Das dürfte die größte private Hilfsaktion sein, die Markdorf bislang gesehen hat: Druckerei-Inhaber Rainer Zanker und seine Partnerin Mariya Babina, die aus der Nähe des ukrainischen Donezk stammt, organisieren Hilfe für Ukrainer, die vor dem Krieg geflohen sind, aber auch für die vom Krieg betroffene Bevölkerung dort.

In Markdorf haben sich bereits zahlreiche Unterstützer gefunden: Die Familie Gruben vom gleichnamigen Bootsbaubetrieb stellt eine Halle zur Verfügung, ebenso der Unternehmer Albert Weber. Auch die Familie Schafheutle engagiert sich mit ihrer Immobilienfirma Kapitalpartner und stellt leerstehende Wohnungen zur Verfügung. „Pi mal Daumen 30 Unterkünfte haben wir schon organisiert, in denen Geflüchtete hier vor Ort unterkommen können“, berichtet Zanker.

Das könnte Sie auch interessieren

Bei Zankers stehen die Telefone nicht mehr still

Und das ist auch dringend nötig: Begonnen hatte alles mit dem Kriegsausbruch am Donnerstag vergangener Woche. Seither steht Mariya Babinas Smartphone nicht mehr still – und inzwischen geht es Rainer Zanker ebenso. Ihre Wohnung im ersten Stock des Druckhauses ist Organisationshauptquartier und zugleich auch erste Bleibe für geflohene Landsleute von Babina. In der Nacht auf Mittwoch ist das Ehepaar Oleg und Natalia aus der Ostukraine angekommen, inzwischen sind die beiden in einer Wohnung in der Bernhardstraße untergekommen.

Das könnte Sie auch interessieren

Der freigewordene Platz wurde sofort wieder benötigt: Natasha und ihre elfjährige Tochter Nastya mit Kater Ozzy und Golden Retriever Cooper sind aus dem umkämpften Kiew geflohen. Software-Ingenieurin Natasha ist eine frühere Arbeitskollegin von Zankers Partnerin Mariya Babina, die seit acht Jahren in Deutschland ist. Und so glühen in vielen weiteren Fällen aktuell die Drähte zwischen Donezk, Kiew und Markdorf: Bekannte, Freunde, Verwandte von Mariya Babina rufen an. Sie geben ihr durch, was genau wo vor Ort am dringendsten benötigt wird. Viele wollen aber auch selbst helfen, vor Ort in ihrer Heimat, berichtet Babina, und bitten daher um Hilfsgüter für ihre Mitbürger.

Die Hilfsaktion

Nach einer Odyssee mit Bus und Zug nachts in Markdorf angekommen

Natasha, ihre Tochter und deren beide Haustiere haben Zanker und Babina persönlich abgeholt, mit dem Auto in München, wo die vier nach einer Odyssee mit Bussen und Zug von Kiew zur Grenze und über Budapest Mittwochnacht schließlich angekommen waren. Natasha ist überglücklich, dass sie und ihre Tochter nun in Sicherheit sind. „Wir haben in der Nacht die Explosionen und die Sirenen gehört und die Panzer, die durch die Hauptstraßen gefahren sind“, erzählt sie. Mit anderen zusammen hätten sie dann einen Bunker aufgesucht. „Doch da waren schon sehr viele Mütter mit ihren Kindern und alle wollten weg von dort“, sagt die 38-Jährige.

Russische Militäreinheiten setzen in der Ukraine inzwischen auch Wohnviertel in den Städten unter Beschuss, wie hier in Charkiw. ...
Russische Militäreinheiten setzen in der Ukraine inzwischen auch Wohnviertel in den Städten unter Beschuss, wie hier in Charkiw. Hunderttausende sind mittlerweile bereits geflohen oder noch auf der Flucht. | Bild: SERGEY BOBOK/AFP

Was aus ihrer Wohnung werden wird, weiß sie nicht. Sie weiß nur, dass die Einschläge vor ihrer Flucht immer näher kamen. Ob es ihre Wohnung, das Haus noch geben wird, wenn sie eines Tages – wann auch immer das sein wird – wieder zurückkehren wird? Sie weiß es nicht. Momentan aber bangt sie noch mehr um ihre Bekannten und Verwandten, die zurückgeblieben sind.

Kontakte zu Kliniken sind schon hergestellt

Zanker macht sich keine Illusionen: „Der große Schwung an Flüchtlingen wird erst noch kommen“, ahnt er. Sein Problem und das aller Helfer: „Es ist nichts planbar, aber wir sind vorbereitet auf jeden, der kommt.“ Derweil ist Mariya Babina ohne Unterlass am Organisieren. Kontakte zu Kliniken in Kiew sind hergestellt, die Markdorfer Rotarier um Roland Neubert wollen sich um medizinische Güter kümmern.

Babina sorgt sich um ihre Landsleute, im Donbass, um Kiew und überall, wo gekämpft wird. „So viele Menschen leiden und bitten um einen humanitären Korridor für die Hilfe“, berichtet sie. Zumindest auf diese Bitte ist Russland offenbar inzwischen eingegangen: Am Donnerstagabend hieß es, Russland und die Ukraine hätten sich auf die Einrichtung eines solchen Korridors für Hilfslieferungen geeinigt. Nicht jeder wolle fliehen, sagt Babina. „Ich habe auch viele Freundinnen, die die Stadt nicht verlassen wollen, weil sie ihre Familien und ihre Männer nicht im Stich lassen wollen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Welle der Hilfsbereitschaft in Markdorf

Unterdessen rollt in Markdorf die Welle der Hilfsbereitschaft mit Wucht an. Die Bürgermeister von Meersburg und Immenstaad hätten telefonisch bereits ihre Unterstützung zugesagt, sagt Zanker. Am Donnerstagabend waren er und seine Partnerin noch bei Bürgermeister Georg Riedmann. Er habe sie informiert, an welche Behörden sie sich mit den Geflüchteten wenden müssten. Außerdem habe er eine zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge im Rathaus in Aussicht gestellt, eventuell über die städtische Sozialarbeiterin in der Flüchtlingshilfe, Rosane Dias-Brücker. Babina wiederum würde sich als Dolmetscherin einbringen können.

An dieser Halle neben dem Parkplatz vor dem Weber-Verwaltungsgebäude in der Otto-Lilienthal-Straße ist am Samstag, 5. März, ab 9 Uhr der ...
An dieser Halle neben dem Parkplatz vor dem Weber-Verwaltungsgebäude in der Otto-Lilienthal-Straße ist am Samstag, 5. März, ab 9 Uhr der Treffpunkt für die Helfer. Wer mit Hand anlegen möchte, kann sich dort einfinden. Ab 9.30 Uhr werden dort auch Sachspenden für die Ukraine entgegengenommen. | Bild: Grupp, Helmar

Samstag treffen sich die Helfer an der Weber-Halle

Hilfe gibt es auch aus der Geschäftswelt: Die Firma Holzbau Knisel im Deggenhausertal hat 80 Einwegpaletten gespendet, auf der die Hilfsgüter verzurrt werden können. Silke Sulger von Edeka Sulger liefert Obstkisten. Und die Bäckermeister und Brüder André und Fabian Kloos bieten in ihren Markdorfer Filialen für die geflüchteten Ukrainer kostenlos Brot und Frühstück an. Ein Transport der Hilfsgüter über die Grenze und die Verteilung vor Ort in der Ukraine seien bereits organisiert, sagt Zanker. Am Samstag ab 9 Uhr werden an der Halle gegenüber dem Weber-Verwaltungsgebäude die Helfer eingeteilt und ab 9.30 Uhr die Hilfsgüter sortiert und in der Halle verräumt. Jeder sei willkommen, mitzuhelfen, sagt Zanker.

Von der Spende bis zur Unterkunft: Anlaufstellen für Ukrainehilfen im Bodenseekreis sammeln wir hier.