Am 6. April vor 18 Jahren fand in Markdorf der Bürgerentscheid zur Südumfahrung statt. Diesem Bürgerentschied gingen viele Sitzungen im Gemeinderat und öffentliche Veranstaltungen mit langen Diskussionen voraus, in denen Gegner und Befürworter der Umgehungsstraße ihre Argument austauschten.
Am Sonntag, 6. April 2003, war es dann soweit: 5652 von 9330 wahlberechtigten Markdorfer gingen zur Wahl, davon stimmten 54,5 Prozent (3081 Stimmen) mit „Ja“ und 45,2 Prozent (2557 Stimmen) mit „Nein“. Die vier Stadträte Dietmar Bitzenhofer (Freie Wähler), Christiane Oßwald (Umweltgruppe), Uwe Achilles (SPD) und Alfons Viellieber CDU) erinnern sich an diese Zeit zurück.
Freie Wähler: Dietmar Bitzenhofer sah deutliche Mehrheit für Südumfahrung
„Die Diskussion war damals genauso konträr wie sie heute ist, aber breiter gestreut und auch stärker in der Öffentlichkeit“, sagt Dietmar Bitzenhofer über die Debatte um die Südumfahrung zur Zeit des Bürgerentscheids im April 2003. Der Fraktionschef der Freien Wähler war damals noch relativ neu im Gemeinderat, seit 1999. Die Südumfahrung war für ihn seinerzeit der erste wirklich große Zankapfel im Markdorfer Kommunalparlament. „Damals hatte tatsächlich die ganze Stadt darüber gesprochen“, erinnert sich Bitzenhofer an die Wochen vor dem Bürgerentscheid. Auch damals habe es die beiden Lager gegeben, die sich auch heute noch gegenüberstehen, die UWG und die SPD auf der einen Seite, CDU und Freie Wähler auf der anderen.

In der Bürgerschaft habe er vor 18 Jahren eine deutliche Mehrheit für die Südumfahrung wahrgenommen. Der damalige Bürgermeister Bernd Gerber habe seinerzeit sehr intensiv für die Umfahrung geworben. Hobby-Archivar Bitzenhofer hat heute noch zahlreiche Dokumente und Unterlagen aus jener Zeit in seinen Regalen. Die holt er sich jetzt wieder her. Ohne die Stapel konsultieren zu müssen, weiß er aber: „Die Gegner hatten schon damals auf die Kosten verwiesen, die waren auch bei der damaligen Summe von 2,5 Millionen für die Stadt schon dagegen“, sagt der 67-Jährige. Über den Bürgerentscheid seien sich damals alle Fraktionen einig gewesen: „Das sollte im Gemeinderat so entschieden werden.“
Was er hingegen nicht glaube, sei die öffentliche Darstellung, der Vertrag zwischen Gerber und Landrat Lothar Wölfle von 2013 sei erst vier Jahre später in irgendwelchen Stapeln im Stadtbauamt aufgetaucht. „Ich bin auch überzeugt davon, dass der Landrat direkt nach Riedmanns Amtsantritt im Sommer 2013 ihn über die Existenz des Vertrages in Kenntnis gesetzt hat“, sagt Bitzenhofer. Eine solch wichtige Vereinbarung zwischen Stadt und Landkreis bleibe nicht einfach vier Jahre lang verschollen und unerwähnt.
Rückblick auf die Ereignisse im Februar und April 2003
Umweltgruppe: Christiane Oßwald spricht von einer „aufgeheizten Stimmung“
Auch die UWG-Stadträtin Christiane Oßwald saß damals erst seit vier Jahren im Gemeinderat und war somit noch relativ neu in der Kommunalpolitik aktiv. Spontan erinnert sie sich an eine „aufgeheizte Stimmung“ mit verhärteten Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern. Als Gegnerin der Südumfahrung sei sie damals auch persönlich hart angegangen worden. „Das habe ich schlimm in Erinnerung“, sagt die heute 66-Jährige. In den Monaten vor dem Bürgerentscheid habe die Umweltgruppe viel Zeit und Arbeit investiert, in Veranstaltungen und im Umweltkurier über Folgen der Südumfahrung aufgeklärt, Argumente ausgetauscht und an Infoständen mit den Bürgern intensive Gespräche geführt. Die Menschen seien an dem Thema sehr interessiert gewesen.

Christiane Oßwald erinnert sich noch gut an die Veranstaltung der Stadt in einer vollen Stadthalle, an eine Elterninitiative am Bildungszentrum und eine Protestaktion der Landwirte. Einen Bürgerentscheid auszuführen, das sei die richtige Entscheidung gewesen, so Oßwald, die froh war, dass das Quorum damals erreicht wurde. Das Ergebnis, das sie im Gasthof Adler erfuhr, sei zwar klar gewesen, aber nicht so deutlich ausgefallen, wie manche erwartet hatten. „Hätten wir damals noch zwei Wochen mehr Zeit gehabt, wäre es vielleicht anders ausgegangen“, sagt Christiane Oßwald. Zwar sei man zunächst vom Ausgang des Bürgerentscheides enttäuscht gewesen, aber auch nicht so unglücklich, wie die Stadträtin einräumt.
„Wir waren doch überrascht, wie viele Bürger sich unseren Argumenten anschließen konnten.“ Und dies sei als Auftrag verstanden worden, in diese Richtung weiterzumachen. „Wir sind froh, um jedes Jahr, in dem diese Straße nicht gebaut wird.“ Die Stimmung im Gemeinderat habe sie vor 18 Jahren als weniger freundlich empfunden, da sei man noch anders miteinander umgegangen. „Es wurde viel gegiftet“, sagt Oßwald. Heute sei der Umgang ein anderer.
CDU: Alfons Viellieber geht die „ganze Sache schon viel zu lange“
Heute stünden sich Befürworter und Gegner der Südumfahrung eher noch unversöhnlicher gegenüber als vor 18 Jahren, erinnert sich CDU-Stadtrat Alfons Viellieber: „Die Fronten sind heute härter als damals. Ich habe das Gefühl, dass die Stimmung damals noch ein wenig gelassener war.“ Den Bürgerentscheid in den Gemeinderat einzubringen, sei „ein kluger Schachzug“ von Bürgermeister Bernd Gerber gewesen, findet Viellieber. „Er hatte gesagt, eine Entscheidung von solcher Tragweite für die Stadt müssen wir mit einem Bürgerentscheid klären lassen.“ Schon in den Wochen zuvor habe sich gezeigt, dass die Stimmung in der Bürgerschaft eindeutig pro Südumfahrung gewesen sei. „Aber natürlich konnten sich die Gegner der Südumfahrung im Gemeinderat nicht gegen den Bürgerentscheid aussprechen“, erinnert sich Viellieber.
Insofern sei es seinerzeit für alle Fraktionen der Konsens gewesen, für einen Bürgerentscheid zu votieren – deswegen der einstimmige Beschluss damals. An den Grundvoraussetzungen habe sich in all den 18 Jahren nichts verändert, sagt der 70-jährige Viellieber. Schon 2003 sei klar gewesen, dass der Neubau vor Kluftern enden würde und dass die Umfahrung erst der erste Schritt für die neue Verkehrsplanung, den sogenannten Planfall 7.5, sein würde. In Sachen Südumfahrung sei die Stadt vor 18 Jahren schon gespalten gewesen und daran habe sich bis heute nichts geändert. „Mir geht die ganze Sache inzwischen schon viel zu lange, das sage ich ganz klar“, findet Alfons Viellieber klare Worte.

SPD: Uwe Achilles hat alle Unterlagen zur Südumfahrung aufbewahrt
Uwe Achilles bildete 2003 mit Arnim Zumstein das SPD-Team im Gemeinderat, in den der heute 59-jährige SPD-Stadtrat 1999 erstmals gewählt worden war. Im September 2000 sei er zum ersten Mal mit dem Thema einer Ortsumfahrung im Gemeinderat konfrontiert worden, damals ging es um die Machbarkeitsstudie. Er erinnert sich ebenfalls an harte Schlagabtausche und einen rauen Ton im Gemeinderat. „Als sogenannter Frischling habe ich manchmal abends nach einer Sitzung gedacht, das hätte ich jetzt nicht gebraucht.“
Die Unterlagen zur Südumfahrung hat Uwe Achilles in einem Ordner gesammelt, darunter unter anderem ein Prospekt der Befürworter, der Umweltkurier der Umweltgruppe und die Informationsbroschüre der Stadt zum Bürgerentscheid. „Die Stimmung im Gemeinderat war gereizt, die Stimmung in der Stadt habe ich damals noch nicht so gut mitbekommen“, sagt er. Die Entscheidung um die Schließung des Krankenhauses oder um den Umzug der Stadtverwaltung ins Bischofschloss habe ihn stärker emotional berührt als die Südumfahrung.

In Erinnerung ist ihm allerdings geblieben, dass die Befürworter deutlich präsenter aufgetreten sind als die Gegner. „Da war einiges geboten, was durchaus seine Wirkung gezeigt hat“, so der Stadtrat. Am Tag des Bürgerentscheids sei er nicht in der Stadt unterwegs gewesen, das Ergebnis habe er am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren. „Ich war schon erstmal enttäuscht“, sagt Uwe Achilles. Dass er sich auch 18 Jahre später noch mit dem Thema beschäftigen darf, sieht er entspannt. „Ich bin es gewohnt, dass manche Prozesse länger gehen.“