Coronabedingt fand die öffentliche Vorstellung der Bewerber, die bei der Bürgermeisterwahl am 27. September antreten, am Mittwochabend unter besonderen Vorkehrungen statt. Um die vorgeschriebenen Abstände unter den Zuhörern einhalten zu können, wurden die Plätze in der Sporthalle am Bildungszentrum auf 280 limitiert. 60 davon blieben frei. Das überschaubare Interesse an der Veranstaltung mag zum einen daran gelegen haben, dass die Kandidatenvorstellung auf der Homepage der Gemeinde auch per Internet zuhause verfolgt werden konnte. Nach Auskunft des für die Technik zuständigen Stefan Burgenmeister waren während des Livestreams der Kandidatenvorstellung 640 Zuschauer eingeloggt. Er ist noch bis zum Wahlabend abrufbar. Zum anderen mag für das relativ geringe Präsenzinteresse auch eine Rolle gespielt haben, dass auf Beschluss des Wahlausschusses nach der Vorstellung keine Fragerunde stattfand. Im Dialog zu erleben sind die Kandidaten am Dienstag, 22. September, ab 19 Uhr, beim SÜDKURIER-Podium in der Schule Schloss Salem. Die Veranstaltung ist ausgebucht, die Debatte wird im Internet live gestreamt.
Birgit Baur lag beim Beifall knapp vorne
Die Kandidaten hatten eine Redezeit von je 20 Minuten. Die Reihenfolge richtete sich nach der Abgabe der Bewerbungen. Demnach war Amtsinhaber Manfred Härle als erster an der Reihe, es folgten die Diplom-Betriebswirtin Birgit Baur aus Salem-Mimmenhausen und der Wirtschaftsingenieur Roland Martin aus dem bayrischen Epfach. Alle drei Bewerber schöpften ihre zugestandene Redezeit voll aus. Wer den Applaus jeweils mitstoppte, kam bei Manfred Härle auf 25 Sekunden Beifall, bei Birgit Baur waren es 28 und bei Roland Martin endete das Klatschen nach 19 Sekunden.
Kommentierende Bemerkungen der Moderatorin
Moderiert wurde die Veranstaltung von Bürgermeisterstellvertreterin Petra Karg, Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses. Das Bürgermeisteramt in Baden-Württemberg sei mit einer beachtlichen Machtfülle ausgestattet, sagte sie einleitend zur Bedeutung einer Bürgermeisterwahl. Ungewöhnlich war, dass sie zu allen Kandidaten vor deren Vorstellungsrede kommentierende Bemerkungen zu deren Zielsetzungen abgab.

Amtsinhaber Manfred Härle:
„Erreichtes nun weiterentwicklen“
Manfred Härle begann seine Vorstellungsrede mit einer Reminiszenz an seine erste Kandidatur vor 16 Jahren. Damals sei er angetreten mit dem Slogan: Frischer Wind, neue Ideen und kreative Lösungen. Nun gelte es, Bilanz zu ziehen. Die Gemeinde sei optimal für die Zukunft aufgestellt. Das Erreichte sei nun weiterzuentwickeln. Damit war Härle schon bei den Vorhaben, die er sich für die kommenden Jahre vorgenommen hat. Ganz oben auf seiner Prioritätenliste stünden die Schulen und Kindergärten. Er wolle bestmögliche Rahmenbedingungen für junge Eltern schaffen. Dabei verwies er auf den geplanten sechsgruppigen Kindergarten in Stefansfeld. Als weiteres Angebot in der Kindergartenlandschaft könnte er sich mittelfristig auch einen Waldkindergarten vorstellen. In den Salemer Schulen sei die Digitalisierungsoffensive angelaufen.
Neue Sporthalle und DGH Stefansfeld
Im Weiteren ging Härle auf das Sport- und Freizeitangebot für Jugendliche ein. Die Gemeinde biete für alle Altersklassen etwas. Dabei leisteten die Vereine einen wichtigen Beitrag. „Die Vereine sind das Blut in der Gemeinde“, betonte Härle. Im Hinblick auf die Sportangebote habe er eine neue Sporthalle mit mehr Funktionen im Blick. Ein neuer Sporthallenbau hänge aber entscheidend von öffentlichen Zuschüssen ab. Noch in diesem Jahr will Härle den Bürgerbeteiligungsprozess für den Bau eines Dorfgemeinschaftshauses in Stefansfeld anstoßen. „Ich sehe meine Aufgabe darin, die Dorfgemeinschaften zu fördern und zu unterstützen.“ Unterstützung brauche aber auch das Gewerbe. „Wirtschafts- und Naherholungsstandort müssen sich nicht ausschließen.“.
Nur einige Worte zur Neuen Mitte
Mit einigen Worten streifte Härle auch die Neue Mitte. Hier sei es gelungen, Nahversorgung und Gesundheitsversorgung zu zentralisieren. Dieses „Jahrhundertprojekt“ habe ganz im Zeit- und Kostenplan realisiert werden können. Und die Gemeinde verfüge auch noch über Rücklagen, um anstehende Projekte finanzieren zu können. „Ich bleibe bei meinem Kurs der Nullverschuldung“, erklärte Härle. Ein weiteres Kapitel in seiner Vorstellungsrede widmete der Amtsinhaber dem Klimaschutz. Auf diesem Gebiet könne die Gemeinde einiges vorweisen. Härle verwies auf die Holzhackschnitzelanlage am Bildungszentrum, auf die Photovoltaikanlagen auf gemeindeeigenen Gebäuden und die energetische Sanierung fast aller gemeindeeigenen Bestandsgebäude.
„Nicht gemütlich gemacht“ in 16 Jahren
„Für mich war das Amt des Bürgermeisters kein Schaukelstuhl, in dem ich es mir gemütlich gemacht habe“, fasste Härle seine 16 Amtsjahre zusammen.

Birgit Baur aus Salem-Mimmenhausen:
„Investieren ja, aber anders“
Birgit Baur setzte in ihrer Vorstellungsrede mit einer ganzen Liste von Kritikpunkten an der bisherigen Gemeindepolitik an. „Ich beobachte in Salem eine tiefe Gespaltenheit“, sagte Baur. Unter anderem machte sie dies auch an einer hohen Fluktuation in der Gemeindeverwaltung fest. Im Klimaschutz habe die Gemeinde nur das Allernotwendigste getan. In Salem sei viel Tafelsilber hergegeben worden, meinte sie. Gute Kommunalpolitik müsse aber mehr können. Eine Gemeinde müsse sich durch kluge Haushaltspolitik entwickeln. Baur will, falls sie gewählt wird, drei Schwerpunkte setzen: Demokratie von unten fördern, Diskussionen über unsere Lebensgrundlagen anstoßen und alle Entscheidungen auf ihre Nachhaltigkeit überprüfen.
Sie sieht tiefe Spaltung der Bürgerschaft
„Ich nehme eine tiefe Spaltung in unserer Bürgerschaft wahr“, sagte Baur. Die Art, wie man in Salem miteinander umgehe, bereite ihr Bauchschmerzen. Denn es gelte nur eine Richtung, nur eine Meinung. Um Salem wieder zu vereinen, will sie ein gutes soziales Miteinander schaffen und strebt die Etablierung eines Jugendgemeinderats und Ortschaftsräten an. „Wenn es besser werden soll, geht das nur mit einem guten sozialen Miteinander“, meinte sie und fügte hinzu: „Ich traue mir zu, eine lebendige Bürgerbeteiligung zu schaffen.“ Salem brauche eine Leitkultur, der ehrliche Nachhaltigkeit zugrunde gelegt sei. Man müsse erreichen, dass die Bürger mit Zuversicht in die Zukunft schauen können.

Viel am Bedarf der Bürger vorbei gebaut
„Es geht um Weichenstellungen, wohin Salem gehen soll“, erklärte Baur. In den letzten Jahren sei viel am Bedarf der Bürger vorbei gebaut worden. Daher plädierte sie für ein Flächenmanagement. Für ältere Bürger könnten kleinere Wohnungen geschaffen werden, damit größere Wohnungen für junge Eltern mit Kindern frei würden. Vieles sei in den zurückliegenden Jahren in Salem auf der Strecke geblieben, kritisierte Baur. Da sprach sie den Bau einer neuen Kläranlage an. Gemeindeeigene Gebäude seien nicht gerichtet worden. Der Bahnhof, das Feuchtmayerhaus und das alte Rathaus stünden leer. „Investieren ja, aber anders“, positionierte sich Baur. Diesen Slogan münzte sie auch auf die Gewerbeentwicklung. Sie wolle moderne, aber vielleicht andere Arbeitsplätze schaffen. Ebenso sprach sie sich für eine alternative Verkehrsführung aus.
Sie würde einen kooperativen Führungsstil pflegen
Baur möchte einen kooperativen Führungsstil pflegen. Ihre Aufgabe als Bürgermeisterin sah sie darin, Ideen anzuregen, zu koordinieren und Lösungen zu entwickeln.

Dr. Roland Martin möchte in Salem Wurzeln schlagen
Roland Martin begann seine Vorstellungsrede so, als ob er schon Salemer Bürgermeister wäre: „Ich begrüße Sie in unserer Sporthalle“, wandte er sich an die Zuhörer. Im zweiten Satz schien er sich dann doch zu erinnern, dass erst noch gewählt werden muss. „Ich hoffe, dass der Glücksbringer, den mir meine Frau mitgegeben hat, seine Wirkung zeigt.“ Er sei seit 30 Jahren verheiratet, und das mit derselben Frau, gab er einen kleinen Einblick in seine Familienverhältnisse.
Der „richtige Zeitpunkt“ für die Kommunalpolitik
Den Wunsch, kommunalpolitische Verantwortung zu übernehmen, habe er schon seit langem gehegt. Aber seine berufliche Tätigkeit habe ihm keine Zeit dafür gelassen. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt gekommen, seine berufliche Erfahrung in die Führung einer Gemeinde einzubringen. Und in Salem deshalb, weil ihm die Gemeinde ans Herz gewachsen sei. „Hier möchte ich sein, hier möchte ich Wurzeln schlagen“, gab er sich schier pathetisch.
Auch er hat eine „Polarisierung“ entdeckt
Und dann wurde er politisch. Er gehöre keiner Partei an. Er habe eine soziale Ader und ein grünes Herz. „Vetterleswirtschaft gibt es bei mir nicht.“ Offen ließ er, worauf er damit anspielte. „Sie möchten doch einen Bürgermeister, der wertschätzend mit Ihnen umgeht“, warb er für sich. „Mir scheint, die Situation in Salem polarisiert zu sein“, argumentierte er ähnlich wie seine Vorrednerin und sprach sich wie sie für Gemeinschaft und Zusammenhalt aus. Und zitierte ebenfalls den legendären Trainer der Fußball-Nationalmannschaft Sepp Herberger: „Elf Freunde sollt ihr sein.“ Dann prangerte er die bisherige Finanzpolitik an. Die gesamten Rücklagen seien unter dem Rathaus verbuddelt. „Nichts mehr da, null.“ Die Gemeinde müsse deutlich besser wirtschaften oder sich verschulden. Grundstücksverkäufe seien kein Geschäftsmodell.
Neues Leitbild für die Zukunft
Weiter kritisierte Martin den sorglosen Flächenverbrauch. „Gewerbe muss natürlich auch sein, aber angepasst und nachhaltig.“ Salem brauche einen Richtungswechsel und deshalb einen neuen Mann an der Verwaltungsspitze“, folgerte er. Bürgermeister und Gemeinde bräuchten Visionen. Diese sollten sich in einem aktualisierten Leitbild niederschlagen, das als verbindlich erklärt werde. Als Beispiel nannte Martin eine mittelfristige Umstellung der Landwirtschaft auf ökologisch orientierte Wirtschaftsweise.
Jugend, Senioren und Verkehr
Ihm schwebt auch vor, die Jugend mehr einzubinden. Ebenso dachte er an die Senioren. Für sie müssten die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben und zur Teilhabe am Leben geschaffen werden. Ferner liegt ihm daran, den Individualverkehr von der Straße zu bringen.