In einer eiskalten Märznacht verscharren dunkle Gestalten im Kloster Salem heimlich die Leiche eines Mönchs. Man schreibt das Jahr 1453, doch der so schnöde bestattete Bruder Thomas wird keine Ruhe finden und noch im 21. Jahrhundert in Salem herumspuken. So beginnt der spannende Krimi "Das Geheimnis von Salem" von Schlossverwalterin Birgit Rückert, den die Autorin im Torkel des Schlosses vorstellt. Das Gepolter, das die zahlreichen Zuhörer – darunter die markgräfliche Familie inklusive Dackel – ab und zu über ihren Köpfen hören, stammt aber wohl nicht von einem Geist, sondern eher von Internatsschülern. Dennoch ist der Ort für die Präsentation des im Gmeiner-Verlag erschienenen Buchs ideal gewählt: Ertrank jener Thomas doch in einem Weinfass, gleichzeitig verschwand ein kostbares Reliquiar.
Eine Woche, nachdem Rückert ihr Manuskript an den Verlag geschickt hatte, erhielt sie eine Zusage. Kein Wunder: Geschickt verstrickt sie in ihrem Krimi-Erstling Fakten und Fiktion. Neben profunder Sachkenntnis verfügt Rückert auch über großes Schreibtalent. Ihre Geschichte spielt auf mehreren Zeitebenen, im 15. Jahrhundert sowie der Gegenwart. Für beide Epochen findet Rückert die richtige Sprache – im Unterschied zu vielen geschichtlichen Romanen, wo, vor allem in Dialogen, oft entweder ein zu moderner Ton stört oder eine bemüht historisierende Ausdrucksweise den Lesefluss hemmt.
Die Themen liegen in Salem mit seiner rund 900-jährigen Geschichte natürlich quasi vor der Klosterpforte. So soll im 15. Jahrhundert tatsächlich ein Mönch in einem Weinfass ertrunken sein, eine Geschichte, die in Reimform im 19. Jahrhundert auch Eingang ins "Badische Sagenbuch" fand. Rückert wollte darüber seit Langem ein Buch schreiben. Zupass kam ihr dabei, dass das 15. Jahrhundert sowohl eine Ära des Umbruchs als auch eine Blütezeit für Salem war und jede Menge Material zu bieten hat. So war im Jahr 1485 tatsächlich Kaiser Friedrich III. im Kloster zu Gast. Und dieser hohe Besuch liefert den Dreh- und Angelpunkt für Rückerts Roman.
Abt Johannes Stantenat betraut den jungen Leiter des Skriptoriums, Johannes Scharpfer, mit den Vorbereitungen. Gleichzeitig wird im Weinkeller die Leiche eines jungen Mönchs aufgefunden und der alte, sterbende Kellermeister macht Scharpfer ein Geständnis über einen früheren Todesfall. Dieses führt dazu, dass der junge Johannes versucht, diesen aufzuklären sowie den damals verschwundenen Schatz wiederzufinden. Dabei hilft ihm die Überlinger Patriziertochter Magdalena Reichlin von Meldegg.
Stantenat und Scharpfer, der später selbst Abt wurde, sind historische Figuren. Scharpfer stammte aus Mimmenhausen und war der Sohn abhängiger Bauern. Auf einem Gemälde für die Marienkapelle Pfullendorf, das Rückert ihren Zuhörern zeigt, ist er als Stifter abgebildet. Scharpfers Biografie ist an sich schon interessant, ebenso wie andere historische Details, die Rückert elegant in ihren Roman einbaut. Etwa die Tatsache, dass – anders als etwa in Umberto Ecos "Name der Rose" suggeriert – größere Bibliotheken erst im 15. Jahrhundert entstanden, auch in Klöstern. Und wahrscheinlich hatte der weit gereiste Überlinger Patrizier Andreas Reichlin von Meldegg, der als Leibarzt sowohl Papst und Kaiser als auch dem Salemer Abt diente, damals mehr Bücher als Kloster Salem.
Reichlin von Meldegg ist im Salemer Münster bestattet und auch sein Grab spielt in Rückerts Roman eine wichtige Rolle – sowie natürlich der Wein, der einst mittels mächtiger Torkeln gekeltert wurde. Vor so einer historischen Weinpresse sitzen nun die Zuhörer – und sie können während der Lesung auch ein Viertele markgräflichen Weins schlotzen, etwa einen Spätburgunder, der im Salem-Krimi gleich mehrere süffige Auftritte hat.

Birgit Rückert, "Das Geheimnis von Salem", Gmeiner-Verlag, 345 Seiten, 15 Euro.
Zur Person
Birgit Rückert wuchs in der Nähe von Regensburg auf. Die promovierte Archäologin beschäftigte sich in ihrem Fachgebiet, das sie auch auf mehrere Grabungskampagnen ins Ausland führte, vor allem mit der Antike. Für Geschichte interessierte sich Rückert von Kindesbeinen an. "Ich habe schon mit sieben Burgen ausgegraben", erzählte sie dem SÜDKURIER 2003. In jenem Jahr kam sie nach Salem, damals als neue Chefin der Salemer Kultur und Freizeit GmbH im Dienst des Hauses Baden. Davor arbeitete sie an der Universität Tübingen und für eine PR-Agentur. Seit 2010 verwaltet Rückert Salem sowie das Neue Schloss Meersburg und den Hohentwiel für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Sie hat zwei erwachsene Töchter, ihr Mann ist ebenfalls Archäologe. (flo)
"Fühle mich inspiriert, weiterzumachen"
Birgit Rückert über die Recherche für ihr Buch, digitalisierte Quellen und eine mögliche Fortsetzung.
Wie lange haben Sie an dem Buch geschrieben?
Fünf Jahre – mit Unterbrechungen.
Haben Sie dafür noch viel recherchiert – oder wussten Sie als Schlossverwalterin schon alles?
Oh, ich habe schon recherchiert. Ich bin auch immer im Austausch mit Ulrich Knapp (dem Kunsthistoriker, der ein umfassendes Werk zur ehemaligen Zisterzienserabtei Salem verfasst hat). Er ist heute auch da. Sehr hilfreich ist, dass inzwischen viele Quellen digitalisiert sind, das erleichtert die Arbeit enorm.
Wer hat Ihr Buch zuerst gelesen?
Meine Tochter Cornelia, die hier aufgewachsen ist und Salem sehr gut kennt.
Wird es eine Fortsetzung geben? Auf der letzten Seite wird so etwas ja angedeutet.
Wenn ich Zeit habe. Ich fühle mich aber schon inspiriert, weiterzumachen. Das Interesse daran scheint auch da zu sein.