Die kritischen Bürgerstimmen an den neuen Biodiversitätsflächen im Stadtbild verstummen nicht. Auch wenn sie derzeit schrittweise mit zahlreichen jungen Stauden bepflanzt werden, die hier künftig für blühende Kleinlandschaften sorgen sollen. „Gleichzeitig sollen sie dazu beitragen, das Insektensterben zu stoppen. Grund genug für Roland Leitner von der Abteilung Grünflächen der Stadtverwaltung, das Konzept noch einmal zu erläutern. Und an Beispielen die Entwicklung an Flächen aufzuzeigen, die schon länger umgestaltet und bepflanzt worden sind. Denn Schotter muss nicht Sünde sein.

Blüte vor dem Bauamt
Zwei Anlagen vor städtischen Gebäuden in der Bahnhofstraße sind für diese Gegenüberstellung gut geeignet. Vor der eigenen Haustür der Abteilung Grünflächen und Forst sieht alles noch grau und trostlos aus – vor dem Bauamt wenige Meter weiter tut sich bereits ein buntes Blütenmeer auf: Leuchtend rote Kartäusernelken, lila Flockenblumen und blaue Ackerwitwenblumen strecken sich hier dem Licht entgegen.
„Hier befand sich vorher eine intensive Rasenfläche, die über 15 Mal im Jahr gemäht wurde“, beschreibt Roland Leitner den Vorgarten des eigenen Büros. So ein dichter Rasenteppich ist gekennzeichnet von einem nährstoffreichen, fetten Boden. „Blütenpflanzen, die für Insekten besonders interessant sind, sind da einfach nicht konkurrenzfähig genug“, erklärt Leitner den Hintergrund. Selbst wenn man diese Blumen aussehen würde, könnten sie sich gegen das Gras nicht durchsetzen. „Diese Flächen sind deshalb sehr artenarm“, betont er. Und was für die Pflanzenvielfalt gilt, gilt auch für die Insekten, die auf Blütenpflanzen angewiesen sind.
Am Anfang steht die Abmagerungskur
„Deshalb haben wir hier einen Bodenaustausch vorgenommen“, erklärt der Verantwortliche für das Grün in der Stadt. Auch wer im eigenen Garten eine Blumenwiese anlegen wolle, müsse erst mal „abmagern, abmagern, abmagern“, betont Roland Leitner. Einfach den Rasen oberflächlich zu entfernen, reiche dabei nicht aus. Man müsse auch im eigenen Garten den guten Humus entfernen und Sand einarbeiten. „Sonst bekommt man nach einer Aussaat im ersten Jahr vielleicht Margeriten und etwas Klatschmohn.“ In den Folgejahren sei die Freude an den Blütenpflanzen schnell wieder vorbei.
„Was aussieht wie ein Steingarten, ist ein ganz nährstoffarmes Substrat, das wir mit geeigneten Stauden bepflanzen“, schildert Roland Leitner das Vorgehen. Eine große Hilfe sind dabei die Stadtverschönerer, die beim Bepflanzen unter fachlicher Aufsicht mitwirken. Wie das ein, zwei Jahre später aussehen kann, ist vor dem Bauamt an der Bahnhofstraße sichtbar, wo die ganze Blumenpracht bereits aufgeblüht ist.

Wichtig für die Insekten sind auch die Baumstämme, die in den abgemagerten Beeten wie vergessen herumliegen. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass hier – ähnlich einem Insektenhotel – mit der Bohrmaschine nicht nur Bruthöhlen mit unterschiedlichem Durchmesser für verschiedene Arten geschaffen wurden. „Damit die Insekten hier nicht ihre Flügel verletzen, sind die Kanten der Einfluglöcher noch abgerundet worden“, erklärt Leitner die Feinheiten. Für anderen Arten, die im Boden ihren Nachwuchs aufpäppeln, wurden zwischen Schotter und Stämmen zudem kleine Sandinseln angelegt. Diese Vielfalt an Lebensräumen ist Voraussetzung für einen wachsenden Artenreichtum.

Rinder, Schafe und goldene Heuschrecken
Doch es gibt noch weitere Standbeine für Biodiversität in der Stadt und um die Stadt herum. Dazu gehört die Umstellung größerer Grünflächen auf Mähwiesen, die nur zweimal pro Jahr geschnitten werden. Sie sind mit einer goldenen Heuschrecke markiert. Ebenfalls Bestandteil des Konzepts sind unter anderem Beweidungsprojekte mit Rindern, Schafen und Ziegen. Wie zum Beispiel bei den Lippertsreuter Weihern, am Haldenhof oder unterhalb des städtischen Museums. Auf naturschutzrelevanten Flächen schließe die Stadt auch Pflegeverträge mit Landwirten ab.