Es schien nur eine Formsache für den Gemeinderat zu sein, den Beschluss über die Terminierung des Stadtjubiläums zu fassen. Schließlich hatten der Kulturausschuss und die Verwaltung fundiert vorgearbeitet, intensiv diskutiert und am Ende einstimmig die Beschlussempfehlung gefasst, das Fest in dem unter damaligen Vorzeichen einzig möglichen Jahr 2020 zu veranstalten. Mit der Landesgartenschau, für die Überlingen nicht zuletzt wegen des Stadtjubiläums für diesen Termin den Zuschlag erhalten hatte.

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Doch Gemeinderat Ulrich Krezdorn (CDU) brachte mit seiner leidenschaftlich formulierten Sorge vor einer Überforderung der Bürger eine kleine Lawine ins Rollen, die zu einer Vertagung führte. Auch die Sitzungspause konnte die divergierenden Positionen nicht mehr einfangen, die durch die neue Datierung einer Urkunde des Klosters St. Gallen erst möglich geworden waren.

Indessen kündigte Oberbürgermeisterin Sabine Becker an, den Räten die Begründung für die Bewerbung um die Landesgartenschau im Jahr 2020 noch einmal zukommen zu lassen. "Das war nicht nur ein schickes Datum", sagte Becker. Das Stadtjubiläum zur 1250-jährigen Wiederkehr der ersten schriftlichen Erwähnung sei ein gewichtiges Argument gewesen, das die Entscheidung des Landes für Überlingen beflügelt habe.

Gemeinderat Lothar Thum (ÜfA/FWV) erinnerte an die ausführliche Diskussion im Kulturausschuss, die zu einem einhelligen Konsens geführt habe, "die Ressourcen der Landesgartenschau für das Jubiläum zu nutzen". Auf die Synergien, was Infrastruktur und Außenwahrnehmung angehe, wies Sylvia Kruse-Baiker (SPD) hin. Es sei nicht sinnvoll, "drei Jahre später noch einmal hinterher zu kleckern".

Losgetreten hatte den Disput Ulrich Krezdorn (CDU). Er plädiere für die Feier des Stadtjubiläums im Jahr 2023. "Das soll ein Fest von Bürgern für Bürger sein", argumentierte er und erinnerte sich an das "tolle Fest" im Jahr 1970. Genau das war für den Fraktionskollegen Günter Hornstein im Ausschuss ein Argument gewesen, daran logisch anzuknüpfen.

In Verbindung mit der Landesgartenschau gehe das Fest in den zahlreichen Aktivitäten unter, befürchtete Krezdorn jetzt. "Das Fest wurde seinerzeit vom Ehrenamt getragen", sagte er. Doch das Ehrenamt werde von der Gartenschau schon stark strapaziert, Schulen und Vereine sollten sich hier einbringen. Wenn man diesen "noch mehr aufbrumme", bleibe ein wertvoller Teil auf der Strecke. 2020 sei ja ein Festakt denkbar, das eigentliche Fest solle jedoch erst 2023 stattfinden. "Ich will ein Fest für uns."

Krezdorns Argumente könne er nachvollziehen, erklärte auch Reinhard Weigelt (FDP): "Der Bürger hat eine gewisse Kapazität, was er an freiwilligem Engagement bereit ist zu geben", sagte er. "Das wollen wir für die Landesgartenschau und für das Stadtjubiläum." Bei einer Doppelveranstaltung sei der Bürger gezwungen sich zu entscheiden, da schaffe man weitere Gräben.

Oberbürgermeisterin Sabine Becker erinnerte an die Überlegungen im Kulturausschuss, viele vorhandenen Einrichtungen auch für das Jubiläum nutzen zu können. Damit falle den Vereinen eine Mitarbeit auch leichter, mutmaßte Becker.

Eine "sehr schwere Entscheidung" war es dennoch für Gemeinderätin Marga Lenski (LBU/Grüne). Im Gartenschaujahr 2020 gelte es auf jeden Fall, "in würdigem Rahmen an das Jubiläum zu erinnern", erklärte sie in der Runde: "Das große Jubiläum würde auch ich erst später feiern." Der Hauptgrund sei für sie die Hoffnung, bis ins Jahr 2023 noch eine "anständige Chronik" zu bekommen und nicht nur eine "Ansammlung von ohnehin schon bekannten Daten". Dass den Ehrenamtlichen "die Luft ausgehen könnte", das sehe sie auch. Wenn man das Jubiläum frühzeitig angehe, hielt Robert Dreher (FWV/ÜfA) entgegen, könne man dies sicher "sehr gut in die Landesgartenschau einbinden".

St. Gallus und Gunzo

Nicht zum ersten Mal verwies Gemeinderat Roland Biniossek (Linke) auf seine Lektüre des Ortskernatlasses der Stadtarchäologen. Hier habe er die Passage von einer "glaubwürdigen Überlieferung" entdeckt, nach der der heilige St. Gallus im Jahr 612 "im Ort Überlingen – ad iburingas villas" geweilt habe – unter anderem bei dem "hier ansässigen Herzog Gunzo". Deshalb bat er das Kulturamt um Prüfung. Biniossek: "Nicht dass uns da noch jemand reingrätscht." Diese Sorge versuchte ihm Oswald Burger (SPD) später noch zu nehmen. Die Gallus-Legende sei einfach eine Gründungslegende des Klosters St. Gallen, die später verfasst und zurückdatiert worden sei. Sie sei sehr ausgeschmückt, unter anderem mit dem Herzog Gunzo, der an dieser Stelle seine einzige Erwähnung überhaupt finde. Das Gebäude der so genannten Gunzoburg stamme aus dem 14. Jahrhundert, die Bemalung aus dem 19. Jahrhundert. Das erwähnte Jahr 612 sei kein echtes Datum, während der 9. August 773 auf einer Urkunde schriftlich vermerkt sei. (hpw)