Rolf Breu ist erbost. Seit Jahren ist der Betreiber des Bahnhofkioskes der Hauptleidtragende, wenn es am Bahnhof mal wieder zu Sachbeschädigungen oder Schlägereien kommt. Doch in der Nacht von vergangenem Samstag auf Sonntag hat der Vandalismus eine neue Dimension erreicht: Großflächig rund um das Bahnhofsgebäude haben Unbekannte Tafeln, Sitzgelegenheiten und Mauern mit Graffiti besprüht – und auch die Wände von Breus Kiosk. „Um das wieder wegzubekommen, bin ich gleich wieder mindestens 600 Euro los und die bekomme ich von niemandem ersetzt“, sagt er.

Denn das Gebäude gehört dem 59-Jährigen, der bereits seit 28 Jahren den Kiosk an den Gleisen betreibt. Lediglich das Grundstück, auf dem der Kiosk steht, gehört der Deutschen Bahn AG. Und weder die noch die Stadt beteiligen sich an den Kosten, die die zahllosen Sachbeschädigungen im Laufe der Jahre bereits verursacht hatten.

Gerade der Kioskbereich wird gar nicht überwacht
Eigentlich müsste das nicht sein. Denn der Bahnhof samt seinem Umfeld ist per Videokameras überwacht. Allerdings wird nur der Frontbereich zur Straße hin und der östliche Bereich mit den Fahrradständern erfasst, nicht aber der Bereich rund um den westlich des Bahnhofs anschließenden Kiosk. Ein absolutes Unding, findet Breu. „Auch in diesem Bereich ist eine Videoüberwachung dringend nötig“, fordert er. Doch weder Stadt noch Bahn würden etwas unternehmen.

Nächtliche Prügeleien und Schmierereien seien das eine, sagt Breu, doch gerade Sachbeschädigungen nähmen seit einiger Zeit deutlich zu. So würden an Autos auf dem nebenanliegenden Pendlerparkplatz der Stadt regelmäßig Scheiben eingeschlagen. „Auch eine meiner Mitarbeiterinnen war erst kürzlich davon betroffen“, berichtet der Kioskbesitzer.

Fakt ist: Im vergangenen Oktober hat der Gemeinderat mehrheitlich eine Ausweitung der Videoüberwachung beschlossen. Doch seither ist noch nicht viel passiert. Das liege an dem aufwendigen Verfahren, für das auch Datenschutzbestimmungen sowie Zugriffsrechte auf noch zu installierende Server geklärt werden müssen, heißt es bei der Stadtverwaltung.

Stadt befindet sich noch in „Gesprächen“
Man befinde sich in „Abstimmungsgesprächen“, sagt Jacqueline Leyers, die beim städtischen Bauamt für das Thema Videoüberwachung am Bahnhof und an der Trendsportanlage zuständig ist. Die von der Stadt beauftragte Elektrotechnik-Firma Wirth aus Salem-Neufrach habe ein Angebot abgegeben, das derzeit noch geprüft wird. Offen seien dabei auch noch Fragen rund um die Datenspeicherung. „Dabei geht es auch darum, wo künftig die Daten gespeichert werden dürfen“, sagt Leyers.

Denn das Bahnhofsgebäude gehört inzwischen privaten Investoren, die es der Stadt abgekauft hatten, es zwischenzeitlich saniert haben und dort auch ein Café eingerichtet haben. Logischerweise müssten die Hauseigentümer also auch ein Zugriffsrecht auf die Daten haben – und eventuell auch Breu und die Bahn, der Teile des Grundstücks gehören.
Video-Problemfall: Teile des Geländes gehören der Bahn
All dies müsse aktuell noch geklärt werden, sagt Leyers. Dessen ungeachtet sollen weitere Kameras installiert werden. Aber die sind der Bauamt-Sachbearbeiterin zufolge wieder nur für den östlichen Bereich vorgesehen, nicht aber für den Bereich um Breus Kiosk: Zwei Kameras sollen mit Fokus zu den Fahrradständern angebracht werden und eine mit Blickrichtung Toilettenanlage.

Ob auch noch Kameras zum Kiosk hin installiert werden können, müsse noch abgeklärt werden, sagt Leyers. Grundsätzlich aber sei die Stadt nicht befugt, auch den Kioskbereich erfassen zu lassen, da dieser Bereich Bahngelände sei. Ordnungsamtsleiter Jürgen Hess habe diesen jüngsten Vorfall aber bereits an die Bahn AG weitergegeben.
Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen
Bei der Polizei wiederum sind die Ermittlungen seit Montag im Gange. Die Sachbeschädigungen wurden aufgenommen, eine Beamtin des Markdorfer Polizeipostens habe die Aussagen von Breu und Bahnhofmiteigentümer Wolfgang Kiene aufgenommen, der Fotos und auch Videos zur Verfügung stellen konnte. Allerdings zeigen die Videos nur das unmittelbare Bahnhofgebäude-Umfeld und nicht das gesamte Gelände. „Die Ermittlungen laufen und es wurden bereits mehrere Zeugen befragt“, heißt es seitens der Polizeidirektion Ravensburg.

Bahnhof-Miteigentümer Kiene: Habe schon viele Delikte gesehen
Kiene selbst geht es ähnlich wie Breu. Auch er fragt sich, wieso die Ausweitung der Videoüberwachung so lange auf sich warten lasse. „Wir haben Videokameras installiert, die Leitungen in Richtung des Kiosk verlegt und den Server eingerichtet, wir sind schon seit einem Jahr bereit“, sagt Kiene. Er gehe davon aus, dass eine erweiterte Überwachung nach dem Landesdatenschutzgesetz unproblematisch sei, sofern man mit der Erfassung nicht über die Grundstücksgrenze hinausgehe.

Kiene sagt, er habe in den vergangenen Monaten, seit er Miteigentümer des Bahnhofs sei, bereits zahlreiche Delikte mitbekommen: „Ein Mal habe ich beobachtet, wie ein junger Mann die Ladestation für E-Bikes zerstört hat, und ein Mal hatte ich der Polizei drei Fahrraddiebstähle in einer Woche gemeldet.“ Dennoch tue sich nichts. „An was hakt es denn noch? Auf was sollen wir noch warten, bis endlich etwas unternommen wird?“, fragt Kiene.