Sipplingen – Mit dem Ende des Großen Zapfstreiches entschwand auch die Anspannung aus den Gesichtszügen von Adrian Staiger. Die drei Abteilungen seiner Bürgermiliz Sipplingen hatten die feierliche Zeremonie diszipliniert und fehlerfrei abgehalten. Während dieses höchsten militärischen Ehrenaktes herrschte Stille bei den Ehrengästen und den Schaulustigen auf dem Rathausplatz. Als Kommandant der Bürgermiliz Sipplingen war Staiger der Gastgeber des Tages. Denn die Bürgermiliz hatte zu ihrem 175-jährigen Bestehen und dem Erhalt des Privilegs zum Festakt ins historische Rathaus aus dem Jahr 1669 eingeladen.

Zum Festakt begrüße Adrian Staiger alle Gäste per Handschlag. Das Zeremoniell sollte kurz gehalten werden, wie Bürgermeister Oliver Gortat in seinem Grußwort verriet. Auf die Bürgerwehr sei „100 Prozent Verlass und sie diene zu 100 Prozent als Identifikation der Gemeinde“, lobte Gortat die Sipplinger Miliz und zitierte seinen Vorgänger Anselm Neher mit „die Bürgermiliz trägt den Rock der Gemeinde“.

Das Bild des „Rock der Gemeinde“ verwendete Kommandant Staiger auch auf die Frage des SÜDKURIER, welche Aufgabe eine Miliz heutzutage noch habe und ob sie noch notwendig sei? „Militärisch hat eine Bürgerwehr keine Funktion mehr“ – aber sie sei in ihrer zeremoniellen Aufgabe doch wichtig für eine Gemeinde. „Das Begleiten der weltlichen und kirchlichen Feierlichkeiten ist eine lange Tradition“, erklärte Staiger. „Wir vertreten die Gemeinde auch außerhalb der Gemeindegrenzen.“ Neuerdings würden wieder mehr jüngere Menschen zur Miliz stoßen. Aktuell zählt die Sipplinger Bürgermiliz 126 Mitglieder, aufgeteilt in drei Abteilungen: Spielmannszug, Milizkapelle und Mannschaft. Mit 15 Jahren jüngstes und einzig weibliches Mitglied der Mannschaft ist seit Anfang des Jahres Franzi Gleichauf. Sie hat es ihrem Vater, der schon über neun Jahre dabei ist, gleich getan. Ihr Beweggrund: „Tradition“. Genauso einsilbig war die Reaktion des Vaters, als die Tochter ihm eröffnete, sie wolle zur Miliz stoßen: „Cool“. Aber noch ist sie keine vollwertige Milizionärin, denn Schießen darf sie noch nicht. Erst kommendes Jahr macht sie die Ausbildung am Gewehr. Die Sipplinger schießen mit dem historischen Vorderlader-Modell 1777 der Württembergischen Armee. Beim Großen Zapfenstreich wird auch nicht geschossen. Aber ein „klein bisschen aufgeregt“ sei sie vor ihrem ersten Zapfenstreich schon, gab Franzi zu.

Dass die Ausstattung einer Bürgermiliz ins Geld geht, ist eine Binse. So hatte Sipplingens ehemaliger Bürgermeister Kurt Binder für den Jubilar genau das richtige Geschenk mitgebracht. Als Symbol für das Vorderladergewehr als Mitbringsel überreichte er Adrian Staiger Geldspenden und eine Plakette, die in Erinnerung an das Jubiläum auf dem Gewehrkolben angebracht werden soll. Binder sagte: „Möge dieses Gewehr immer nur zu festlichen traditionellen Anlässen benutzt werden und aus ihm nie eine Kugel auf einen Menschen abgefeuert werden.“ Die 13 Sipplinger Vereine und Hilfsorganisationen hatten für die Ausstattung ihrer Bürgermiliz gesammelt. „Ein Gewehr ist was Tolles“, bedankte sich Staiger. „Die Bürgermiliz erlebt eine Renaissance und wir wollen die vielen neuen Neumitglieder ausstatten.“ Aber die Sipplinger Miliz sei „total abgebrannt“.

Während die Sipplinger Vereine handfestes zum Festakt mitbrachten, ließen die Ehrengäste in ihren Grußworten das Geburtstagskind hochleben. Wobei jeder Redner sich auf einen anderen Aspekt der Geschichte konzentrierte. Der Kommandant wies darauf hin, dass sich die Bürgermiliz 1938 dem Anschluss an die NSDAP verweigert und sich lieber aufgelöst habe. „Gerade heute müssen wir wachsam sein“, rief er in den Saal. „Zivilcourage und uneigennütziges Helfen“ seien die Tugenden der Bürgermiliz. Im Leben dieser Tugenden wolle die Bürgermiliz jungen Menschen als Vorbild dienen. „Kameradschaftliches Verhalten und Meinungsstärke“ würden in der Miliz gefördert und gefordert. Der Wahlspruch der Bürgerwehren und Milizen sei „mit Gott für Fürst und Vaterland“, setzte Adrian Staiger nach, wobei er mit einem zwinkernden Blick auf den Schirmherr des Festaktes, Wilderich Graf von und zu Bodman, hinzufügte, „mit dem Fürsten haben‘s wir es nicht so“.