Uwe Petersen (up)

Sie sind ja kein gebürtiger Meersburger. Wo kommen Sie ursprünglich her?

Ich wurde als 14. von 15 Kindern in Herdwangen geboren. Das war keine einfache Kindheit und ich habe bereits mit elf Jahren das Elternhaus verlassen und bin auf einen Bauernhof gezogen. Dort habe ich noch vor der Schule das Vieh versorgt und schon mit zwölf Jahren mit zwei Ochsen den Acker gepflügt.

Sie sind aber nicht Bauer geworden.

Nein, ich habe mit dreizehneinhalb Jahren eine Metzgerlehre begonnen. Mit 15 Jahren habe ich schon allein Hausschlachtungen durchgeführt. Nach meiner Gesellenprüfung in Sigmaringen fing ich als Metzger in Allensbach an. Dort habe ich meine Frau Hannelore kennengelernt. Wir haben 1960 geheiratet. In dem Jahr habe ich mich auch mit einem Kollegen als Kopfschlächter selbstständig gemacht.

Was ist denn ein Kopfschlächter?

Wir haben Hausschlachtungen für Metzgereien und Wirtschaften gemacht. Dadurch habe ich viele Wirte kennengelernt und bei einigen auch nebenbei ausgeholfen, wenn sie jemanden gebraucht haben. Das hat mir als Haltnau-Wirt natürlich geholfen. Die Haltnau war ursprünglich gar kein Gasthaus, sondern wurde erst damals zu einer Wein- und Vesperstube umgebaut. 1965 siedelten wir richtig in die Haltnau nach Meersburg um. Die führten wir dann 50 Jahre lang. Es gab keinen einzigen Öffnungstag, an dem nicht einer von uns beiden anwesend war.

Die Haltnau ist aber deutlich größer als eine normale Vesperstube.

Ja, es kamen immer mehr Gäste, viele fragten nach warmem Essen. Aber ich arbeitete immer noch im Schlachthaus. Nachdem ich mich ab 1968 ganz auf die Haltnau konzentriert hatte, haben wir aus der Vesperstube ein Restaurant gemacht und Stück für Stück vergrößert: neue Toilettenanlagen, eine große Küche, die Verlegung der Straße hinter das Haus und damit die Möglichkeit, die Terrasse zu bauen. Schließlich kamen als Erweiterung das Weinproben-Lokal und ein Festzelt dazu.

Wie kamen Sie denn als Metzger überhaupt zum Wein?

Bis ich 40 war, habe ich wegen des Sports gar keinen Alkohol getrunken. Dann habe ich mir zuerst viele Weinproben angeschaut: Die waren alle langweilig. Ich habe vor allem darauf geachtet, wie die Leute reagieren, und dabei festgestellt, dass viele positiver auf Sprüche reagieren als auf die reine Information. So habe ich dann meine Weinproben immer lustig gestaltet. Das kam bei den Gästen sehr gut an.

Apropos Sport: Sie haben ja als Ringer sogar in der Bundesliga gekämpft.

Ich habe viele Sportarten betrieben. Als Ringer war ich Jahrzehnte in Wollmatingen. Mit 20 war ich auch gesamtbadischer Meister im Gewichtheben. Das war damals noch ein Dreikampf mit Stoßen, Drücken und Reißen. Außerdem habe ich Kunstkraftakrobatik betrieben. Das sind akrobatische Kunststücke wie im Zirkus, zum Beispiel Menschenpyramiden. Ich konnte in meiner besten Zeit einarmig 100 Kilo heben. Mit dieser Akrobatik sind wir als Gruppe auch 15 Jahre beim Schnabelgiere-Allerlei aufgetreten.

Und wie war das mit der Bundesliga?

Das war erst ziemlich spät. Ich war fast 40 Jahre alt. Da kam der Trainer Willi Betz, der unter anderem das deutsche Ringerwunder Wilfried Dietrich betreut hatte, und fragte, ob ich nicht als Schwergewichtler nach Baienfurt bei Ravensburg kommen wollte. Mit denen war ich ein Jahr in der Bundesliga.

Wie kamen Sie zum TuS Meersburg? Der hat doch Ihre Sportarten nicht im Programm?

Den besten Kontakt zu einer neuen Gemeinde findet man in Vereinen. Ich habe damals beim Jedermannturnen teilgenommen, da haben wir alles gemacht, was einen fit hält. 1977 wurde dann dringend ein neuer Vorstand gesucht. Nachdem mehrere Kandidaten abgesagt hatten, haben sie mich gefragt. Ich habe gesagt: Wenn ihr mich wählt, dann mache ich es. So wurde ich 1977 gleich zum Vorsitzenden gewählt und habe das Amt 34 Jahre lang bis 2011 innegehabt. In dieser Zeit haben wir das Vereinsheim, den Rasenplatz und die Halle gebaut. Und die Mitgliederzahl ist von anfangs 500 auf über 1000 angewachsen. Das kam vor allem, weil ich immer darauf geachtet habe, dass wir auch neue Sportarten aufgenommen haben, zum Beispiel Badminton.

Eine Wirtschaft, Familie und Vorstand im Verein, das ist für viele mehr als genug. Sie sind aber auch politisch aktiv.

Kurt Kränkel war 1974 auf mich zugekommen, ob ich nicht auf der CDU-Liste für den Stadtrat kandidieren wolle. Ich wurde dann 1975 als Letzter auf die Liste gesetzt und auf Anhieb gewählt. 1984 wurde ich auch in den Kreistag gewählt. In beiden Gremien sitze ich seitdem ohne Unterbrechung. Ich bin heute noch überzeugt, dass es keine schönere Position gibt als Gemeinderat. Da hat man ab und zu noch die Möglichkeit, selbst zu gestalten. Das macht unheimlich Spaß. Ich kann nur jedem jungen Menschen raten, sich aufstellen zu lassen. Viele haben Angst vor der Niederlage; aber nur aus Niederlagen lernt man, ob es nun im Sport ist oder in der Politik. Wer keine Niederlagen einstecken kann, wird auch nicht gewinnen.

Hatten Sie niemals Lust auf den Landtag oder den Bundestag?

Nein, mein Motto lautet "Schuster, bleib bei deinen Leisten". Ich war ja als Vertreter der Kreis-CDU und als Kreisvorsitzender des CDU-Mittelstands jahrzehntelang bei allen Landes- und Bundesparteitagen der CDU und als Kreisvorsitzender automatisch bei allen Treffen der Mittelständler. Dadurch hatte ich auch Kontakt zu den Parteispitzen von Baden-Württemberg. Erwin Teufel, Günther Oettinger, Annette Schavan und viele andere waren bei mir regelmäßig auf der Haltnau.

Und nun sind Sie im Ruhestand?

Nein, eigentlich habe ich nur den TuS-Vorsitz abgegeben. Dort und im Kreisverband der CDU bin ich Ehrenvorsitzender. Ich bin noch in Kreis- und Gemeinderat, bin stellvertretender Kreisvorsitzender des Mittelstands, habe jede Woche drei Stammtische und helfe meinem Enkel auf dem Spargelhof. Es ist eigentlich erstaunlich, wie gut das noch alles klappt. Der Vorteil jetzt ist: Wenn ich will, kann ich; ich muss aber nicht.

Haben Sie jemals Musik gemacht?

Das ist das Einzige, das mich am Leben reut: dass ich nie die Chance hatte, Musik zu machen. Dafür hatte ich damals weder die Zeit noch das Geld.

Was sehen Sie selbst als größten Erfolg in Ihrem Leben?

Mein allergrößter Erfolg ist, dass ich eine Frau gefunden habe, die das alles mitgemacht hat. Ohne sie hätte ich das nie durchhalten können. Als Erfolge werte ich auch, dass ich in den 50 Jahren als Haltnau-Wirt unheimlich viele Menschen kennengelernt habe. Und es gab in den 50 Jahren keine einzige Schlägerei, weil ich mir Respekt verschafft habe. Einmal hatten zwei Einbrecher es auf der Haltnau versucht. Die haben das bereut. Schließlich hatte ich auch das Glück, dass ich außer einer Hüftoperation nie gesundheitliche Probleme hatte, und dass ich auch im Kopf noch fit bin. Ich muss mir auch heute noch keinen Termin aufschreiben.

Was waren die schlimmsten Momente in Ihrem Leben?

Das waren die Todesfälle meiner Kinder. Das ist immer hart, wenn Eltern ihre Kinder verlieren. Mein Sohn ist mit 20 Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Meine Tochter ist mit 47 Jahren an einer Herzmuskelentzündung gestorben. Aber man darf sich davon nicht unterkriegen lassen. Das Leben muss weitergehen. Meine dritte Tochter lebt in Überlingen, ich habe drei Enkel und zwei Urenkel, die alle am See wohnen. Für die lebe ich jetzt.

Fragen: Uwe Petersen

Zur Person

Werner Endres wurde am 19. Januar 1937 als 14. von 15 Kindern in Herdwangen geboren, wo er auch die Volksschule besuchte. Mit elf Jahren verließ er sein Elternhaus und arbeitete neben der Schule bei einem Bauern. Mit 13 begann er eine Metzgerlehre in Liggersdorf, legte in Sigmaringen seine Gesellenprüfung ab und arbeitete in Allensbach als Metzger. Dort lernte er seine Frau Hannelore kennen, die er 1960 heiratete. 1965 zog das Paar nach Meersburg, um die Haltnau zu übernehmen, die sie über 50 Jahre lang führten. Parallel war Werner Endres Kraftsportler. Mit 20 wurde er gesamtbadischer Meister im Gewichtheben, er betrieb jahrelang Kunstkrafttraining und ging mit fast 40 Jahren in die Ringer-Bundesliga-Mannschaft von Baienfurt. Seit 1975 sitzt er für die CDU im Gemeinderat, seit 1985 im Kreistag.