Drei Fahnen wehen seit dem 19. Februar vor dem Rathaus in Form einer Dauerbeflaggung: neben der Gemeindeflagge und der Flagge Vierländerregion Bodensee auch die Regenbogenfahne. Die Gemeinde Sipplingen ist eigenen Aussagen zufolge die bislang einzige in Deutschland, die eine Regenbogenfahne nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft an einer solchen Stelle hisst.

Das stößt jedoch nicht nur auf Gegenliebe: Gemeinderat Günther Völk (CDU) beanstandete in öffentlicher Sitzung, dass Bürgermeister Oliver Gortat mit der Beflaggung seine private Meinung unzulässigerweise mit seinem Amt als Bürgermeister und der Autorität der Gemeindeverwaltung verknüpfe. Der SÜDKURIER hielt mit beiden Rücksprache.

Ministerium weiß von Fahne

Warum sich die Gemeinde nicht an die Verwaltungsvorschrift (VwV) des Staatsministeriums zur Beflaggung von Dienstgebäuden halte, wollte Völk wissen. Diese VwV siehe unter anderem vor, dass außerhalb der obersten Landesbehörden eine Beflaggung nur an bestimmten Tagen oder aus besonderen Anlässen stattfinden solle – also nicht dauerhaft. Außerdem gelte es, wenn geflaggt werde, neben der Landesflagge die Bundes- und die Europaflagge zu setzen.

Bürgermeister Oliver Gortat
Bürgermeister Oliver Gortat | Bild: Kleinstück, Holger

Gortat antwortete, dass die VwV-Beflaggung grundsätzlich nur für die Dienstgebäude der Landesverwaltung gelte. Die Kommunen seien von dieser VwV-Beflaggung des Landes nicht tangiert. Allerdings werde den Kommunen empfohlen, entsprechend zu verfahren.

„Dies wird auch in Sipplingen nach wie vor so gehandhabt werden“, so der Rathauschef. Die dauerhafte Beflaggung an den restlichen Tagen sei im Vorfeld unter anderem auch mit dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg abgeklärt worden, „auch die Regenbogenfahne, welche wohl hier explizit angesprochen wird und als störend empfunden wird“, so Gortat.

Dass der Bürgermeister die VwV-Verwaltungsvorschrift auf die Gemeinde nicht für anwendbar halte, darüber lasse sich trefflich streiten, so Völk. „Denn auf der einen Seite gibt es zwar das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht, auf der anderen Seite nimmt der Bürgermeister aber auch Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde wahr, etwa als Ortspolizeibehörde, und ist in dieser Funktion auch Teil der Landesverwaltung.“

Günther Völk
Günther Völk | Bild: Kleinstück, Holger

Verankere man die aktuelle Beflaggung aber im Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde, sei die Verwaltungsvorschrift in der Tat nicht unmittelbar anwendbar. „Dann stellt sich die Frage, warum der Bürgermeister hinsichtlich der von ihm gewünschten Beflaggung keine Entscheidung des Gemeinderats herbeigeführt hat. Denn eine Alleinentscheidungsbefugnis hat der Bürgermeister nur in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung.“ Und ob es sich bei dieser „ersichtlich politisch ambitionierten Entscheidung“ von Gortat um eine Verwaltungstätigkeit handele, sei aus seiner Sicht mehr als zweifelhaft.

Völk: Verwaltung müsse sich weltanschaulich neutral verhalten

Selbst wenn man unterstelle, es handle sich um eine Tätigkeit der Gemeindeverwaltung, gelte insoweit das staatliche Neutralitätsgebot. Völk: „Die Verwaltung repräsentiert die staatliche Gewalt, die allen Bürgern unabhängig von deren Einstellungen und Ansichten zu dienen und gegenüber zu treten hat. Die Verwaltung muss sich daher weltanschaulich neutral verhalten und darf nicht den Eindruck erwecken, für eine bestimmte politische Strömung Partei zu ergreifen.“

Bild 3: Debatte um Regenbogenfahne vor dem Sipplinger Rathaus – Gemeinderat Günther Völk will Flagge nicht gehisst sehen
Bild: Holger Kleinstück

Gortat wies im Weiteren darauf hin, dass der Regenbogen im Christentum ein sehr wichtiges Symbol sei, unter anderem für Hoffnung. Die Regenbogenfahne stehe des Weiteren allgemein für Frieden, Akzeptanz und Toleranz. Und mit einem Augenzwinkern sagte er: “Der irischen Mythologie zufolge liegt am Ende des Regenbogens ein Schatz vergraben. Und wenn unsere Perle am See kein Schatz ist, dann weiß ich auch nicht weiter.“

Er frage sich, weshalb gerade heutzutage vereinzelte Menschen in dieser Fahne, die keine neue Erfindung sei, ein Problem sehen. Natürlich werde die Fahne auch immer öfter mit der LSBTIQ-Community assoziiert. Tatsächlich sei es auch so, dass die Fahne auch von dieser Gruppe genutzt werde, um ein Zeichen für Frieden, Akzeptanz und Toleranz zu setzen. Gortat: „Ich vermute, dass dies auch gerade einer der Gründe ist, warum diese Fahne vereinzelt nicht so gerne gesehen wird, da einige Menschen glauben, dass diese Fahne ausschließlich für Homosexualität steht.“

Gortat: „Bei dieser Fahne geht es nicht um mich persönlich“

Der Bürgermeister verdeutlichte nochmals, dass er von Anfang an hinsichtlich seiner Homosexualität mit offenen Karten gespielt habe. „Bei dieser Fahne geht es nicht um mich persönlich“, bekräftigte er, zumal er Privates und Berufliches strikt trenne. Sondern man müsse diesbezüglich über die Gemeindegrenzen hinwegsehen, denn die Regenbogenfahne repräsentiere auch Freiheit statt Unterdrückung, Vielfalt statt Gleichschaltung und Demokratie statt Faschismus. „Dafür müssen wir auch in einer kleinen Gemeinde, wie wir es sind, einstehen.“

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Die private Meinung des Bürgermeisters zum Thema Regenbogenflagge respektiert Völk, wird von ihm auch in keiner Weise angegriffen. „Ich hätte auch kein Problem damit, wenn er die Flagge in seinem eigenen Garten hochziehen würde“, teilte er dem SÜDKURIER mit. Was er beanstande sei, dass Gortat mit der Beflaggung seine private Meinung unzulässigerweise mit seinem Amt als Bürgermeister und der Autorität der Gemeindeverwaltung verknüpfe.

Die aktuelle Beflaggung stellt aus seiner Sicht „einen eindeutigen Verstoß gegen das von Gortat als Bürgermeister zu beachtende Neutralitätsgebot“ dar und sei im Übrigen auch intolerant all jenen Bürgern gegenüber, „die seine persönlichen Ansichten nicht teilen und mit der gehissten Flagge etwas anderes verbinden“. Und auch diese Bürger repräsentiere Gortat als Bürgermeister.

Zeichen für friedliches Miteinander

Gegenüber dem SÜDKURIER betonte Gortat erneut, dass mit der Regenbogenfahne ein deutliches Zeichen für ein friedliches Miteinander in dieser Welt gesetzt werden solle. „Die Erfahrungen aus der Geschichte verpflichten uns alle, für Frieden, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit einzustehen.“

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Mit ein bisschen Abstand betrachtet gäbe es zwischen allen Menschen auf der Erde mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Vieles wäre einfacher, wenn sich alle mal zusammenrissen und für ein friedliches Miteinander einstehen würden. „Aber wenn wir uns schon innerhalb des Gremiums in einer Gemeinde mit einer winzigen Größenordnung – global betrachtet – hierüber streiten“, so Gortat weiter, „dann sind wir von einer Welt, in der sich alle Menschen wohlfühlen können und Frieden ist, noch sehr weit entfernt“.