Eigentlich sind es ja nur rund fünf Kilometer. Denn ist man erst einmal oben am Turm angekommen, geht es fast nur noch bergab – und der Gehrenberglauf wird quasi zum Selbstläufer. Die Frage, ob es denn „uffe und abe“ heißt oder „nauf und nab“, lässt sich beim lockeren Trainingslauf nicht eindeutig klären. Denn längst hat sich die Laufveranstaltung einen Ruf weit über die Grenzen Markdorfs hinaus gemacht. Ob auf Schwäbisch oder auf Badisch, noch bleibt den Probanden Zeit, um sich über regionale Mundarten auszutauschen.

Am Sonntag wird‘s weit stummer am Berg werden und höchstens schleifende Schritte und prustendes Schnaufen zu hören sein, denn dann startet der 29. TVM-SÜDKURIER-Gehrenberglauf.

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Und los geht‘s mit Zugkraftverstärkung! „Uffe“ oder „nauf“ auf den Gehrenberg bis zum Turm. Beim Lauf am ...
Und los geht‘s mit Zugkraftverstärkung! „Uffe“ oder „nauf“ auf den Gehrenberg bis zum Turm. Beim Lauf am 1. Oktober werden Hunde dagegen nur Zaungäste sein. | Bild: Helga Stützenberger

Ob sie am 1. Oktober mitlaufe, wisse sie noch nicht genau, sagt Andrea Graf-Hess. Weswegen sie an diesem Nachmittag die Strecke mit rund einem Dutzend anderen Laufambitionierten einmal austesten wolle. Erfahrung im Laufen bringt sie allemal mit. „Schon seit 25 Jahren mache ich Nordic Walking“, erzählt sie. Heute ohne Stöcke zwar, weil ihre Hündin Nelli schreckhaft darauf reagiere, aber immer noch so ambitioniert wie vor einem Vierteljahrhundert.

Nicht minder ambitioniert erscheinen da die weißen Hosen von Andrea Graf-Hess in Anbetracht der berüchtigten Crosslaufstrecke. „Aber zur Zeit ist es recht trocken, die Wege sind griffig“, gibt Manfred von Schmidsfeld, selbst Testläufer an diesem Nachmittag, Entwarnung. „Und wenn‘s heute noch zum Regnen kommen sollte, geb ich allen ein Bier aus“, sagt von Schmidsfeld lachend. Die Kehlen bleiben trocken, die Hosen weiß, und der Blick auf die Wettervorhersage für den 1. Oktober lässt mit den Temperaturen auch die Vorfreude steigen.

Andrea Graf-Hess aus Kluftern läuft zusammen mit ihrer Hündin Nelli die 8,9 Kilometer lange Strecke zum ersten Mal. Vielleicht will sie ...
Andrea Graf-Hess aus Kluftern läuft zusammen mit ihrer Hündin Nelli die 8,9 Kilometer lange Strecke zum ersten Mal. Vielleicht will sie am Sonntag beim Wettkampf starten. | Bild: Helga Stützenberger

Jede Menge Arbeit im Hintergrund

Vor dem Wettkampfsonntag will von Schmidsfeld noch einmal die gesamte Strecke abgehen, die allzeit schlammigen Kuhlen mit Geäst überbrücken, „und das Gestrüpp stört auch noch“, zeigt er immer wieder auf zu weit in den Weg hängendes Blattwerk. Überhaupt steckt in den Vorbereitungen für die traditionsreiche Laufveranstaltung jede Menge Arbeit im Hintergrund. So sorgt nicht nur ein ganzes Team zusammen mit Manfred von Schmidsfeld für Beschilderungen und Absperrbänder, sondern die Streckenposten auch dafür, dass jeder auf dem richtigen Weg bleibt. „Trotzdem kommt es jedes Jahr vor, dass sich jemand verläuft“, blickt von Schmidsfeld auf die zurückliegenden Veranstaltungen. „Letztes Jahr haben wir lange nach einem Läufer gesucht“, erinnert er sich lachend an den Trainingslauf. Aber Ende gut, alles gut: Der überambitionierte Läufer hatte die Abzweigung zum Gehrenbergturm verpasst und war frohen Mutes und rasanten Schrittes – alleine – bis Harresheim weitergelaufen.

Kurze Verschnaufpause unterhalb des Gehrenbergturms: Martin Rauh, Manfred von Schmidsfeld und Andrea Graf-Hess (von links) genießen den ...
Kurze Verschnaufpause unterhalb des Gehrenbergturms: Martin Rauh, Manfred von Schmidsfeld und Andrea Graf-Hess (von links) genießen den Ausblick über den See auf die Alpen. | Bild: Helga Stützenberger

Dieses Jahr, beim 29. Gehrenberglauf, heißt es aber auch für die erfahrensten Läufer: Obacht geben! Denn nicht jedem ist die etwas abgeänderte Streckenführung vom vergangenen Jahr noch geläufig. „Wir wollten unbedingt den Gehrenbergturm integrieren“, sagt Organisator Hubert Becker. Der sei schließlich das Markenzeichen des Berges und gehöre unbestreitbar zum Gehrenberglauf dazu. So führt auch in diesem Jahr ein Abstecher bis hinauf zum Turm, einmal um die geschnitzte Holzfigur herum und zurück in Richtung Abbruchkante, der sogenannten Rutsche. „Das sind nur etwa 600 Meter mehr als die ursprüngliche Strecke“, kommt Becker mancher Sorge gleich zuvor. Folgt nur noch ein kurzer, letzter Anstieg bis zur Rutsche. „Dann kann man richtig Gas geben“, weiß Manfred von Schmidsfeld aus langjähriger Erfahrung als Läufer. An diesem Nachmittag fühlt er dem Gehrenberg mit den Nordic Walking-Stöcken auf den Zahn.

Aussichtsreich geht‘s an der Rutsche vorbei, danach führt die Strecke steil nach unten.
Aussichtsreich geht‘s an der Rutsche vorbei, danach führt die Strecke steil nach unten. | Bild: Karl-Heinz Zurell

Und apropos Zahn: Bei allem Biss, mit dem es beim Lauf am 1. Oktober dem Linzgau-Drumlin auf den Buckel zu steigen gilt, gilt es an diesem letzten September-Wochenende, auch die Aussicht über den See bis hinüber in die bereits verschneiten Alpen zu genießen. Denn schließlich ist der Lauf – bei aller sportlichen Herausforderung – ein echter Genusslauf. Kurze Verschnaufpause also an der Rutsche und die aufgeworfene Frage, was denn des Berges Zahnlücke verursacht habe, lautet die Antwort, nicht der Zahn der Zeit, sondern ein Erdbeben am 16. November 1911. So viel Zeit muss sein.

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Nach dieser so aussichtsreichen wie geschichtsträchtigen Passage geht‘s schließlich hinein in den Wald – und fortan bergab. „Jetzt bloß no abe“, sagt Manfred von Schmidsfeld und lacht. Bevor es am kommenden Sonntag im doppelten Wortsinn „ganz schee nauf goht“.