Lorna Komm

„Alle neuen Musiker haben eine Einleb-Phase, wenn sie in das Jugendorchester der Knabenmusik eintreten“, antwortet Christoph Maaß, Leiter der Knabenmusik, auf die Frage, wie es den Mädchen im ehemals reinen Knabenorchester geht. Mittlerweile sind mehr als ein Drittel der Musiker weiblich und er werde auch gar nicht mehr auf das Thema angesprochen, sagt Maaß: „Das ist ein alter Hut.“

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Mädchen hatten bei der Knabenmusik erstmals beim Adventskonzert 2018 ausgeholfen. Im Juni 2019 hatte sich dann der Gemeinderat für die Aufnahme von Mädchen bei der Knabenmusik Meersburg ausgesprochen. „Mädchen im Orchester sind für uns alle zur Selbstverständlichkeit geworden und auch der Name bleibt bestehen“, betont Christoph Maaß. 95 Prozent der Mitglieder hätten sich ohnehin von Anfang an dafür ausgesprochen und die Mädchen bezeichnen sich schlicht als Knabenmusikerinnen.

Corona-Pandemie ist auch für Orchester eine Herausforderung

In diesem Jahr hat das Orchester unter der Corona-Pandemie gelitten. „Erst war die Probenpause wie Ferien, dann hat es angefangen zu fehlen und mittlerweile tut es richtig weh, nicht mehr spielen zu können“, sagt Maaß, der als Leiter der Musikschule froh ist, dass im zweiten Lockdown zumindest der musikalische Bildungsauftrag anerkannt und deren Unterricht eingeschränkt möglich ist.

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„Ich hätte nie gedacht, dass wir so hopplahopp aus der Öffentlichkeit verschwinden“, sagt Maaß über das Jahr unter Corona-Bedingungen. Der Konzertkalender wäre gut gefüllt gewesen, die Konzertreise in die Partnerstadt war durchgeplant. Kurzzeitig konnten in den Sommermonaten Proben mit Abstand auf dem Schulhof des Droste-Hülshoff-Gymnasiums stattfinden, aber an ein Konzert sei nicht zu denken gewesen. „Zum einen wegen der Beschränkungen, zum anderen weil wir ohne wochenlange Proben gar nicht konzertfähig sind“, so Maaß.

„Wir sind ein Jugendorchester mit Musikern im Alter von elf bis 20 Jahren, für die Jüngeren ohne Konzerterfahrung ist das noch viel schwieriger.“
Christoph Maaß, Leiter der Knabenmusik

Probenpausen machen sich bei Musikern, insbesondere auch bei jungen Anfängern, sehr stark bemerkbar. „Wir sind ein Jugendorchester mit Musikern im Alter von elf bis 20 Jahren, für die Jüngeren ohne Konzerterfahrung ist das noch viel schwieriger.“ Auch der Abstand bei den wenigen Proben erschwere das Zusammenspiel. Je weiter auseinander man stehe, desto weniger höre man die anderen Register. „Wenn dann im Freien noch Wind dazukommt, dann wird der Klang regelrecht weggeweht“, so der Dirigent.

Immenser Aufwand durch Online-Unterricht

Auch der Online-Unterricht habe einen immensen Aufwand bedeutet. Zweitstimmen und Klavierbegleitung wurden aufgenommen, an die Schüler verschickt und mithilfe eines „guten deutschen Servers“ hätten sich die Verzögerungen per Konferenzportal in Grenzen gehalten. Glücklicherweise seien die Mitgliederzahlen stabil geblieben, auch wenn es nicht ganz so viele Neuzugänge wie in den Vorjahren gegeben habe.

Lina und Eva werben für die Knabenmusik Meersburg Video: Lorna Komm (lko)

„Aspiranten werden üblicherweise durch das erste eigene Konzert überzeugt, wenn das ganze Orchester erklingt, der Boden schwingt und jeden das Gefühl erreicht, ich bin Teil von diesem Klang“, erzählt Maaß. „Wir Musiker haben die Musik eben im Blut“, ergänzt er begeistert. Deswegen sei es auch für die demnächst aus Altersgründen Ausscheidenden so enttäuschend, dass das Jahr ohne letztes Konzert und ohne letzte Konzertreise ende.

Freundeskreis der Knabenmusik fehlen Einnahmen

Natürlich fehlen zudem die Einnahmen für den Freundeskreis der Knabenmusik durch die weggefallenen Konzerte oder den Weihnachtsmarkt. Ansonsten sei man als städtisches Orchester auch finanziell an die Gemeinde gebunden und allgemein sei nicht vorauszusehen, wie viel Geld die Kommunen im nächsten Jahr für die Kultur aufbringen können. In das nächste Jahr gehe das Orchester trotzdem mit positiven Gedanken. Der Konzertplan steht. „Ostermontag soll es das nächste Konzert geben und wir versuchen auch die Konzertreise nach Hohenstein dann stattfinden zu lassen“, so Maaß.

Das sagen Mitglieder des Orchesters über Mädchen in der Knabenmusik

Bild 1: Vor zwei Jahren waren zum ersten Mal Mädchen bei einem Auftritt der Knabenmusik dabei – „Mädchen im Orchester sind für uns alle zur Selbstverständlichkeit geworden“
Bild: Lorna Komm

Lina Dietrich, Klarinette: „Ich bin schon bei dem Adventskonzert 2018 dabei gewesen, als das erste Mal öffentlich Mädchen mit dem Orchester aufgetreten sind. Da ich mich von Anfang an gut aufgenommen gefühlt habe, hat sich für mich seitdem nicht viel verändert. Der größte Unterschied liegt für mich eigentlich darin, dass ich nun nicht mehr zu den Kleinen gehöre, sondern fester Bestandteil der Gruppe bin und mich nun wiederum um die neuen Kleinen kümmere. Ich helfe ihnen, sich einzufinden oder beim Notenkopieren. Dabei ist es egal, ob es sich bei den neuen Musikern um Jungs oder Mädchen handelt, genauso wie es egal ist, zu welchem Register sie gehören. Auch von Außenstehenden werde ich kaum noch darauf angesprochen, dass nun Mädchen zur Knabenmusik gehören, ganz selten ist das bei einigen älteren Menschen noch nicht angekommen.“

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Bild 2: Vor zwei Jahren waren zum ersten Mal Mädchen bei einem Auftritt der Knabenmusik dabei – „Mädchen im Orchester sind für uns alle zur Selbstverständlichkeit geworden“
Bild: Lorna Komm

Eva Jordan, Klarinette: „Ich war ebenfalls bei dem Adventskonzert 2018 schon mit dabei. Die meisten Menschen, denen ich erzähle, dass ich Mitglied in der Knabenmusik bin, wundern sich nicht über die Tatsache an sich, dass Mädchen mitspielen, sondern sie wundern sich darüber, dass die Knabenmusik trotzdem noch Knabenmusik heißt. Ich erkläre ihnen dann die Tradition und dass wir alle wollten, das der Name bestehen bleibt. Würden wir zum Beispiel Schlossorchester heißen, dann wüsste doch keiner mehr, welche Jahrzehnte lange Tradition hinter der Knabenmusik steckt. Für mich ist es alltäglich geworden, zusammen mit den Jungs auf der Bühne zu stehen. Wir sind zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen. Durch die längere Zugehörigkeit habe ich mehr Verantwortung für das Orchester übernommen. Im Vergleich zu früher eher eine Führungsrolle.“

Bild 3: Vor zwei Jahren waren zum ersten Mal Mädchen bei einem Auftritt der Knabenmusik dabei – „Mädchen im Orchester sind für uns alle zur Selbstverständlichkeit geworden“
Bild: Lorna Komm

Ulf Dreher, Schlagzeug: „Ich spiele seit gut sechs Jahren Schlagzeug bei der Knabenmusik, kenne also beide Zeiten, die ohne und die mit Mädchen. Die Mädchen sind ganz klar eine Bereicherung für die Knabenmusik. Es ist gut, dass sie da sind, ohne sie ginge es schon gar nicht mehr, dann würde ein großer Teil des Orchesters komplett wegfallen. Am Anfang war es schon etwas anders, aber wir sind schnell aufeinander zugegangen und haben was miteinander gemacht. Also nicht nur in der Musik, sondern auch privat und in der Schule. Das Klima in der Gruppe hat sich nicht verändert, es ist weiterhin lustig und man versteht sich gut. Schwer ist es zurzeit ohne die Proben. Klar sieht man sich in der Schule, aber es ist nicht das Gleiche. Musizieren schafft eine besondere Verbindung. Wir teilen nun mal alle das gleiche Hobby.“