Ein Blick in ein aktuelles Youtube-Video: Sting und sein Kumpel Shaggy kommen in der U-Bahn in New York auf die Idee, ihre Lieder zu singen. Was ein spontanes Konzert eines Superstars hätte werden können, entwickelt sich zum Desaster: die anwesenden Fahrgäste wollen den Musikern auf keinen Fall zuhören; es kommt zu unschönen Wortgefechten und Handgreiflichkeiten, dann geben Sting und Shaggy endlich Ruhe.
Die Szene ist natürlich selbstironisch inszeniert, denn nichts könnte weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. Sting ist ein Publikumsmagnet und Garant für ausverkaufte Großveranstaltungen. So auch in Salem, wo es seit Monaten keine Tickets mehr für das Open Air am Montagabend gab. Anfänglich kommunizierte der Veranstalter noch nicht, dass Sting sich nicht als Solokünstler, sondern als Teil eines Duetts mit Shaggy die Ehre geben würde.

Anfahrt klappt verhältnismäßig gut
Die sommerliche Konzertreihe in Salem ist berüchtigt aufgrund ihrer Logistik, die in der Vergangenheit schon zu chaotischen Verkehrssituationen geführt hatte. Davon war am Montag vor 18 Uhr zunächst wenig zu merken, obgleich die meisten der ausgeschilderten Parkplätze um das Schloss schon voll belegt waren und der Verkehr merklich dichter wurde. Bei strahlendem Sonnenschein herrschte außerhalb des Konzertgeländes entspannte Picknickatmosphäre. Unter Bäumen auf Decken lagerten zahlreiche Konzertbesucher, im Biergarten des Lokals „Schwanen“ war kein Platz mehr zu bekommen.

Sting-Konzert 2011 verpasst
Schwierigkeiten mit der Anreise hatte Stephanie Rauchenecker nicht: Sie war mit dem Fahrrad gekommen. In fünf Minuten ist das Konzertgelände von ihrem Haus in Mimmenhausen aus zu erreichen. Ihre Kinder blieben bei ihrem Mann zu Hause, der einen rockigeren Musikgeschmack pflegt, wie Stephanie Rauchenecker schmunzelnd erzählt. Das erste Konzert von Sting in Salem 2011 hatte sie knapp verpasst. Kurz danach zog sie nach Salem-Mimmenhausen. „Ich sagte immer, wenn Sting noch einmal nach Salem käme, dann wäre ich sofort dabei. Und tatsächlich ist es jetzt passiert", sagt sie. "Sting begleitet mich seit meinem 18. Lebensjahr. Als ich als Au pair in London arbeitete und der Kalte Krieg noch im Gange war, spiegelte sein Song 'I hope the russians love their children too' die damalige Situation auf berührende Weise. Damals habe ich Sting für mich entdeckt und finde seither immer neue tolle Songs, wie 'Fields of gold', die mich durch ihre Lyrik ansprechen. Er ist auch politisch immer noch ständig am Puls der Zeit. Dazu fällt mir zum Beispiel Stings Song 'Inshallah' ein, das die Flüchtlingssituation auf dem Mittelmeer auf bewegende Weise thematisiert.“

Andreas Falz steht mit seiner Frau Adelheid vor dem Einlass. Bis Ende des vergangenen Jahres war er Geschäftsführer der "Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg". Als solcher erlebte er das erste Konzert von Sting in Salem 2011. „Es war unter vielen Open Airs das vermutlich beste Konzert, das ich je gesehen habe“, berichtet er. Ehrensache, dass er für das heutige Event nach Salem zurückkehrt.

Christine Ewel-Weber aus Mengen berichtet: „Wir haben uns früher oft in einem halb verfallenen Weltkriegsbunker getroffen. Jemand hatte immer einen Ghettoblaster dabei. Sting und The Police liefen da ganz oft. Besonders gerne erinnere ich mich an den Song 'Every breath you take'.“

Denise Heinrich, Klaus Ewel und ihr Hund "Biene" sitzen vor einem Camper in der Nähe des Einlasses. „Wir haben uns diesen Logenplatz schon heute früh gesichert. Nachher gehen wir natürlich rein. Wir haben das Konzert mit einer Donautour verbunden, wo wir fischen waren. Sting habe ich in meiner Jugend einmal in den USA gesehen.“

Bald bleibt niemand mehr sitzen
Oliver Stehle aus Überlingen bekam die Konzertkarte zu Weihnachten von seiner Frau Nicole geschenkt, die ihn auch zum Event begleitet. „Sting ohne Shaggy wäre mir noch lieber gewesen. Das war ja so zuerst nicht angekündigt. Ich freue mich vor allem auf die Police-Songs. Mit meiner Band 'The Bite' streuen wir bei Auftritten auch manchmal 'Roxanne' ein, das ist immer ein Garant für Party. Mein eigentliches Lieblingsstück ist allerdings 'Fields of gold'.“

Auf dem Konzertgelände fällt auf, dass es weitläufig bestuhlt ist. Die Stehplätze befinden sich überwiegend in großen Abständen zur Bühne. Keinerlei Getränke durften mit auf das Gelände gebracht werden, was, verbunden mit den warmen Temperaturen, zu langen Schlangen vor den Getränkeständen sorgt. Auch sonst sind die Zugangsbestimmungen äußerst restriktiv, keine Tasche über A4-Größe sollte erlaubt sein. Das Sicherheitspersonal handhabt die Bestimmungen allerdings relativ großzügig.
"Killig Jane" früher auf der Bühne, Sting und Shaggy auch
Der Support-Act 'Killing Jane' beginnt eine Viertelstunde früher als angekündigt um 19.45 Uhr und auch Sting betritt mit Shaggy entgegen der Ankündigung bereits um 20.45 Uhr die Bühne. Ein Blick auf das Areal zeigt bald: die Sitzplätze sind nicht mehr zu erkennen, die Besucher haben sich erhoben, um das Konzert im Stehen zu genießen. Spätestens bei "So lonely" brechen dann alle Dämme und der Bereich vor den VIP-Sitzplätzen direkt vor der Bühne füllt sich mit tanzenden Besuchern, von denen nicht alle die dafür nötige Zugangserlaubnis haben.
Nach dem zweistündigen Konzert sind die Meinungen einhellig: „großartig“, „hammergeil“, „auch als Duett überzeugend“ und „Wahnsinn“ sind einige der zahlreichen Kommentare der Festbesucher, die ihren Autos zustreben. Und da ist es dann auch: das erwartete Verkehrschaos.