Peter Schober

Er ist eine kunsthistorische Perle – der Prunkkachelofen im ehemaligen Sommerrefektorium der Zisterziensermönche, das heute von der evangelischen Kirchengemeinde als Betsaal genutzt wird. Er ist aber viel mehr als ein ästhetisches Schmuckstück, als das der aus dem Jahr 1733 stammende Kachelofen von den Besuchern von Kloster und Schloss Salem als Ganzes wahrgenommen wird. Sein tieferer Reiz liegt im Detail, sprich in den 119 Bildkacheln.

Blick in Weltbild der Zisterziensermönche

Sie verraten etwas vom Weltbild der Zisterziensermönche im Schnittpunkt von Glaube, biblischem Geschehen und mönchischem Leben. Der Salemer Emblematikforscher Robert Honstetter hat diese Botschaften in einem schon im Jahr 2014 veröffentlichen Buch mit dem Titel „Der Salemer Barockofen und sein Zisterzienser-Kosmos“ entschlüsselt. Jetzt wurde sein über 100-seitiges Werk von der Heimatforschung Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Errichtet wurde der Kachelofen 1733, in der Zeit von dem aus Mimmenhausen stammenden Abt Konstantin Miller (1725 bis 1745). Dessen ...
Errichtet wurde der Kachelofen 1733, in der Zeit von dem aus Mimmenhausen stammenden Abt Konstantin Miller (1725 bis 1745). Dessen Abtswappen ist in der Ofenkuppel abgebildet. | Bild: Peter Schober

Pensionierter Studiendirektor erforscht Embleme

Die Erforschung von Emblemen, die als historische Kunstform gelten, ist nicht das angestammte berufliche Metier von Robert Honstetter. Der pensionierte Studiendirektor hat am Markdorfer Gymnasium Französisch, Spanisch und Latein unterrichtet. Zur Emblematikforschung ist er, wie er sagt, wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Eine Schülerin hatte ihn, nachdem sie den Salemer Kachelofen bei einer Klosterführung besichtigt hatte, gebeten, ihr die lateinischen Sinnsprüche zu übersetzen, die sie auf einigen Bildkacheln entdeckt hatte. Als er sich daran machte, wurde ihm klar: „Die bloße Übersetzung, die nützt nix.“

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Die Sinnsprüche müssen in einem Zusammenhang mit den darunter befindlichen Bildern, den rätselhaft gestalten Emblemen, stehen, und sie sind auch nur in deren Kontext zu verstehen. Also machte sich der Studiendirektor a.D. daran, die Emblematik des Barock zu erforschen. Er wälzte Emblembücher aus der Barockzeit, in denen Hunderte von Emblemen aufgelistet sind. Einige sind auch Bestandteil der Salemer Klosterbibliothek. Oft aber sind die Emblemkataloge, wie Robert Honstetter feststellen musste, sehr schmucklos aufgemacht oder enthalten nur sehr dürftige Strichzeichnungen. Für den Autor des jetzt ausgezeichneten Buches „Der Salemer Barockofen und sein Zisterzienser-Kosmos“ gab es also noch eine Menge zu recherchieren und zu analysieren.

Das tat Robert Honstetter mit Leidenschaft. „Die Emblematik hat mich fasziniert, umgetrieben und angetrieben“, erzählt er. Innerhalb nur eines Jahres hat er nach seiner Pensionierung den Salemer Kachelofen erforscht und seine Erkenntnisse niedergeschrieben. „Bis dahin war der Kachelofen nicht erforscht“, schätzt Schlossverwalterin Birgit Rückert Honstetters Werk. Und er selbst kommt schnell ins Schwärmen, wenn seine erklärenden Finger die 4,25 Meter vom Sockel des Ofens bis zu dessen Spitze schweifen.

Textbanderole und Bild ergänzen sich zu einer kryptischen Botschaft. Linkes Bild: Quocumque sequar (überall werde ich folgen – ...
Textbanderole und Bild ergänzen sich zu einer kryptischen Botschaft. Linkes Bild: Quocumque sequar (überall werde ich folgen – eine Sequenz aus der Bergpredigt). Im Zusammenhang mit der Sonnenblume, die dem Licht der Sonne folgt, heißt die Botschaft: Meister, ich will dir folgen, wohin du auch gehst. | Bild: Peter Schober

Darstellungen unterstreichen Motto „Ora et labora“

Die Ofenkacheln haben verschiedene Größen und gliedern sich in unterschiedliche Themenkreise. Die größten Kacheln (circa 40 mal 50 Zentimeter) stellen Szenen aus dem Alten Testament dar. Eine weitere Gruppe von Kacheln, die als waagrechte Friese in den Ofen eingebaut sind, zeugen vom klösterlichen Arbeitsalltag: Mönche und Konversen bei Feld- und Gartenarbeiten, im Weinbau, beim Viehhüten oder beim Küchendienst. Mit diesen Darstellungen wird das Motto der Zisterzienser „Ora et labora“ (Bete und arbeite) unterstrichen. Eine dritte Kachelgattung widmet sich dem Leben außerhalb des Klosters. Hier fährt eine Lädine über den See, dort hält ein Händler seine Waren feil, oder ein einsamer Wanderer geht seines Weges. All diese Bildkacheln sind, frei von Symbolik, relativ leicht zu verstehen.

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Anders sieht es mit der vierten Kachelkathegorie aus: den Emblemen. Diese Miniaturen mit ihren mysteriösen lateinischen Textbanderolen bergen verschlüsselte Botschaften. „Das Emblem war ein modischer Code des Barock“, erklärt Robert Honstetter und fügt hinzu: „Die gebildeten Mönche aber waren Meister im Knacken solcher Codes.“ Durch seine intensive Beschäftigung mit Emblemata ist der pensionierte Studiendirektor nun selbst zum Meister ihrer Entschlüsselung geworden.

Rechtes Bild: Paratus omnia (zu allem gerüstet). Darunter das Bild eines kindlichen Engels, der eine Fahne trägt, die ihn weit überragt ...
Rechtes Bild: Paratus omnia (zu allem gerüstet). Darunter das Bild eines kindlichen Engels, der eine Fahne trägt, die ihn weit überragt und im Wind dem Engel alle Kraft abverlangt, um standhaft zu bleiben. Die Botschaft: Wie die Fahne nach dem Wind, so richtet sich der Mönch allein nach dem Willen Gottes. | Bild: Peter Schober
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