Zehn Jahre lang war er Hausmeister beim Kinderbuchautor Janosch auf Teneriffa, dann zog er im Dezember 2020 mit seiner Partnerin Silke Killmer auf die Nachbarinsel La Palma – und nun haben sie fast alles verloren: Eddy Reiser, in Markdorf aufgewachsen und in Friedrichshafen an der Ludwig-Dürr-Schule als Lehrer beruflich engagiert, und seine Lebensgefährtin hatten ein Häuschen auf La Palma, bis der Vulkan Cumbre Vieja ausbrach.

Das war vor drei Monaten. Inzwischen gilt der Vulkanausbruch als der längste seit Beginn verlässlicher Aufzeichnungen. Unterdessen hat er sich beruhigt, zuletzt wurden keine weiteren Eruptionen registriert.
Von Lava umschlossen: sechs Wochen Bangen um das Haus
Doch das Haus der Reisers hat der Vulkan zerstört, ebenso wie die Nachbarhäuser und hunderte weitere Gebäude, die in seiner Lavaschneise lagen. „Unser Haus wurde nicht von der Lava überrollt“, berichtet Reiser. „Aber es war eingekesselt von der Lava und durch die große Hitze ist es inzwischen ausgebrannt und eine Ruine.“

Über sechs Wochen hinweg sei das Haus immer enger von der Lava umschlossen worden. In diesem Zeitraum hätten sie noch einmal wöchentlich für jeweils 20 Minuten in Begleitung von lokalen Einsatzkräften ins Haus gedurft. „Da haben wir uns geschnappt, was wir konnten, aber das meiste ist trotzdem verlorengegangen“, sagt Reiser. Die schweren Gegenstände wie Möbel oder die Betten hätten sie nicht mitnehmen können. Auch ihre Maschinen hätten sie zurücklassen müssen. Und auch Persönliches sei ein Raub der glühenden Asche geworden – Fotoalben oder Papiere und Bücher. Immerhin konnten sie ihre beiden Katzen noch rechtzeitig mitnehmen. „Aber unsere Erinnerungsfotos sind alle weg.“

Die erste Woche übernachteten sie im Wohnmobil
Eine Woche hatten sie zuerst noch in ihrem Wohnmobil gelebt, erzählt der 63-Jährige, dann seien sie für eine Woche bei einer Bekannten untergekommen, bevor sie für zehn Wochen in ein kleines Ferienhaus eines Freundes aus Deutschland ziehen konnten, der erst wieder im Januar kommen wollte. Inzwischen leben Eddy Reiser und Silke Killmer in der Ferienwohnung eines Hamburgers.

„Das Paradies hat sich in die Hölle verwandelt“
Noch heute kommt Reiser die Situation unwirklich vor, wenn er zurückdenkt an die Wochen von Ende September bis in den Oktober. Das Grollen des Vulkans, das nächtliche Getöse, das Feuerspucken über ihnen am Berg: „Es hört sich an wie ein Bombenangriff ohne jegliche Unterbrechung, das Paradies hat sich von einer Sekunde auf die andere in die Hölle verwandelt“, hatte er per Whatsapp am 5. Oktober an seinen Markdorfer Freund Christian Amann geschrieben. Wenige Wochen später zerplatzte die noch verbliebene Hoffnung. Am letzten Oktoberwochenende hatte die Lava ihr Haus und ihr Grundstück erreicht.

Amann berichtet von seinen Telefonaten mit Eddy Reiser in diesen Tagen, von den Gesprächen hat er sich Protokolle gemacht. Am 4. November habe ihm sein Freund sinngemäß gesagt: „Sechs Wochen lang haben wir gebangt. Jetzt ist es Realität. Es schmerzt ungemein und gleichzeitig ist es eine unwirkliche Erlösung, denn das jede Sekunde andauernde Hoffen und Bangen darauf, dass unser Haus verschont bleibt, ist nicht mehr möglich.“ Aber auch: „Wir sind leiblich unversehrt und unser Blick richtet sich nach vorne, wir wollen auf der Insel bleiben.“

Eine große Solidarität: Jeder hilft jedem
Heute, einen Monat später, begründet Eddy Reiser den Entschluss – und es fällt ihm nicht schwer. So viele Freunde und Bekannte, Einheimische wie Ausgewanderte, hätten vieles oder gar alles verloren. Seither helfe ein jeder dem anderen. „Hier gibt es eine unglaubliche Solidarität“, berichtet Reiser: „Inzwischen haben wir sicher schon drei bis vier Tonnen Asche von Grundstücken und Dächern gekehrt.“ Das sei die „tägliche Hauptaufgabe“.

Jeder, der könne, unterstütze den, der noch weniger habe, sagt Reiser. Grenzerfahrungen, wie sie eben nur eine Katastrophe hervorbringt. Und mit jedem neuen Ascheregen beginnt die Arbeit wieder von vorne.
Nur wenige „Palmeros“ hatten ihre Häuser versichert
Endet die eine Katastrophe, beginnt die andere. Sie selbst seien versichert gewesen, sagt Reiser. Einen Teil des Verlustes werde er vermutlich ersetzt bekommen. Den Hauswert zumindest zum Teil, den des Grundstücks hingegen nicht. „Aber ich will nicht jammern“, sagt Reiser: „Wir haben Freunde und es gibt andere, Nachbarn, denen geht es viel schlechter als uns.“

Viele von ihnen stünden nun buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz. Denn weit mehr als die Hälfte der Einheimischen hätten sich Versicherungen gar nicht leisten können. „Unsere Nachbarn mussten mit anschauen, wie die Lava langsam ihr Haus zermalmte. Die waren nicht versichert und deren Familie lebte schon seit mehr als 200 Jahren dort“, erzählt der Ex-Markdorfer und man merkt ihm an, wie ergriffen er noch immer ist.
Zäher Papierkrieg mit den Behörden
Vom spanischen Staat seien die versprochenen Hilfen noch nicht bei den Betroffenen angekommen, berichtet Reiser. Auch das verschärfe die Lage vieler nun obdachlos gewordener Einheimischer. Ebenso wie der Papierkrieg mit den Behörden, der unglaublich zäh sei.

Andererseits sei die gegenseitige Hilfsbereitschaft beispiellos, unter den „Palmeros“ selbst, aber auch gegenüber den Ausgewanderten. „In einer Krise erkennst du, wer deine Freunde sind“, sagt Reiser. Auch das hätten ihm und seiner Partnerin die vergangenen Wochen gezeigt.
Im Januar wollen die Reisers auf die andere Inselseite ziehen
Wie es nun weitergeht? Im Januar wollen die Reisers in ein Häuschen auf der anderen Seite der Insel einziehen, auf der Ostseite, weg vom Vulkan. Einfach war das nicht, aber nun haben sie etwas zum Unterkommen angeboten bekommen. Denn seit dem Ausbruch sei der Wohnraum auf der Insel knapp geworden und es steigen die Mietpreise wie die Immobilienpreise, sagt Reiser.
Zugleich bekennt er aber auch: „Es ist zwar ein seelischer Schmerz und auch ein finanzieller Schmerz, aber wir nagen nicht am Hungertuch.“ Seine Partnerin könne allerdings nicht mehr arbeiten. „Sie ist Kunsthandwerkerin und hat vor ihrem Umzug an Theatern in Berlin als Kostümbildnerin gearbeitet. Aber ihre Werkstatt hier ist natürlich verlorengegangen und die Maschinen und Werkzeuge mussten wir zurücklassen.“
Markdorfer Freund richtet ein Spendenkonto ein
Inzwischen hat Christian Amann bei der Sparkasse ein Spendenkonto für die Reisers eingerichtet. Eddy Reiser weiß das natürlich. Einerseits freut es ihn, weil er und seine Partnerin tatsächlich jeden Cent gebrauchen können. Andererseits wolle er keinesfalls mit seiner Notlage hausieren gehen, betont er. Von den Spenden, so sie kämen, würde er deshalb auch einen Teil weitergeben. „Wir haben einheimische Freunde, die noch weniger oder gar nichts mehr haben, die bekämen von uns natürlich auch etwas ab“, sagt er.

Dann ist das Telefonat beendet. Es ist abends und wieder einmal war der Tag auf La Palma vom Aufräumen und Mithelfen geprägt. Wir sollen die Markdorfer grüßen, sagt Eddy Reiser am Ende unseres Gesprächs. Das wäre hiermit gerne getan – es soll aber nicht dabei bleiben. Wir wollen in der kommenden Zeit immer wieder mal über die Reisers und ihr Leben auf der vom Ausbruch des Cumbre Vieja heimgesuchten Insel berichten. Und dann vielleicht auch über die Hilfe der Markdorfer für Eddy und Silke und ihre Nachbarn und Freunde.