Bevor die Lebensretter zur Tat schreiten können, braucht es ein Opfer: In hohem Bogen wirft Johannes Franck die kindgroße Übungspuppe vom Steg in den Schlosssee. Beängstigend echt wirkt es, als sie kopfunter an der Wasseroberfläche treibt, bis sie langsam im See versinkt und vom Ufer aus nicht mehr zu sehen ist. Der Vorsitzende der DLRG-Ortsgruppe Salem öffnet derweil einen kleinen Koffer und entnimmt ein handliches Gerät: „Das haben wir an Ostern bekommen“, erzählt er. Das Sonargerät kann mittels Künstlicher Intelligenz (KI) Personen unter Wasser erkennen und deren Standort auf einem Display anzeigen.

Im Wasser demonstriert Johannes Franck die Bedienung des „AquaEye“. Ruhig hält er das Gerät unter die Oberfläche und interpretiert daraufhin die Anzeige: „Ein Kreuz bedeutet einen wahrscheinlichen Fund“, erklärt er. Die KI schlage Alarm, wenn Dichte und Form einem menschlichen Körper entsprächen. Im Ernstfall würde nun ein zweiter Rettungsschwimmer ins Wasser gehen und mithilfe einer Messleine die angegebene Streckenlänge in die angezeigte Richtung schwimmen. „Das ist um einiges schneller als das alternative Vorgehen“, betont der Ortsgruppen-Vorsitzende.

Im Notfall zählt jede Sekunde
Bisher habe man im Vermisstenfall Personensuchketten bilden müssen, wofür es zum einen viele Menschen und zum anderen sehr viel Zeit brauche – Zeit, die man im Notfall oft nicht habe. Bei einem tatsächlichen Unfall zähle jedoch jede Sekunde. Außerdem gestalte sich das Absuchen des Seegrunds aufgrund des aufgewirbelten Schlamms oftmals als schwierig.
Drei Todesfälle in den vergangenen Jahren
Zwar komme es relativ häufig vor, dass sich der Verdacht glücklicherweise nicht bestätige, doch jedem Alarm müsse man nachgehen. So auch zweimal im vergangenen Jahr: „Dann rückt halt die Kavallerie an, mit Drohnen, Tauchern und so weiter“, meint Franck rückblickend. Doch er erinnert sich, dass es auch anders ausgehen kann: Drei Todesfälle habe es in den letzten zehn Jahren am Schlosssee gegeben. Der Rettungsschwimmer glaubt, dass das Gerät einen Unterschied hätte machen können. „Damit können wir viel effektiver eine große Fläche absuchen und dann zielgerichtet tauchen“, begründet er.

Dieses Gerät ließ sich die Ortsgruppe daher knapp 8000 Euro kosten. Nach dem Test des Sonars vor zwei Jahren habe man Fördermittel bei der Stiftung Wasserrettung und im Rahmen der Vereinsförderung der Gemeinde Salem beantragt. „Beide haben das genehmigt und daraufhin haben wir das Gerät beschafft“, so Franck. Nun gehe es an die Schulung der Rettungsschwimmer, doch der Vorsitzende versichert, dass die Bedienung relativ einfach sei. „Es ist auch zugänglich für die Feuerwehr und den Bademeister. Wenn wir nicht vor Ort sind, können sie es verwenden.“

Viel schneller als die Wasserrettung
Franck hofft durch die technische Unterstützung auf mehr Sicherheit für die Badegäste. Seine Strategie sieht vor, im Ernstfall von festen Punkten mit je 20 Metern Abstand auszusuchen. Bei besten Verhältnissen reiche das Sonargerät bis zu 50 Meter weit. „Wir können nicht hinter Kuppen schauen, aber im Flachwasserbereich geht das relativ gut“, schildert der Vorsitzende. So sei man auf jeden Fall viel schneller als die Wasserrettung, die im Ernstfall immer alarmiert wird. „Bis die Taucher da wären, dauert es 20 bis 30 Minuten“, hebt Franck hervor.
Durch das Sonargerät ist die Übungspuppe schnell gefunden, was ohne technische Hilfe auch im Probefall schon mal eine halbe Stunde dauere. So kann David Jung zielgerichtet die Unglücksstelle ansteuern und die leblose Person auf dem Rettungsboard ans Ufer bringen. Die wenigen Badegäste, die an dem Abend das 17 Grad kalte Wasser nicht scheuen, schauen interessiert zu. „Cool, wenn es tatsächlich hilft“, meint eine Schwimmerin zu der neuen Anschaffung.