Drogengeschäfte verwickelt. Gemeinsam mit seinem Freund hatte der Junge für den Kauf von Cannabis und Amphetaminen Schulden gemacht und sah sich in der Folge erheblichen Drohungen ausgesetzt.
Dass der Lebensgefährte seiner Mutter von den Verstrickungen erfuhr, hat einen mehr als kuriosen Grund: Da der Junge noch kein eigenes Smartphone besaß, musste er für die Kommunikation mit seinem Dealer auf das mobile Endgerät des 34-Jährigen zurückgreifen. Auf diesem hinterließ er entsprechende Chatverläufe.
Als sich die Drohungen häuften und es der 13-Jährige immer mehr mit der Angst zu tun bekam, erklärte sich der Angeklagte bereit, ihm 40 Euro auszulegen – obwohl dieser Betrag eigentlich von dessen Freund zu bezahlen gewesen wäre.
Als es im September 2024 zu einem Treffen aller Beteiligten in einem Parkhaus im westlichen Kreisgebiet kam, forderte der Mann das Geld vom Freund des Sohnes seiner Partnerin zurück. Mit mehreren Schlägen mit der flachen Hand in dessen Gesicht sorgte er dafür, dass der Junge seiner Forderung nachkam und ihm die Summe aushändigte.
14-Jähriger hat Entzugstherapie hinter sich
Vor dem Amtsgericht erzählte der Geschädigte die Geschichte aus seiner Perspektive und bestätigte die Tatvorwürfe, die der Angeklagte zuvor bereits umfassend eingeräumt hatte. Allerdings musste er einräumen, sich an keine Details mehr zu erinnern. „Ich stand zu diesem Zeitpunkt unter dem Einfluss von Substanzen“, formulierte es der heute 14-Jährige, der in diesem Alter bereits einen stationären Aufenthalt in einer Entzugsklinik hinter sich hat. Bei dem durch den Vorfall ausgelösten Polizeieinsatz wurde bei ihm Lorazepam, eine harte Droge, gefunden – kein Fall für das Amtsgericht, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht strafmündig war.
Dass es sich beim Vorfall im Parkhaus nicht um eine klassische räuberische Erpressung handelte, wurde im Verlauf der Verhandlung deutlich. Der Tatbestand, der laut Strafgesetzbuch eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorsieht, kommt normalerweise bei Banküberfällen zum Einsatz – äußerst selten dürfte es dabei vorkommen, dass dem Geschädigten vom Täter Rückgeld aushändigt wird, wie in diesem Fall geschehen.
Prozessbeteiligte tauchen bei Strafprozess ins Zivilrecht ein
Vor dem Amtsgericht kam es zwischen Verteidiger und Staatsanwalt zu heftigen Diskussionen, ob diese juristische Würdigung der Tat überhaupt sachgerecht ist. Anders als gewöhnlich widmeten sich die Ausführungen der Juristen allerdings nicht dem Strafrecht, sondern dem Zivilrecht.
„Wir mussten tief in die einzelnen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches eintauchen“, erklärte Richterin Stefanie Hauser später bei ihrer Urteilsverkündung. Denn der Tatbestand der räuberischen Erpressung verlangt, dass sich der Beschuldigte einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen wollte und keinen zivilrechtlichen Anspruch auf das Geld hatte.
„Ein zivilrechtlicher Anspruch kann bei Drogengeschäften gar nicht existieren“, argumentierte Staatsanwalt Krüger und befand daher, dass der Straftatbestand objektiv erfüllt ist. „Es ist kein leichter Fall, aber aus juristischer Sicht ist die Sache klar“, so Krüger.
Wurde dem Angeklagten seine Ehrlichkeit zum Verhängnis?
Dem hielt Verteidiger Steiger entgegen, dass der Straftatbestand nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv erfüllt sein muss. „Man kann von einem Nichtjuristen nicht erwarten, dass er die materielle Rechtslage in einer solchen Situation einschätzen kann. Subjektiv war es sein Geld, dass er zurückbekommen wollte“, so der Rechtsanwalt, der den Vorfall als Nötigung und Körperverletzung ansah und entsprechend für eine geringe Geldstrafe von 30 Tagessätzen plädierte. Staatsanwalt Krüger forderte eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von neun Monaten, da er zumindest von einem minder schweren Fall ausging.
Letztlich waren es die geschickt vorgetragenen Argumente der Staatsanwaltschaft, die das Schöffengericht überzeugten und dazu veranlassten, den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten zu verurteilen. Ein Grund dafür war laut Richterin Hauser auch das Einlassungsverhalten des 34-Jährigen: Im Zuge seines Geständnisses hatte er zu Anfang der Hauptverhandlung ohne Absprache mit seinem Anwalt erklärt, dass er in der Situation sofort wusste, dass er falsch gehandelt hat. „Sie waren heute sehr ehrlich. Aus Sicht Ihres Verteidigers vielleicht sogar etwas zu ehrlich“, so die Richterin.