"In bevorzugter Wohnlage mit sensationeller Seesicht" werden gegenwärtig drei jeweils aus zwei Doppelhaushälften bestehende Häuser in Sipplingen auf einem Immobilienportal im Internet angeboten. Bei den drei Gebäuden in erster Reihe am Rand der B 31 handelt es sich um ein Beispiel einer extrem verdichteten Bebauung. Sie sorgt im rund 2100 Einwohner zählenden Dorf für erhebliche Unruhe.
Sollte die Bebauung Schule machen, so wird befürchtet, könnte Sipplingen seinen dörflichen Charakter verlieren. Auch fragt sich mancher mit Kopfschütteln, wer sich die Wohnungen überhaupt leisten kann. 2800 Euro monatlich soll eine Doppelhaushälfte laut Inserat im Internet kosten, dazu kommen die Nebenkosten. Eine Doppelhaushälfte verfügt in der Hauptwohnung über rund 180 Quadratmeter Wohnfläche. Eine Einliegerwohnung mit rund 80 Quadratmetern im Parterre soll separat genutzt werden können. Drei der Doppelhaushälften möchte der Eigentümer zukünftig gerne als Ferienwohnungen vermieten, die anderen drei dauerhaft.
Familien sollten sich niederlassen
Immer wieder hat der Gemeinderat in den zurückliegenden Monaten darüber debattiert, wie junge Familien nach Sipplingen gelockt beziehungsweise zum Bleiben bewegt werden können. Angesichts dessen hatte der Gemeinderat die Aufhebung der Veränderungssperre und die Genehmigung des Bauvorhabens damit begründet, dass es richtungsweisend sei, wenn Eigentümer ihren Grund bebauen und jungen Familien Möglichkeiten eröffneten, sich in Sipplingen niederzulassen. "Es wurde signalisiert, dass Teile der Gebäude selbst genutzt werden und der Rest dauervermietet wird, um in Sipplingen Wohnraum für Erstwohnsitzler zu schaffen. Eigentlich das, was auch überwiegend von der Bevölkerung gewünscht wird", sagte Thomas Biller, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, auf SÜDKURIER-Anfrage. Nun seien aber "tatsächlich sehr hochpreisige Mietobjekte entstanden".
Gortat sieht Mietpreis kritisch
Bürgermeister Oliver Gortat steht dem Mietpreis kritisch gegenüber. „Bei diesem Betrag reden wir unter keinen Umständen von bezahlbarem Wohnraum“, sagte er auf SÜDKURIER-Anfrage. Biller bläst ins gleiche Horn: "Wohl kaum kann sich eine normal verdienende Familie solch eine Wohnung leisten. Das ist natürlich bedauerlich, aber wir vom Gemeinderat können das nicht verhindern." Gleicher Meinung ist Clemens Beirer, Fraktionsvorsitzender der CDU, der bekannt ist für restriktive Bebauung in Form von Bebauungsplänen. "Natürlich, junge Familien kriegen wir so nicht hier her. Aber wir können sozialen Wohnungsbau nicht vorschreiben."
Gortat wies darauf hin, dass derzeit grundsätzlich die Preise in der ersten Reihe explodierten. "Damit droht meines Erachtens unter anderem in Sipplingen eine 'Zwangsabwanderung' von Bürgerinnen und Bürger, die sich so teure Wohnungen nicht leisten können – egal ob zur Miete oder als Eigentum", sagte er. Die Kreditzinsen seien ins Bodenlose gefallen, "auch das verstärkt noch einmal das Interesse von zahlungsstarken Personen, sich in unserer Region einzukaufen", so der Bürgermeister.
Er machte darauf aufmerksam, dass die wieder viel zitierte "Mitpreisbremse" nur bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen greife, nicht jedoch bei Neubauten. Gortat: "Daher hätten wir über dieses Instrument keine Möglichkeit, entgegenzusteuern."

Der Problematik könne in seinen Augen nur dann begegnet werden, wenn die Gemeinden selbst entscheiden könnten, was mit bebaubaren Flächen geschieht – auch solchen bebaubaren Flächen, welche sich in Privateigentum befinden. Hier fehle es jedoch aktuell "leider" an der gesetzlichen Grundlage mit dem Resultat, dass sich für "Normalsterbliche" kaum noch auf eine Chance auf dem Wohnungsmarkt biete, so Gortat.
Da es in dem Gebiet (noch) keinen rechtsgültigen Bebauungsplan gibt, erfolgte die baurechtliche Beurteilung für die drei Doppelhäuser nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches, demzufolge sich die Bebauung an der umliegenden Bebauung orientiert. "Baurechtlich wären die Gebäude nicht zu verhindern gewesen, weil die umgebende Bebauung ähnlich ist", so Beirer, der damit die von der Seestraße aus gesehene Bebauung rechterhand anspricht, an der sich der Bauherr beziehungsweise Architekt vermutlich orientiert hat.
Linkerhand, im Baugebiet "Südlich der Gartenstraße", wo Vorhaben gemäß Paragraf 30 zulässig sind, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht widerspricht, sieht es anders aus. Hier ist erst eine Baugenehmigung erteilt worden. Das Baurechtsamt teilte mit, dass es hier in Zukunft aber wohl zu einer weiteren verdichteten Bauweise kommen wird, die topografischen Verhältnisse würden nicht wenig dazu beitragen.

Zumindest einen Teil der Häuser möchte der Bauherr als Ferienwohnungen vermieten. Eine Umwidmung hat der Gemeinderat aber im Dezember vorigen Jahres abgelehnt. Begründung: Weitere Ferienwohnungen sind mit dem Gebietscharakter unvereinbar. Das Gremium wollte damit verhindern, dass es zu einer weiteren Verfremdung des Gebietes kommt. Der Bauherr wurde darauf hingewiesen, dass seit dem 22. November 2018 die Zweckentfremdungssatzung der Gemeinde rechtskräftig ist. Nach ihr müssen alle Betreiber von Ferienwohnungen bis 31. August dieses Jahres bei der Gemeinde anzeigen, dass sie ihre schon vorhandenen Ferienwohnungen weiterhin als solche nutzen wollen. Die Errichtung neuer Ferienwohnungen ist nur in Ausnahmefällen zulässig.
Nutzungsänderung im Gemeinderat
Und darauf scheint sich der Bauherr nun doch berufen zu wollen: Zumindest ist auf der am gestrigen Mittwoch der Redaktion übersandten Tagesordnung für die Gemeinderatssitzung am kommenden Mittwoch zu lesen: "Bauantrag auf Nutzungsänderung jeweils einer Doppelhaushälfte als Ferienwohnung, Breitenweingarten 7."
Rein baurechtlich scheint die beantragte Nutzung von jeweils einer Doppelhaushälfte – also drei von sechs – als Ferienwohnung nach Auskunft des Baurechtsamtes eher unproblematisch, teilte die Gemeindeverwaltung gestern mit. Ursprünglich seien allerdings für alle sechs Doppelhaushälften nur Wohnungen vorgesehen gewesen.
Das Baurechtsamt prüfe derzeit, ob die gemeindliche Ablehnung in Bezug auf Ferienwohnungen rechtens ist beziehungsweise durch das Baurechtsamt ersetzt werden könne. Inzwischen habe es Gespräche unter den Beteiligten gegeben. Die Angelegenheit soll demnach im Lichte dieser Gespräche und der Ausgangssituation nochmals beraten werden, so die gestrige Auskunft der Gemeindeverwaltung.
Breitenweingarten
Für diesen Bereich hat der Gemeinderat im Juni 2016 die Aufstellung des Bebauungsplanes „Breitenweingarten“ beschlossen, mit dem insbesondere das dortige städtebaulich bedeutsame Erscheinungsbild gesichert werden soll. Der Bebauungsplan ist aber noch nicht rechtsgültig. Des Weiteren hat das Gremium im Januar 2018 für dort "Grundsätze über die planerische und gestalterische Beurteilung von Planungen und Vorhaben" verabschiedet, die Planern und (Bau-)Interessierten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen als unverbindliche Empfehlungen gelten sollen.
Im gleichen Monat genehmigten die Bürgervertreter das Bauvorhaben zur Wohnnutzung, da es sich nach den beschlossenen Grundsätzen und an der umliegenden Bebauung orientiert. Eine Nutzung als Ferienwohnung wurde im Dezember nicht genehmigt, das Thema steht aber in der Ratssitzung kommenden Mittwoch wieder an.