Herr Zeitler, wer durch Lindau geht, wundert sich, wie attraktiv der Ladenbesatz in der Fußgängerzone ist und dass es offensichtlich keine Leerstände gibt. Was macht Überlingen falsch?
Zeitler: Ich kenne das Mietniveau in Lindau nicht. Aber 80 Quadratmeter und eine Pacht von über 2000 Euro in Überlingen, wie schon erlebt – da lässt sich halt schwer ein auskömmliches Geschäft betreiben. Die Läden gehören in der Regel privaten Anbietern. Wir appellieren an die Eigentümer, solche Hemmnisse abzubauen und sich auf eine verträgliche Miete zu einigen, was auch oft gelingt. Wobei zu sagen ist, dass wir gar nicht so viele Leerstände haben, wie behauptet wird. Im Gegenteil, Überlingen hat nach wie vor tolle Geschäfte. Die Problemfälle sind bekannt, manche Immobilien sind in der Zwangsvollstreckung, andere sollen zu überhöhten Preisen verkauft werden. Ich warne aber davor, alles bei der Stadtverwaltung abzuladen, was im individuellen Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter zu regeln ist. Die Stadt kann nicht alles richten.
Die verkehrsberuhigte Jakob-Kessenring-Straße kommt bei Fußgängern und Radlern bestens an. Dafür staut sich der Verkehr an stark frequentierten Tagen zurück bis an den Wiestorkreisel – auch wegen der Warteschlange am Parkhaus West. Welche Ideen gibt es, wie man dem begegnen könnte, vielleicht mit einer temporären Schließung wie an der Fastnacht?
Zeitler: Mir schwebt auf lange Sicht eine bauliche Maßnahme in der Franziskanerstraße und der Christophstraße vor, analog zur Pflasterung in der Jakob-Kessenring-Straße und der Hafenstraße. Man hätte weniger Verkehr in der Innenstadt und könnte die Aufenthaltsqualität verbessern. In Stoßzeiten werden wir immer eine volle Innenstadt haben. In Stoßzeiten eine verkehrliche Lösung zur Vermeidung von Warteschlangen zu finden, ist in einer historischen Innenstadt schwer.
Wäre nicht vielleicht eine Wartespur für die Autos, die ins Parkhaus West möchten, eine Lösung?
Zeitler: Mit einer zusätzlichen Spur könnten wir den Gegenverkehr nicht mehr abbilden. Letzten Endes werden wir zu Stoßzeiten immer ein kleines Stauereignis haben, wie in anderen Orten auch. Das ist leider so.
Im Dezember hatte eine Biodiversitätsbeauftragte oder Landschaftsplanerin ihre Stelle angetreten. Auf die Bitte um ein Interview mit ihr hieß es: „Die ist schon wieder weg“. Ist diese Fluktuation symptomatisch für die Stadtverwaltung?
Zeitler: Wir haben es mit einem grundlegend gewandelten Arbeitsmarkt zu tun. Es gibt bei uns, wie in anderen Verwaltungen auch, eine Fluktuation. Wir haben durchaus die Situation, dass Personen nach zwei, drei Wochen sagen, sie wollen nun doch etwas anderes machen. Das ist auf dem heutigen Arbeitsmarkt nicht unüblich.
Warum gelingt es nicht, die Leitung des Stadtplanungsamts (das bis zu seinem Wechsel ins Amt des Baubürgermeisters von Thomas Kölschbach bis Anfang 2022 geführt wurde) zu besetzen?
Zeitler: Aktuell besetzen wir zwei Stellen im Stadtplanungsamt. Die Leitung haben wir mehrfach ausgeschrieben. Wir hatten auch gute Bewerbungen. Die Stelle fällt in den Bereich von Herrn Bürgermeister Kölschbach. Letzten Endes ist es seiner fachlichen Entscheidung überlassen, ob er besetzt oder nicht. Wenn es Gründe gibt und der Kollege sagt, mit diesem oder jenem kann er sich nicht vorstellen, zusammenzuarbeiten, dann kann ich nicht Gegenteiliges entscheiden.
Die Stadtplanung hatte der Firma Diehl im städtebaulichen Vertrag zum Bau ihres neuen Verwaltungsgebäudes eine maximale Höhe von etwa 24 Metern vorgegeben, jetzt wird der Bau 10 Meter höher. Ist das ein normaler Vorgang?
Zeitler: Es gibt den Bedarf eines ortsansässigen Industrieunternehmens, auf einer begrenzten Fläche möglichst viele Nutzungsmöglichkeiten unterzubringen. Im politischen Prozess werden die Dinge beraten und im vorhabenbezogenen Bebauungsplan festgelegt. Wir sind der Überzeugung, dass an dieser Stelle diese Höhe verträglich ist.
Was können andere Investoren daraus lernen?
Zeitler: Ich warne davor, dass andere Investoren für sich daraus ungefiltert etwas ableiten. Wir haben vorhabenbezogene Bebauungspläne nur bei größeren Vorhaben. Wichtig ist für uns zu sehen, dass das Vorhaben städtebaulich verträglich ist und dass die Stadtplanung sagt, ja, wir sehen die Möglichkeit, es so umzusetzen.
Bei der Stadt sprudeln die Gewerbesteuereinnahmen. Im Vorjahr waren es insgesamt 38 Millionen statt der veranschlagten 17 Millionen Euro. Nur ein Teil, aber wohl ein beträchtlicher, dürfte auf die Firma Diehl Defence zurückgehen.
Zeitler: Wir haben im deutschen Steuerrecht ein Steuergeheimnis.
Aber hat sich Ihr Blick auf den Rüstungsbetrieb dadurch verändert?
Zeitler: Die Firma Diehl, sowohl Diehl Defence als auch Diehl Aerospace, sind die größten Arbeitgeber in Überlingen. Wir schätzen uns gegenseitig und haben eine gute Zusammenarbeit. Ich bin froh, so potente Unternehmen in der Stadt zu haben. Das gute Miteinander hat sich nie verändert.
Gibt es inzwischen Ideen, wie demnächst mit dem Areal St. Ulrich umgegangen werden soll? In Ihrem ersten Amtsjahr – 2017 – sagten sie, das wertvolle Gelände dürfe nicht allein dem Immobilienmarkt überlassen werden.
Zeitler: Ich stehe zu der Aussage von damals. Wir haben aktuell eine umfassende Studie am Laufen, wie wir mit dem Areal umgehen. Die Überlegungen gehen in Richtung Neubau für Alten- und Pflegeplätze, kombiniert mit betreutem Wohnen. Es handelt sich um ein spitälisches Grundstück, ich möchte, dass es auch künftig dem Stiftungszweck dient. Es wäre für mich keine Option, hier ein Hotel zuzulassen.
Wie geht es bei St. Leonhard /Rauenstein Ost und den dortigen Schrebergärten weiter?
Zeitler: Das Thema steht in der nächsten Sitzung des ABTV und des Gemeinderats auf der Tagesordnung. Mit einem reduzierten Entwurf und einer Rücknahme des alten Reitplatzes. Das war ein Thema, das die Bürger bewegte. Dieser Bereich und die dortige Gehölzstruktur werden aus einer möglichen Bebauung herausgenommen. Wir verkleinern das Areal. Ich möchte den Hinweis geben, dass eine der beiden Straßenseiten bereits bebaut ist und dadurch vorhandene Infrastruktur, wie beispielsweise Abwasserkanäle, für beide Seiten genutzt werden kann. Wir müssen das Thema Innenverdichtung so annehmen, dass dort eine Wohnbebauung stattfinden kann.
Gibt es noch Chancen auf den Kauf des Löwen-Areals in Deisendorf, das mit diesem Thema verknüpft ist?
Zeitler: Wir sind mit dem Investor in einem regen Austausch. Es gibt nach wie vor die Bereitschaft und die politische Beschlusslage, den Löwen zu kaufen. Ich glaube, dass es auch für die Deisendorfer ein ganz wichtiges Projekt ist und wollen daran festhalten.
Der Löwen gehört bislang einem Schweizer Investor, der im Gegenzug im Bereich Rauenstein Ost ein Grundstück bekommen sollte. Ist die für ihn vorgesehene Baufläche trotz eines reduzierten Entwurfs noch vorhanden?
Zeitler: Ja.