Das Ausrufezeichen hinter „Oberteuringen tanzt!“ stand wie ein Symbol für Schwung, Begeisterung und Motivation, mit dem Sozial- und Tanzpädagogin Daniela Endres das Tanzprojekt initiiert und begleitet und mit dem sie rund 60 Kinder, Frauen und zwei Männer angesteckt hat, darunter einige gehandicapte Mitwirkende.
Infiziert hat sie damit auch die vielen Zuschauer, von denen etliche die Aufführung an beiden Tagen miterlebt hatten und die auch mit reichlich Zwischenapplaus die großartige Leistung von Choreographin und Akteuren würdigten.

Apropos Farbe: Die Kostüme, rot auf der einen, schwarz auf der anderen Körperseite, betonten das Thema „trial & error“, (Versuch und Irrtum): Die getanzte Geschichte handelt vom Streben nach Glück, vom Versuch, Ziele zu erreichen und Überzeugungen zu leben (trial), und von der Erkenntnis, irgendwann eine falsche Richtung eingeschlagen zu haben (error).
Im Drang von Funktionieren, Perfektion, ohne Muße, die Voraussetzung von Entfaltung und Kreativität ist, braucht es einen Spiegel, der zeigt, wie es anders geht. Der zu neuem Versuch antreibt und vermittelt: Wage einen neuen Anlauf, ohne Angst erneut zu scheitern, sehe die Fehler als Chance zu begreifen, lernen und zu verändern. Dieser Spiegel sind die Kinderaugen.

Und das alles getanzt! Ein hoher Anspruch, den sich Daniela Endres gestellt hat und dem sie gerecht geworden ist. Dafür brauchte es einen langen Atem und viel, viel Arbeit: Ein Jahr habe Daniela Endres monatlich mit sieben Gruppen geprobt, so Bürgermeisster Ralf Meßmer, der allen Mitwirkenden dankte und die Einbindung von Gehandicapten hervorhob: „Oberteuringen steht für Vielfalt, wir treten ein für Inklusion. Jeder soll an unseren Angeboten teilnehmen und sich wohlfühlen. Es reicht nicht, einen Beschluss zu fassen, man muss ihn umsetzen.“

Dass die Aufführungen von Harmonie geprägt waren, wurde im Zusammenspiel der ungewöhnlichen, beeindruckenden Choreographie zeitgenössischen Tanzes mit Ballett-Elementen deutlich. Die überwiegend weiblichen Tänzerinnen wirbelten über die Bühne, drehten, wanden, beugten und streckten sich, hielten dann wieder inne, schubsten andere an, regulierten sich gegenseitig, lagen still.
Die detailliert ausgefeilten Szenen, mal in Einheit aller anmutigen Tänzerinnen präsentiert, mal in kleine Orte des Geschehens dividiert, punktgenau im Takt, erzählten die Geschichte, die durch die Menschen mit Assistenzbedarf noch an Humor dazugewann. Ihre Auftritte wurden wild beklatscht und mit Lachen und liebevollem Lächeln begleitet. Es machte Spaß zuzusehen, mit welcher Freude alle zur teils dramatischen Musik agierten.

Zweimal Spaß hatte Markus Knisel, der an beiden Tagen Zuschauer war und der alle Mitwirkenden – auch die hinter der Bühne – im Nachgang zum Essen einlädt, „damit niemand zu kurz kommt und sie nochmals ein Zusammensien genießen können“.

„Das war viel Arbeit, allein die verschiedenen Altersgruppen zusammenzubringen, die Mischung aus Kindern und Erwachsenen. Sehr erfrischend war, dass die Gehandicapten mit einbezogen waren“, meinte Heike Rölle aus Ahausen, die wegen ihrer Cousine Daniela Endres vor Ort war. Das Lernen der Choreographie hat der neunjährigen Tänzerin Luisa besonderen Spaß gemacht. Lange wurde dafür geübt und bei der ersten Aufführung hatte sie auch Lampenfieber. „Aber wenn man einmal getanzt hat, geht das weg.“

Daniela Endres hatte auch die selbstauferlegte Hürde Inklusion zu nehmen. Regelmäßig hatte sie mit acht Bewohnern des Integrierten Wohnens getanzt „und geschaut, wer hält den Stress aus und kommt mit den Lichtreizen klar, was für Epileptiker schwierig ist“. Ein Anspruch auch die Konfrontation mit den anderen Tänzern. Ein Mädchen habe sagt, dass sie immer Angst vor den Menschen mit Handicap hatte. Sie kam zum Schluss: „Die sind ja ganz lustig.“ So wurden schon mal innerhalb des Ensembles Ressentiments und Furcht abgebaut.
Es soll nicht das letzte Tanzprojekt gewesen sein, verspricht Daniela Endres. „Ich muss jetzt überlegen, will ich mehr Gas geben?“ sagt sie und macht das auch von ihren zwei kleinen Kindern abhängig. „Aber ich bin nicht abgeneigt, zumal es im ländlichen Raum kaum vergleichbare Angebote gibt.“
Das Projekt
Aus einer Anfrage nach Räumen zum Tanzen entstand im Gespräch zwischen Daniela Endres und der Inklusionsbeauftragten Annika Taube das Tanzprojekt mit Einbindung von Menschen mit Handicap. Aus einem angedachten 20 Minuten-Auftritt beim „Teuringer Herbst“ wurde ein eigenständiger Termin mit zwei Vorstellungen. (keu)