„Wer oder was verbraucht so viel Wasser? Wo geht es hin?“ Diese Frage der Gemeinderätin Elisabeth Lohrer (CDU) konnte auch Sebastian Kühne, zuständiger Leiter der Ortsnetzbereuung bei der Bodensee-Wasserversorgung (BWV), nicht beantworten. Die Gemeinde hatte den Experten eingeladen, um sich die ungewöhnlich starken Verluste im Wasserleitungsnetz erläutern zu lassen: So hat die BWV 2018 zwar 215 000 Kubikmeter Wasser abgegeben, verkauft wurden aber nur 106 000 Kubikmeter. Das ist ein Verlust von mehr als 50 Prozent. Trotz intensiver Suche ist nach Worten von Kühne bisher ungeklärt, wie es zu den Wasserverlusten kommt.
Abgerechnete Menge seit vielen Jahren nahezu unverändert
Während die abgerechnete Wassermenge seit rund 15 Jahren auf dem Niveau von etwas mehr als 100 000 Kubikmetern pro Jahr pendelt, steigt die Wasserabgabe im Schnitt weiter an. Waren es vor 15 Jahren noch rund 130 000 Kubikmeter, so überstieg die Abgabe im vergangenen Jahr erstmals die Marke von 200 000 Kubikmetern. Bürgermeister Oliver Gortat sagte, dass nach Auswertung der Daten aus der vorjährigen Wasserzins-Abrechnung „trotz des langen und heißen Sommers 2018 die gegenüber den Bürgern und Betrieben abgerechnete Menge im Vergleich zu den Vorjahren in etwa gleich geblieben ist“.
Analyse der Rohre ergibt keine Auffälligkeiten
Bereits im vergangenen Frühjahr hatte Marion Zehendner von der "RBS Wave", einem Tochterunternehmen der EnBW Energie Baden-Württemberg, berichtet, dass bei der Rohrnetzanalyse keine Auffälligkeiten festgestellt worden seien, die die hohen Wasserverluste erklärten. Drei öffentliche Brunnen, die mit Trinkwasser betrieben werden, seien als zusätzliche, bisher nicht erfasste Verbraucher festgestellt worden. Laut der "RBS Wave" handelt es sich bei einem Großteil der Wasserverluste um sogenannte scheinbare Verluste, also um nicht erfasste Wasserverbräuche, etwa zur Bewässerung und bei Feuerwehrübungen. Die Ursache für die großen Wasserverluste seien diese aber nicht, heißt es weiter.
Verlust insbesondere ab Mitternacht
Wie Kühne erläuterte, tritt der Verlust insbesondere des Nachts auf. Acht Kubikmeter würden gegenwärtig durchschnittlich pro Stunde verbraucht, der ideale theoretische Nachtverbrauch belaufe sich allerdings nur auf fünf Kubikmeter. „Aus dieser Differenz von drei Kubikmetern resultiert ein rechnerischer Wasserverlust von 26 280 Kubikmetern im Jahr. Dies entspricht gerade mal einem Viertel der zu viel bezogenen Wassermenge“, sagte er. Ganz ungewöhnlich seien Nachtverbrauchsspitzen zwischen Mitternacht und vier Uhr mit mehr als 15 Kubikmetern pro Stunden, und das etwa seit Oktober des Vorjahres. „Ein Phänomen“, so Kühne.
Mit Blick auf sonstige mögliche Wasserverluste oder -abgaben sagte Sebastian Kühne, die Wasserzähler liefen korrekt und der Verlust beim Hochbehälter Stich betrage rund 1100 Kubikmeter im Jahr. Hinzu kommen ihm zufolge Behälterunterhalt und Ortsnetzspülungen mit maximal 200 Kubikmetern. Die Menge der sonstigen Wasserverbräuche – etwa durch die Feuerwehr, auf Baustellen und zur Bewässerung – sei nicht bilanziert. All diese Punkte sind Kühne zufolge aber zu vernachlässigen, „sodass rechnerisch und technisch die Verluste nicht nachvollziehbar sind".
Ortsnetz ist sanierungsbedürftig
Altersbedingt ist das Ortsnetz Kühne zufolge in einem "eher schlechtem Zustand", da es einen deutlichen Sanierungsstau aufweise. „Anhand der Netzuntersuchungen der BWV und der 'RBS Wave' ist aber eine derart hohe Differenz zwischen Wasserbezug und Abgabe ins Ortsnetz nicht zu erklären." Man müsse sich daher die Fragen stellen, ob alle Verbräuche korrekt bilanziert worden und ob Anschlüsse ohne korrekte Zählereinrichtung wie beispielsweise Gartenleitungen vorhanden seien.
Die BWV werde auch weiterhin die Nachtverbräuche und das Wassernetz intensiv kontrollieren sowie geeignete Leckage-Ortungsverfahren einsetzen. Es gelte, die Nachtspitzen zu lokalisieren. Und man werde das Ortsnetz in der Nacht in verschiedene Zonen unterteilen. „Dadurch ist eine genauere Lokalisierung der möglichen Wasserabgabestellen möglich", erklärte Kühne.
Bürger sollen auffällige Wassergeräusche melden
Nachdem sich Gemeinderat Clemens Beirer (CDU) gewundert hatte, dass in der kalten Jahreszeit derzeit mehr verbraucht werde als im Sommer, appellierte Gortat an die Bürger, auffällige Wassergeräusche oder den Austritt von frischem Wasser bei der Gemeindeverwaltung zu melden.
Zur Wasserversorgung
- Am 25. Oktober 1954 gründeten 13 Städte und Gemeinden den Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (BWV), um den ständig steigenden Trinkwasserbedarf mit Zusatzwasser aus dem Bodensee zu decken.
- Heute versorgt die BWV über ihre 183 Verbandsmitglieder – 149 Kommunen und 34 Wasserversorgungszweckverbände – insgesamt 320 Städte und Gemeinden, die insgesamt etwa vier Millionen Einwohner haben, mit Trinkwasser aus dem Bodensee.
- Aufgrund von Schwierigkeiten bei den eigenen Quellen speist die Gemeinde Sipplingen derzeit nur Wasser der BWV in das Ortsnetz ein. Die Wasserversorgung erfolgt über den Hochbehälter Stich, der vom Hochbehälter der Bodensee-Wasserversorgung am Sipplinger Berg gespeist wird, aber aufgegeben werden soll.
- Der Bau eines Hochbehälters Himberg ist beschlossen, dessen Inbetriebnahme erfolgt aber nicht vor Herbst 2021. Im Notfallbetrieb ist eine Einspeisung über die örtlichen Quellen möglich. (hk)
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