Sollen Baitenhausen und Schiggendorf ihren Ortschaftsrat behalten können oder soll die Vertretung der beiden Gemeinden, die bis zur Gemeindereform 1972 eigenständig waren, abgeschafft werden? Im Zuge der Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushalts hat der Gemeinderat von Meersburg die Verwaltung unter anderem beauftragt, die unechte Teilortswahl und die Ortschaftsverfassung auf den Prüfstand zu stellen. Hier bestehe ein eventuelles „haushälterisches Verbesserungspotenzial“, sprich Einsparpotenzial, hieß es in der Tischvorlage der jüngsten Gemeinderatssitzung.
Infoveranstaltung für die Bürger in den Ortsteilen geplant
Bevor eine Entscheidung getroffen wird, wird es jedoch eine Informationsveranstaltung geben, um die Bürger aus Baitenhausen und Schiggendorf ins Boot zu holen. Das war das Ergebnis der jüngsten Gemeinderatssitzung. Die Vertreter des Ortschaftsrats waren in der Sitzung anwesend und verfolgten wie die Kollegen des Gemeinderats, was Verwaltungsexperte Jürgen Fleckstein von der Hochschule Kehl zu sagen hatte. Er erläuterte die Vor- und Nachteile der möglichen Optionen und wird dies auch bei der geplanten Informationsveranstaltung für die Bürger nochmals tun.
Feste Anzahl von Sitzen im Gemeinderat garantiert
Die unechte Teilortswahl ist ein Wahlsystem, bei dem die Gemeinde in räumlich getrennte Wohnbezirke aufgeteilt wird. Deren Vertreter erhalten eine feste Anzahl von Sitzen im Gemeinderat. „Hier haben sie 17 Sitze für Meersburg und einen Sitz für den Vertreter aus Baitenhausen“, erläuterte Fleckstein die Ausgangssituation. Vorteil der unechten Teilortswahl sei, dass garantiert ein Vertreter des entsprechenden Wohnbezirks im Gemeinderat vertreten sei.
Immer mehr Gemeinden schaffen die unechte Teilortswahl ab
Allerdings werde die unechte Teilortswahl in immer mehr Gemeinden abgeschafft, denn sie habe auch ihre Nachteile. Unter anderem nannte der Jurist das Wahlsystem, das kompliziert und fehleranfällig sei. Auch die Kandidatensuche sei schwieriger, oft bekämen die Fraktionen ihre Kandidatenlisten in den kleinen Bezirken nicht voll. Kirchturmdenken und eine mögliche Vergrößerung des Gemeinderats durch Ausgleichssitze zählte er ebenfalls zu den Nachteilen.
„Die Vor- und Nachteile können in jeder Gemeinde anders liegen und ich kann Ihnen die Folgen für Meersburg nicht prognostizieren“, meinte der Experte. Die Folgen hingen vom Wahlverhalten und von der Bewerberstruktur ab. Einige Gemeinden hätten durch den Wegfall der garantierten Sitze ihre Vertretung im Gemeinderat ganz verloren. Manchmal steige aber auch die Zahl der Vertreter eines Teilorts im Gemeinderat.
Ortschaftsverfassung sichert organisatorische Eigenständigkeit
Eine Abschaffung der unechten Teilortswahl ändere aber nicht die Ortschaftsverfassung. Diese kann grundsätzlich in räumlich getrennten Ortsteilen eingeführt werden, um ihnen eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit zu bewahren. „Wobei die bestehenden Zuständigkeiten des Ortschaftsrates Baitenhausen und Schiggendorf nicht sehr ausgeprägt sind“, meinte der Kommunalrechtler. Ortsvorsteher und Ortschaftsrat könnten bestehen bleiben, wenn man die Ortschaftsverfassung nicht abschaffe.
Ohne Ortschaftsverfassung kein Ortschaftsrat und kein Ortsvorsteher mehr
Werde die Ortschaftsverfassung abgeschafft, hätten Baitenhausen und Schiggendorf keine gesetzlich geregelten Mitwirkungsrechte mehr. Ortschaftsrat und Ortsvorsteher würden wegfallen, zählte Fleckstein die Konsequenzen auf. Möglich wäre der Einsatz von Ortsreferenten, wie zum Beispiel in Salem. Als Vorteile für die Stadt führte Fleckstein auf, dass die Ausgaben für die Entschädigung der Ortschaftsräte und des Ortsvorstehers wegfallen und die Kosten für den Aufwand durch Vor- und Nachbereitung von Sitzungen sinken würden.
Während für die Abschaffung der unechten Teilortswahl wäre eine Mehrheit des Gemeinderats von zehn Stimmen ausreichend. Für die Abschaffung der Ortsverfassung wäre zusätzlich eine Mehrheit von mindestens vier Stimmen des Ortschaftsrats Baitenhausen und Schiggendorf erforderlich, erklärte der Experte. Beide Institutionen seien aber unabhängig voneinander. Ortschaftsverfassung und unechte Teilortswahl könnten eigenständig voneinander beibehalten oder abgeschafft werden, verdeutlichte er.
Ortsvorsteher wünscht sich weiter feste Vertretung im Gemeinderat
Joachim Bischofberger (FBB), Ortsvorsteher von Baitenhausen, erklärte, nach 50 Jahren sei es durchaus legitim, das Thema einmal neu zu betrachten: „Nur wollen wir unsere feste Vertretung im Gemeinderat weiterhin behalten.“ Ähnlich äußerte sich sein Vorgänger im Amt, Achim Homburger (FWV): „Wenn die unechte Teilortswahl abgeschafft wird, habe ich Bedenken, dass keine Ortsbürger in den Gemeinderat reinkommen.“ Ohne dass die Bürgerschaft eine Entscheidung mittrage, könne er das nicht entscheiden.
Entscheidung sollte ein Jahr vor Ende der Amtsperiode 2024 fallen
So sah es auch Markus Waibel (FWV). Es sei herauszuhören, dass die Ortsteile weiterhin im Rat vertreten bleiben wollen. „Die Entscheidung muss in den Teilorten fallen, es kann nicht sein, dass wir das überstülpen.“ Ortschaftsrätin Martina Wengele-Reußner (FBB) wollte wissen, bis wann eine Entscheidung fallen müsse. Fleckstein antworte, dass eine Änderung frühestens bis zum Ende der Amtsperiode 2024 möglich sei. Ein Jahr vor der Wahl empfehle er als spätesten Termin. „Also rechtzeitig bevor die Fraktionen ihre Listen erstellen.“ Bürgermeister Robert Scherer dankte am Ende für die offene Diskussion: „Das war auf Augenhöhe und wertschätzend.“