Die Knabenmusik Meersburg nimmt künftig auch Mädchen auf. Diese historische Entscheidung für das städtische Jugendorchester, das bislang Jungen vorbehalten war, fällte der Gemeinderat einstimmig.
Darum war der Schritt notwendig
Der Schritt war notwendig, weil sich immer weniger Knaben für die Kapelle fanden und einige Instrumente kaum mehr besetzt werden konnten. „Die Knabenmusik ist ohne Mädchen aktuell nicht spielfähig.“ Das betonte Musikdirektor Christoph Maaß in der „geschichtsträchtigen Sitzung“, wie sie Rätin Christine Ludwig (Grüne) nannte, der das Ensemble fast vollzählig beiwohnte.

Seit September 2018 spielen Mädchen bereits als Verstärkung mit. Als gemischtes Ensemble bestritten die Jungmusiker seither schon fünf Konzerte sowie den Jugendblasorchester-Wettbewerb BW-Musix in Balingen. Bei Letzterem errang die Knabenmusik – 33 Jungen und sechs Mädchen – souverän einen ersten Platz unter acht Orchestern aus ganz Deutschland. „Ohne Mädchen hätten wir da gar nicht anzutreten brauchen“, sagte Maaß zum SÜDKURIER.
Bei seinem Antritt als städtischer Musikdirektor 2016 hatte der damals 32-Jährige, der einst selbst Knabenmusiker war, die Knabenmusik „am Rande der Spielfähigkeit übernommen“, wie er sich nun im Rat erinnerte. Zeitweise „hatten wir nur noch eine Klarinette und eine Flöte“. In den aktuellen Bläserklassen der Jugendmusikschule sei der Anteil der Mädchen doppelt so hoch wie der der Jungen – ein bundesweiter Trend.
Jungen waren für Aufnahme von Mädchen
„Die Jungs haben mit mir zusammen gekämpft, dass Mädchen aufgenommen werden“, betonte Christoph Maaß. Knabenmusiker Philipp Bittner, mit seinen 21 Jahren und über zehnjährigen Orchestererfahrung fast ein Veteran, bestätigt das. Anfangs sei er schon im Zwiespalt gewesen, gesteht er. „Aber wenn es immer weniger Leute sind und das Niveau sinkt, macht‘s irgendwann keinen Spaß mehr.“
Aber Leistung ist nicht alles: „Auch kameradschaftlich sind die Mädchen ein Zugewinn“, unterstrich Maaß im Rat. Die Wortmeldungen der Räte, von denen etliche ehemalige Knabenmusiker sind, und Rätinnen fielen ausnahmslos positiv aus. So meinte Markus Waibel (FW), seine beiden Töchter, die auch gerne in die Knabenmusik gegangen wären, „werden sich diebisch freuen“.
Mattes: „Ein überfälliger Schritt“
Boris Mattes (SPD) meinte: „Ein überfälliger Schritt.“ Michael Gilowsky (Umbo) sagte: „Es ist für mich eine Herzensangelegenheit und für die Knabenmusik existenznotwendig.“ Christine Ludwig unterstrich, als Grüne sei für sie Gleichberechtigung selbstverständlich. „Aber es ist auch klar, dass eine Ära zu Ende geht.“
Peter Schmidt (CDU) betonte, die Qualität müsse im Vordergrund stehen und weniger Äußerlichkeiten wie neue Uniformen oder der künftige Name. Letzterer war der einzige Punkt, bei dem es Uneinigkeit gab. So forderte Monika Biemann (Umweltgruppe): „Der Name ist jetzt dringend zu ändern.“ Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums betonten Maaß und Bürgermeister Robert Scherer: „Knabenmusik ist eine Marke.“ Laut einer Umfrage sei auch die große Mehrheit der jungen Mitglieder dafür, den Namen beizubehalten, so Maaß.
Knabenmusik
Die Knabenmusik Meersburg hat weit über die Region hinaus einen guten Klang. Ihre Konzertreisen führten das 1953 gegründete Orchester bereits um die halbe Welt und bei Wettbewerben belegen sowohl das Ensemble als auch Solisten regelmäßig Spitzenplätze – jüngst beim Jugendblasorchester-Wettbewerb BW-Musix in Balingen. Dort errang nicht nur das Orchester mit der Höchstwertung von 93,38 Punkten einen ersten Platz. Sonderpreise erhielten außerdem die beiden jüngsten Posaunisten, der zwölfjährige Noah Schwegel und der 15-jährigen Linus Großhardt. Die Knabenmusik, die in barock anmutenden Uniformen auftritt, „vereint Tradition und Moderne unter einem Hut“, sagt Dirigent Christoph Maaß. Er ist seit 2016 städtischer Musikdirektor und leitet die Knabenmusik ebenso wie die 1986 gegründete Jugendmusikschule, aus der man den Nachwuchs rekrutiert. Der Knabenmusik gehören Jugendliche im Alter von etwa elf bis 20 Jahren an – künftig auch Mädchen. Der Name „Knabenmusik“ als Marke soll aber vorerst beibehalten und, so der Konsens der Ratsmehrheit, auch künftig nicht ohne Mitsprache aller Beteiligten geändert werden.