Rolf Breu ist erbost. Seit Jahren ist der Betreiber des Bahnhofkioskes der Hauptleidtragende, wenn es am Bahnhof mal wieder zu Sachbeschädigungen oder Schlägereien kommt. Doch in der Nacht von vergangenem Samstag auf Sonntag hat der Vandalismus eine neue Dimension erreicht: Großflächig rund um das Bahnhofsgebäude haben Unbekannte Tafeln, Sitzgelegenheiten und Mauern mit Graffiti besprüht – und auch die Wände von Breus Kiosk. „Um das wieder wegzubekommen, bin ich gleich wieder mindestens 600 Euro los und die bekomme ich von niemandem ersetzt“, sagt er.

Bereits im August 2020 musste Rolf Breu Grafitti-Schmierereien an seinem Kiosk entfernen. Für alle Schäden an dem Kiosk muss Breu selbst ...
Bereits im August 2020 musste Rolf Breu Grafitti-Schmierereien an seinem Kiosk entfernen. Für alle Schäden an dem Kiosk muss Breu selbst aufkommen, denn das Gebäude gehört ihm. Lediglich das Grundstück, auf dem es steht, ist im Besitz der Bahn. | Bild: Ganter, Toni

Denn das Gebäude gehört dem 59-Jährigen, der bereits seit 28 Jahren den Kiosk an den Gleisen betreibt. Lediglich das Grundstück, auf dem der Kiosk steht, gehört der Deutschen Bahn AG. Und weder die noch die Stadt beteiligen sich an den Kosten, die die zahllosen Sachbeschädigungen im Laufe der Jahre bereits verursacht hatten.

Besprüht wurde auch die Möblierung auf dem Bahnhofvorplatz zu den Gleisen hin. Dieser Bereich wird von den Videokameras nur am Rande ...
Besprüht wurde auch die Möblierung auf dem Bahnhofvorplatz zu den Gleisen hin. Dieser Bereich wird von den Videokameras nur am Rande erfasst, da er auf dem Grundstück der Bahn liegt. | Bild: Grupp, Helmar

Gerade der Kioskbereich wird gar nicht überwacht

Eigentlich müsste das nicht sein. Denn der Bahnhof samt seinem Umfeld ist per Videokameras überwacht. Allerdings wird nur der Frontbereich zur Straße hin und der östliche Bereich mit den Fahrradständern erfasst, nicht aber der Bereich rund um den westlich des Bahnhofs anschließenden Kiosk. Ein absolutes Unding, findet Breu. „Auch in diesem Bereich ist eine Videoüberwachung dringend nötig“, fordert er. Doch weder Stadt noch Bahn würden etwas unternehmen.

Auch die Stirnseite des Kiosk zum Parkplatz hin wurde mit Graffiti verunstaltet. Die selben Zeichen finden sich an den Sitzgelegenheiten ...
Auch die Stirnseite des Kiosk zum Parkplatz hin wurde mit Graffiti verunstaltet. Die selben Zeichen finden sich an den Sitzgelegenheiten des Bahnhofs auf der Seite der Gleise. | Bild: Grupp, Helmar

Nächtliche Prügeleien und Schmierereien seien das eine, sagt Breu, doch gerade Sachbeschädigungen nähmen seit einiger Zeit deutlich zu. So würden an Autos auf dem nebenanliegenden Pendlerparkplatz der Stadt regelmäßig Scheiben eingeschlagen. „Auch eine meiner Mitarbeiterinnen war erst kürzlich davon betroffen“, berichtet der Kioskbesitzer.

Der Bahnhof in Markdorf ist nicht nur ein Treffpunkt, sondern vor allem abends und nachts auch ein Brennpunkt der Kriminalität. Laut ...
Der Bahnhof in Markdorf ist nicht nur ein Treffpunkt, sondern vor allem abends und nachts auch ein Brennpunkt der Kriminalität. Laut Polizei hat es dort von November 2019 bis November 2020 insgesamt 29 Straftaten gegeben. Weitere 43 Mal musste die Polizei eingreifen, in erster Linie bei Streitigkeiten. Hinzu kommen zahlreiche Ordnungswidrigkeiten, die von der Statistik erst gar nicht erfasst werden. Das Thema ausgeweitete Videoüberwachung wurde vom Gemeinderat zuletzt im Oktober vergangenen Jahres kontrovers diskutiert – nicht jede Fraktion konnte sich mit dem Gedanken anfreunden. | Bild: Büsche, Jörg
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Fakt ist: Im vergangenen Oktober hat der Gemeinderat mehrheitlich eine Ausweitung der Videoüberwachung beschlossen. Doch seither ist noch nicht viel passiert. Das liege an dem aufwendigen Verfahren, für das auch Datenschutzbestimmungen sowie Zugriffsrechte auf noch zu installierende Server geklärt werden müssen, heißt es bei der Stadtverwaltung.

Die Überwachungskameras hängen an einem Laternenmasten hoch oben an der Fassade des Bahnhofs. Sie erfassen den vorderen Bereich zur ...
Die Überwachungskameras hängen an einem Laternenmasten hoch oben an der Fassade des Bahnhofs. Sie erfassen den vorderen Bereich zur Bahnhofstraße hin, wo auch der Eingang zum Bahnhofcafé ist, und den seitlichen Bereich um die Fahrradständer. | Bild: Grupp, Helmar

Stadt befindet sich noch in „Gesprächen“

Man befinde sich in „Abstimmungsgesprächen“, sagt Jacqueline Leyers, die beim städtischen Bauamt für das Thema Videoüberwachung am Bahnhof und an der Trendsportanlage zuständig ist. Die von der Stadt beauftragte Elektrotechnik-Firma Wirth aus Salem-Neufrach habe ein Angebot abgegeben, das derzeit noch geprüft wird. Offen seien dabei auch noch Fragen rund um die Datenspeicherung. „Dabei geht es auch darum, wo künftig die Daten gespeichert werden dürfen“, sagt Leyers.

Hier wird gefilmt: Für jeden sichtbar hängt an der Ostfassade des Bahnhofs ein Schild, das auf die Videoüberwachung hinweist. Doch ...
Hier wird gefilmt: Für jeden sichtbar hängt an der Ostfassade des Bahnhofs ein Schild, das auf die Videoüberwachung hinweist. Doch überwacht wird nur der östliche Teil des Bahnhofsgeländes mit der Toilettenanlage und den Fahrradständern und der vordere Eingangsbereich. | Bild: Grupp, Helmar

Denn das Bahnhofsgebäude gehört inzwischen privaten Investoren, die es der Stadt abgekauft hatten, es zwischenzeitlich saniert haben und dort auch ein Café eingerichtet haben. Logischerweise müssten die Hauseigentümer also auch ein Zugriffsrecht auf die Daten haben – und eventuell auch Breu und die Bahn, der Teile des Grundstücks gehören.

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Video-Problemfall: Teile des Geländes gehören der Bahn

All dies müsse aktuell noch geklärt werden, sagt Leyers. Dessen ungeachtet sollen weitere Kameras installiert werden. Aber die sind der Bauamt-Sachbearbeiterin zufolge wieder nur für den östlichen Bereich vorgesehen, nicht aber für den Bereich um Breus Kiosk: Zwei Kameras sollen mit Fokus zu den Fahrradständern angebracht werden und eine mit Blickrichtung Toilettenanlage.

Auch über dem Eingang des Bahnhofcafés sind Videokameras angebracht, in direkter Nachbarschaft des Kiosk. Doch der Bereich um den Kiosk ...
Auch über dem Eingang des Bahnhofcafés sind Videokameras angebracht, in direkter Nachbarschaft des Kiosk. Doch der Bereich um den Kiosk selbst wird nicht erfasst. Gerade dort haben sich aber in den vergangenen Monaten die meisten Vandalismusfälle, aber auch Schlägereien und körperliche Angriffe ereignet. Kioskbetreiber Rolf Breu fordert daher dringend, dass auch dieser Bereich per Video überwacht wird. | Bild: Grupp, Helmar

Ob auch noch Kameras zum Kiosk hin installiert werden können, müsse noch abgeklärt werden, sagt Leyers. Grundsätzlich aber sei die Stadt nicht befugt, auch den Kioskbereich erfassen zu lassen, da dieser Bereich Bahngelände sei. Ordnungsamtsleiter Jürgen Hess habe diesen jüngsten Vorfall aber bereits an die Bahn AG weitergegeben.

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Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen

Bei der Polizei wiederum sind die Ermittlungen seit Montag im Gange. Die Sachbeschädigungen wurden aufgenommen, eine Beamtin des Markdorfer Polizeipostens habe die Aussagen von Breu und Bahnhofmiteigentümer Wolfgang Kiene aufgenommen, der Fotos und auch Videos zur Verfügung stellen konnte. Allerdings zeigen die Videos nur das unmittelbare Bahnhofgebäude-Umfeld und nicht das gesamte Gelände. „Die Ermittlungen laufen und es wurden bereits mehrere Zeugen befragt“, heißt es seitens der Polizeidirektion Ravensburg.

Graffiti-Schmierereien an der Tafel des überdachten Bereichs mit dem Fahrkartenautomaten. Die Zahl 867 weist laut Kioskbetreiber Rolf ...
Graffiti-Schmierereien an der Tafel des überdachten Bereichs mit dem Fahrkartenautomaten. Die Zahl 867 weist laut Kioskbetreiber Rolf Breu auf eine Gruppe Markdorfer Jugendlicher hin, die sich in der Szene wohl mit diesem Code erkenntlich macht. | Bild: Grupp, Helmar

Bahnhof-Miteigentümer Kiene: Habe schon viele Delikte gesehen

Kiene selbst geht es ähnlich wie Breu. Auch er fragt sich, wieso die Ausweitung der Videoüberwachung so lange auf sich warten lasse. „Wir haben Videokameras installiert, die Leitungen in Richtung des Kiosk verlegt und den Server eingerichtet, wir sind schon seit einem Jahr bereit“, sagt Kiene. Er gehe davon aus, dass eine erweiterte Überwachung nach dem Landesdatenschutzgesetz unproblematisch sei, sofern man mit der Erfassung nicht über die Grundstücksgrenze hinausgehe.

Nach jahrelanger Vernachlässigung nun ein Schmuckstück: Der Bahnhof wurde von privaten Investoren denkmalgerecht saniert, erneuert und ...
Nach jahrelanger Vernachlässigung nun ein Schmuckstück: Der Bahnhof wurde von privaten Investoren denkmalgerecht saniert, erneuert und herausgeputzt. Im auf dieser Ansicht linken Teil des Gebäudes hat ein Café eröffnet. Der zuvor schmuddelige und wenig einladende Vorplatz zu den Gleisen hin ist nun ein schön gestalteter Bereich mit hoher Aufenthaltsqualität. | Bild: Lang, Andreas

Kiene sagt, er habe in den vergangenen Monaten, seit er Miteigentümer des Bahnhofs sei, bereits zahlreiche Delikte mitbekommen: „Ein Mal habe ich beobachtet, wie ein junger Mann die Ladestation für E-Bikes zerstört hat, und ein Mal hatte ich der Polizei drei Fahrraddiebstähle in einer Woche gemeldet.“ Dennoch tue sich nichts. „An was hakt es denn noch? Auf was sollen wir noch warten, bis endlich etwas unternommen wird?“, fragt Kiene.

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