Huch, was blitzt denn da an den Füßen der Kinder der Grundschule Teuringer Tal hervor? Haben die Kinder beim morgendlichen Anziehen etwa nicht richtig aufgepasst? „Die Kinder tragen anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tags unterschiedliche Socken“, erklärt die Lehrerin Verena Schur. Mit der Socken-Aktion soll für Menschen mit Down-Syndrom sensibilisiert werden, nach dem Motto: Alle Menschen sind unterschiedlich – und so sollen es auch die Socken an diesem Tag sein.

Doch in der Teuringer-Tal-Schule wird nicht nur einmal im Jahr die Vielfalt gefeiert – sie wird tagtäglich gelebt. In der Grundschule lernen beeinträchtigte Kinder gemeinsam mit Regelschulkindern.

Rund 200 Kinder besuchen die Teuringer-Tal-Schule.
Rund 200 Kinder besuchen die Teuringer-Tal-Schule. | Bild: Kley, Denise

Das Problem

Doch der Weg dahin ist nicht einfach, wie Schulleiterin Julie Adam erklärt. Denn Kinder mit Handicap brauchen, je nach Schweregrad der Beeinträchtigung, einen eigenen Betreuer und Sonderpädagogen, der während des Unterrichts auf Abruf bereitsteht, damit die Lehrkräfte nicht überfordert werden. „Damit man flächendeckend inklusiven Unterricht anbieten kann, braucht es schlichtweg mehr personelle und finanzielle Ressourcen“, so Adam.

Die Schulleiterin Julie Adam.
Die Schulleiterin Julie Adam. | Bild: Kley, Denise

Hinzu komme die Skepsis der Eltern und Lehrkräfte. „Als die inklusive Klasse erstmals vorgestellt wurde, waren die Eltern unsicher. Einige hatten Angst, dass ihr Kind in der Klasse zu kurz kommt, der Fokus der Lehrkräfte großteils auf den inklusiven Schülern liegt und die Leistungsunterschiede zu groß sind. Ich musste ordentlich Kritik einstecken.“ Auch die Lehrkräfte waren teils überfordert. „Im Kollegium schwirrten große Fragezeichen umher: Wie sollen wir ein Kind mit geistiger Beeinträchtigung in einer Regelklasse mitführen? Wie sollen wir das stemmen? Können wir jedem Kind gerecht werden?“

Die Idee

Aus diesen Sorgen heraus hat die Grundschule gemeinsam mit der sonderpädagogischen Tannenhag-Schule in Eigenregie und nach Absprache mit dem Schulamt ein kooperatives Konzept erarbeitet: Fünf inklusive Schüler der Tannenhag-Schule sollen gemeinsam mit einem Sonderpädagogen der Tannenhag-Schule und den jeweiligen Betreuern der beeinträchtigten Kinder die Teuringer Tal Schule besuchen. Das ist insofern ein neuer Ansatz, da bei einem Großteil der Grundschulen, die inklusiven Unterricht anbieten, die beeinträchtigten Schüler in einer separaten und räumlich getrennten Klasse unterrichtet werden. „Davon halte ich aber nicht viel, denn wirkliche Inklusion findet dadurch nicht statt“, sagt Adams.

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Die Umsetzung

Ein Blick in den Unterricht: An Gruppentischen sitzen die Kinder zusammen und malen ein Zebra aus. In der Klasse F5 sind fünf Kinder mit Down-Syndrom oder einer geistigen Beeinträchtigung. Abgesehen vom Mathematik- und Deutsch-Unterricht finden alle Unterrichtsstunden gemeinsam statt. Der Alltag sei harmonisch, die Kinder arbeiten zusammen und unterstützen sich gegenseitig, wie die Klassenlehrerin Silke Richter erzählt.

Ein Blick ins Klassenzimmer einer inklusiven Gruppe. Fünf inklusive Kinder werden dort gemeinsam mit Kindern ohne Beeinträchtigung ...
Ein Blick ins Klassenzimmer einer inklusiven Gruppe. Fünf inklusive Kinder werden dort gemeinsam mit Kindern ohne Beeinträchtigung unterrichtet. | Bild: Kley, Denise

„Am Anfang war die Begegnung befremdlich. Doch mittlerweile sind die fünf Kinder vollends im Klassenverbund angekommen.“ Auch Adam, die den Schulchor leitet, kann nur Positives berichten. „Die Kinder legen im Umgang mit ihren beeinträchtigten Mitschülern eine unglaubliche Sensibilität an den Tag. Die Kinder nehmen Rücksicht auf ihre Mitschüler mit Handicap, sind ruhig und ausgeglichen. Das soziale Miteinander der Kinder ist vorbildlich.“ Der Sonderpädagoge Robert Meier ist immer im Unterricht mit dabei und kümmert sich um die fünf Kinder, wenn diese unruhig werden oder dem Unterricht nicht mehr folgen können oder möchten. Neben dem regulären Klassenzimmer wurde ein weiteres Klassenzimmer eingerichtet – als Rückzugsort für die Inklusionskinder, wenn es ihnen doch mal zu laut und zu viel mit ihren Klassenkameraden wird.

Das Fazit

In der Klasse ist man sich einig: Die neuen Mitschüler sind eine Bereicherung für die Klasse. So sieht es auch die siebenjährige Charlotte. Sie sagt: „Ich finde es toll, dass Kinder mit Behinderung bei uns in der Klasse sind, hier alles lernen können und Hilfe von uns allen bekommen.“ Auch Adam berichtet, dass die anfängliche Skepsis der Lehrkräfte und der Eltern der Vergangenheit angehöre. „Einige Eltern haben bereits darum gebeten, ihr Regelkind im neuen Schuljahr in der inklusiven Klasse zu unterrichten.“