Die Stadt scheint schon mobil zu sein. Das zeigen nicht nur die Autokolonnen, die sich durch die engen Straßen der Altstadt zwängen. Wer auf den Landungsplatz blickt oder auf den Münsterplatz, der sieht überfüllte Fahrradständer und Motorroller zuhauf. Doch Überlingen soll noch mobiler und der Individualverkehr umweltfreundlicher werden, sagt die Berliner Firma Tier Mobility, die ihr Sharing-System mit E-Scootern und in Friedrichshafen und Lindau 2021 schon erprobt hat.
Der Gemeinderat von Friedrichshafen hat bereits den Grundsatzbeschluss für einen Regelbetrieb gefasst. In einem Modellversuch will der weltweit agierende Anbieter von Juni bis September nun auch in Überlingen die Akzeptanz erproben, wie Regionalmanagerin Anna Lauffer-Schuler im Ausschuss für Bauen, Technik und Verkehr (ABTV) erläuterte. Bei einer Gegenstimme gab das Gremium am Ende grünes Licht.
E-Roller können zwischen Goldbach und Nußdorf genutzt werden
Mikromobilität nennt die Marketingfrau das Konzept, das auf allen Ebenen Klimaneutralität für sich in Anspruch nimmt. Insgesamt 250 Elektro-Roller und 50 Pedelecs stellt die Firma an ausgewählten Standorten bereit. Der Geschäftsbereich erstreckt sich von Goldbach bis Nußdorf, wobei das westlichere Brünnensbach ebenso ausgeklammert ist wie die Straße Zum Hecht im Osten. Ausgegrenzt sind in der aktuellen Version im Norden auch Altbirnau, das ganze Gewerbegebiet, Andelshofen, Aufkirch und die äußere Alte Owinger Straße.

Per App des Betreibers einchecken und bezahlen
Nach einer Registrierung und dem Festlegen einer Bezahlmethode kann jeder mit der App des Betreibers einchecken und sich einen freien E-Roller greifen. Am Ziel kann der Fahrer den Roller einfach abstellen, wobei es explizite Verbotszonen gibt. Seit Inkrafttreten der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung im Jahr 2019 dürfen batteriebetriebene Tretroller auf deutschen Straßen fahren, sofern sie eine Höchstgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern nicht überschreiten und die Fahrer die Verkehrsregeln einhalten. Die Fahrer müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Die Fahrzeuge sind mit einer eindeutigen Identifikation versehen. Mögliches Fehlverhalten der Nutzer sei daher über die Buchungs-App rückverfolgbar, betonte Anna Lauffer-Schuler. Auch lassen sich über GPS die Standorte der Scooter ermitteln. Denn feste Mitarbeiter von Tier Mobility sollen sie bei Bedarf mit einem Transporter wieder einsammeln.
Das Testgebiet für E-Scooter in der Stadt
„Die Mikromobilität kann nicht das Hauptverkehrsmittel Auto ersetzen, aber dazu beitragen, das bisherige motorisierte individuelle Verkehrsverhalten zu ändern“, formulierte Baubürgermeister Thomas Kölschbach in seiner Vorlage für die Beratung in der Ausschusssitzung. „Gerade im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Personennahverkehr schließen die neuen Fortbewegungsmittel die letzte Lücke, um das Ziel zu erreichen.“ Kölschbach sieht darin einen Versuch, die Mobilitätswende auch in Überlingen voranzubringen. Auch für den Tourismus könne das Angebot eine interessante Ergänzung sein, betont er.
In der vertraglichen Selbstverpflichtung bestätigt der Anbieter sein Interesse, „dass sich sein Angebot nicht solitär, sondern als Baustein der vielfältigen Mobilitätsmöglichkeiten in Überlingen entwickelt“. Im Vertrag verpflichtet sich der Anbieter, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die E-Tretroller von den Nutzern ordnungsgemäß abgestellt werden. Es müssen mindestens eineinhalb Meter Gehwegbreite frei bleiben.
Betreiber verpflichtet sich zu Parkverbotszonen und Überwachung
Durch technische Maßnahmen werden Parkverbotszonen für die Tretroller eingerichtet, zum Beispiel Grünanlagen, wo die Nutzer den Mietvorgang in der App nicht beenden können. Der Betreiber verpflichtet sich auch, die E-Tretroller in Echtzeit zu überwachen. Umgestürzte oder anderweitig gefährlich positionierte E-Scooter müssten so schnell wie möglich zu erkennen und innerhalb von zwölf Stunden zu beseitigen sein, sieht es der Vertrag vor. Die Regionalmanagerin verwies in ihrem Vortrag darauf, dass während der gesamten Probephase in Friedrichshafen lediglich ein Roller aus dem See geborgen werden musste.

Haben die Roller in der Innenstadt noch Platz?
Er habe schon auf so ein Angebot gewartet, erklärte Stadtrat Herbert Dreiseitl (LBU/Grüne), und finde es im Grundsatz gut. Er verwies allerdings auf die besonderen Bedingungen in Überlingen mit den teilweise recht engen Straßen und Gassen, die oft holprigen Pflasterbeläge und die zahlreichen älteren Menschen in der Stadt, denen man gerecht werden müsse. Sie habe das Angebot in Großstädten als sehr chaotisch erlebt, sagte Stadträtin Kristin Müller-Hausser (BÜB+): „Keiner hält sich an die Regeln.“ Schon jetzt gebe es für Fahrräder zu wenig Abstellmöglichkeiten in der Innenstadt. „Wo sollen denn die Roller noch Platz haben?“, fragte sie. „Um dies so gut zu organisieren, wie Sie es darstellen“, sagte Müller-Hausser, „da rechnen Sie zu wenig mit den Menschen.“
Ulrich Krezdorn stimmt gegen das Pilotprojekt
Auch Stadtrat Ulrich Krezdorn (CDU) verwies auf die Fehlbarkeit des Menschen. Bereits zahlreiche Radler hielten sich nicht an die Regeln an der Promenade, sagte er und forderte weitere explizite Verbotsschilder, auch wenn dieses Anliegen regelmäßig als überflüssig abgelehnt werde. Doch die Realität zeige die Notwendigkeit. Ohne den ergänzenden Beschluss einer zusätzlichen Beschilderung werde er dem Vorhaben nicht zustimmen, sagte Krezdorn und votierte am Ende auch als einziger in der Runde gegen das Pilotprojekt.