Der Auftrag der Schule Schloss Salem ist Erziehung zur Verantwortung und Dienst an der Gemeinschaft. Das gilt schon seit der Schulgründung im Jahr 1920. Max Prinz von Baden, neben Kurt Hahn und Karl Reinhardt Schulmitbegründer, sagte in seiner Eröffnungsrede am 14. April jenen Jahres: „Auf den Verstand allein kommt es nicht an. Verstand ohne Charakter hat keinen Wert.“ Dazu gehört noch heute, dass sich die Kinder und Jugendlichen in sozialen oder Umweltschutz-Projekten engagieren.
Seit Jahrzehnten verlassene Fischteiche
Christa Prüser, heute 83 Jahre alt, in den 90er-Jahren Mädchenmentorin und Lehrerin für Lernmethodik, erinnert sich an ein „großes schönes Naturschutzprojekt in Ungarn„. Ende der 80er-Jahre sei es dort entstanden. Prüser erzählt: „Die Gegend heißt Boronka und liegt südlich des Plattensees. Es ist ein Gebiet mit seit Jahrzehnten verlassenen ehemaligen Fischteichen. Dort konnte sich eine wunderbare Fauna entwickeln.“ Der Stiftung „EuroNatur“ in Radolfzell sei es zu danken, dass das Teichgut von der ungarischen Naturschutzorganisation „Somogy“ erworben werden konnte.
Die Erwachsenen aus Salem engagierten sich zu viert: „Die Entdecker und Gründer waren Karl Roth, Lehrer und Leiter des Naturschutzdienstes, und Bernd Stocker, 34 Jahre Koch der Mittelstufe und privat Naturforscher. Es kamen hinzu: Rainer Bueb, Lehrer und Leiter des THW-Dienstes, und ich, Christa Prüser, Mädchenmentorin in Salem.“
Eine große Waldlichtung in der Nähe der Teiche, weit ab von jeder Siedlung, sei der Zeltplatz geworden. „Jedes Jahr, 25 Jahre lang fuhren Schülerinnen und Schüler mit den Erwachsenen kurz vor den Sommerferien zwei Wochen nach Boronka, um dort zu arbeiten“, berichtet die 83-Jährige.
Schirmherr des Projektes wurde die „Round Square Conference“, ein Verbund weltweiter Schulen, die nach den Ideen Kurt Hahns arbeiten – Salem übernahm die Leitung. Jedes Jahr nahmen auch Schüler dieser Schulen am Camp teil. „So war es dort immer sehr international“, sagt Christa Prüser. Jahrelang habe Bernd Stocker mit viel Einfallsreichtum die Gruppe mit tollem Essen versorgt.
Für die Arbeit brauchten sie aber auch Energie: „Die Wasserversorgung der Teiche wurde immer wieder durch Entschlammung von Hand sichergestellt. Die Wege mussten gepflegt werden, denn es reisten das ganze Jahr über Naturliebhaber dorthin. Steile Sandwände, an denen die bunten Bienenfresser brüten konnten, wurden hergerichtet. Brücken zu den Beobachtungshütten mussten repariert werden und vieles mehr.“

Regelmäßig habe es Exkursionen unter der Führung von Karl Roth zur Naturbeobachtung gegeben, er sei ein herausragender Ornithologe: „Wir sahen die wunderschönen, vom Aussterben bedrohten scheuen Moorenten, das Maskottchen von ‚Somogy‘, im Wald Schwarzstörche mit Jungen und Adlerhorste.“
Aber die ungarischen Freunde des Projektes hätten in jenen Jahren, so kurz nach der Wende, kein Geld gehabt. „Da kam die Idee auf: Wir machen mit den Schülerinnen und Schülern Straßensammlungen. Es war eine große logistische Herausforderung, die Sammlung mit allen 10. und 11. Klassen sechs Jahre lang von 1992 bis 1998 an einem Tag im Mai zu organisieren.“ Es sei in die Städte rund um den Bodensee gegangen: Friedrichshafen, Ravensburg, Meersburg, Überlingen, Radolfzell, Singen und Konstanz.
Die Schüler trugen sich in Listen ein. Immer zu zweit hatten sie Informationsmaterial, eine verplombte Sammelbüchse, die Genehmigung der Stadt und ein Körbchen voll mit Ansteckern – Pflanzen- und Tiermotive – dabei. Prüser: „Jedes Jahr von Oktober bis April stellte ich mit der Boronka-AG in der Töpferwerkstatt der Schule circa 15 000 solcher Anstecker aus Ton her. Sie wurden bei den Sammlungen an jeden Spender verschenkt.“
Von drei Graurindern zur großen Herde
Am Sammlungstag seien alle mit Zügen in die Städte gefahren. „Es kamen in jenen Jahren Spenden zwischen 9000 und 12 000 D-Mark zusammen. Es wurden drei Graurinder gekauft, ein Bulle und zwei Kühe. Diese Tiere sind sehr wichtig, denn sie fressen junge Rubinien, die sonst große Weideflächen zerstören“, erläutert Christa Prüser. Es wurde ein Küchenhaus gebaut, gebrauchte Küchenmöbel wurden gespendet, und für Gäste des ganzen Jahres, die dort auch arbeiteten, ein kleines Bettenhaus, umgebaut aus einem bereits vorhandenen Geräteschuppen.
„Zum 25. Jubiläum des Projektes 2015 konnte ich mit 78 Jahren zu meiner großen Freude noch einmal mit nach Ungarn fahren. Es war einfach herrlich, wie sich dort alles entwickelt hat“, so Prüser. Sie habe die Graurinder besucht. Aus den drei Tieren sei eine Herde von 200 Rindern geworden, die sehr gut versorgt und auch vermarktet würden. „Es sind unvergessliche Erinnerungen an diese Jahre des Engagements für Boronka an einer großartigen Schule“, resümiert die ehemalige Lehrerin.