Vor 31 Jahren hatte sich der Owinger Agraringenieur Rolf Gihr gemeinsam mit dem Baumexperten Jorge Keller selbstständig gemacht. Mit ihrer Erfahrung und Expertise gewannen beide schnell einen großen Kundenstamm und längst ist ihre Linzgau-Baumschule zu einer Institution in der Region geworden. Quasi als Nahversorger für die Mitbürger und als Kompetenzzentrum für die ganze Umgebung. „Wir haben alles für das private Grün“, formuliert es Rolf Gihr gerne: „Außer Hollywoodschaukeln.“

Nein, Gihr und Keller wollen hier keinen Schnickschnack loswerden, sondern die Hobbygärtner gut beraten. Das spiegeln auch die Fachvorträge zu verschiedenen Schwerpunktthemen wider. Einige Jahre lang war das Betriebsgebäude zu einem außergewöhnlichen Veranstaltungsort für die Owinger „Kultur im Glashaus“ geworden. Doch völlig unerwartet sieht sich der Betrieb vor dem Aus. Was nahezu alle Owinger wundert, dahinter verbirgt sich eine längere Geschichte, deren bis dato unglückliches Ende sich am 14. Juni im Owinger Rathaus zutrug.

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Es begann damit, dass Rolf Gihr (59) und Jorge Keller (65) ihren kontrollierten Übergang in den Ruhestand planten. Den mühsam aufgebauten Betrieb wollten sie in den kommenden Jahren in qualifizierte Hände übergeben und quasi ihr Erbe gut gepflegt wissen. Schließlich bietet es rund zehn Mitarbeitern einen festen Arbeitsplatz. Rolf Gihr versteht die Welt nicht mehr und wandte sich mit seiner Geschichte an den SÜDKURIER.

Betriebsgründung am 1. Januar 1991

Nach der Gründung des Betriebs am 1. Januar 1991 auf einer Pachtfläche an der Kreuzung der Landesstraße und der Kreisstraße in Richtung Billafingen konnten die Inhaber 1997 einen Teil der Fläche kaufen, auf dem heute als Blickfang das große Glashaus mit der Floristik und den Topfpflanzen für die Wohnung steht. Der größte Teil der Ausstellungs- und Anzuchtflächen drumherum blieb in einem Pachtverhältnis, ist aber für eine wirtschaftliche Betriebsführung unerlässlich.

„Ohne diese Ausstellungsflächen im Außenbereich kann der Betrieb nicht fortbestehen“: Rolf Gihr inmitten seiner Gartenpflanzen.
„Ohne diese Ausstellungsflächen im Außenbereich kann der Betrieb nicht fortbestehen“: Rolf Gihr inmitten seiner Gartenpflanzen. | Bild: Hanspeter Walter

Gute Voraussetzungen im Grunde für die möglichen Nachfolger aus Tuttlingen, die sich ernsthaft für eine Übernahme der Linzgau-Baumschule interessieren. Einen Teil der Pachtflächen beim Glashaus hätten die neuen Nutzer als Sicherheit für eine Finanzierung gerne erworben. Die unmittelbar angrenzende Eigentümergemeinschaft wollte zwar ihre Flächen nicht verkaufen, erinnert sich Gihr, schien aber zu einem zielführenden Grundstückstausch bereit.

Es waren schon einige Monate bis zu diesem greifbaren Ergebnis ins Land gegangen, als alle Beteiligten im Owinger Rathaus im Beisein von Bürgermeister Henrik Wengert einen Knopf an die Sache machen wollten. „Zumindest schien es so“, erinnert sich Rolf Gihr noch genau an jenen Tag. „Alles schien nur noch Formsache.“ Doch die Angelegenheit nahm eine überraschende Wendung. „Auch Bürgermeister Henrik Wengert war völlig überrascht“, sagt der Inhaber der Linzgau-Baumschule: „Die Eigentümergemeinschaft machte plötzlich einen Rückzieher. Sie sei weder zu einem Grundstückstausch noch zu einem Verkauf bereit.“ Eine Begründung dafür habe er trotz mehrerer Anfragen nicht bekommen.

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Wengert: Teil der Infrastruktur im Ort

Auf Nachfrage bestätigt Bürgermeister Henrik Wengert, dass er den Beteiligten eine Art „Vermittlungsgespräch“ im Rathaus angeboten und geführt habe, das allerdings ohne das erhoffte Ergebnis geblieben sei. Partei ergreifen will Wengert keinesfalls. Dennoch wäre ihm daran gelegen, dass es hier zu einer konstruktiven Lösung kommen würde. „Das wäre sicher im Sinne vieler Owinger“, erklärt der Bürgermeister. „Denn die Linzgau-Baumschule ist in der Tat zu einem geschätzten Teil der Infrastruktur im Ort geworden.“

Eine Stellungnahme wollte die Eigentümergemeinschaft zu der Situation nicht abgeben. „Die Differenzen zwischen der Firma Linzgau Baumschule Keller & Gihr und unserer Familie sind eine private Angelegenheit“, erklären die Grundstückseigentümer: „Daher möchten wir uns zu diesem Sachverhalt nicht äußern. Sollten Dinge an die Öffentlichkeit gelangen, die nicht den Tatsachen entsprechen, werden wir rechtlich dagegen vorgehen.“