Einige Überlinger wollen das Wasserkraftwerk am Mantelhafen, und die ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Fallleitung, nicht bloß als Denkmal erhalten. Sie gründeten den Verein Bürgerenergie und wollen Fallleitung sowie Wasserkraftwerk übernehmen. Ihr Ziel: Die Fallleitung wieder in Betrieb nehmen. Die Idee dahinter: Moderne Rohre, die vom Durchmesser kleiner sind, in alten Leitungen verlegen, und somit den Andelshofer Weiher als Pumspeicher nutzen. Dazu haben sie dem Stadtwerk am See ein Übernahmeangebot unterbreitet.
Erneuerbare Energien gehöre bereits zu den wichtigsten Stromquellen in Deutschland. Dessen Ausbau sei eine zentrale Säule der Energiewende, die jedoch nur gelinge, wenn sie auch vor Ort, in den Gemeinden, vorangetrieben werde. „Jeder kann dazu beitragen“, sagt Peter Riegger. Er und die anderen Vereinsgründer streben deshalb die Reaktivierung des Wasserkraftwerks und dessen Umwidmung als Pumpspeicher an.
Schwankungen im Energienetz
In Deutschland werde genug Energie produziert. Allerdings nicht immer dann, wenn sie gebraucht wird. „Da aus Sonne und Wind jedoch wetterbedingt nicht konstant Strom produziert werden kann, ist ein dezentraler Energiespeicher wie das Wasserkraftwerk ideal, um diese Schwankungen im Netz auszugleichen“, so Riegger.
Eberhard Göde, der viele Jahre Dekan der Fakultät für Maschinenbau der Universität Stuttgart war, beklagt die Sorglosigkeit, die die Deutschen in Sachen Energieversorgung hätten. Ein Zusammenbruch des Stromnetzes sei offenbar erst nötig, um ein Problembewusstsein zu schaffen. Göde findet, dass ein Pumpspeicherkraftwerk helfen würde, punktuelle Überkapazitäten und das Risiko des Stromausfalls zu verhindern. Konkret in Überlingen hieße das: Wenn die Sonne scheint und es beispielsweise mittags zu Überkapazitäten an Solarstrom kommt, könne dieser genutzt werden, um das Wasser vom Bodensee in den Andelshofer Weiher zu pumpen. Umgekehrt – ist zu wenig Solarstrom vorhanden, kann das Wasser abgelassen werden und der Stromproduktion dienen.
Göde ist einer der „Berater“ im Verein. Der andere ist Josef Erlach. Der Wasserkraftbauer war bei Escher-Wyss, dem Hersteller der Turbinen im Wasserkraftwerk am Mantelhafen, beschäftigt. Heute ist er Berater für Wasserkraftanlagen und als solcher dem Verein und dessen Ziel sehr willkommen. Die Turbinen habe er erst kürzlich begutachtet. Es sei erstaunlich, in welch‘ gutem Zustand die Anlage sei, sind sich Erlach und Göde einig.

Petition zum Erhalt der Anlagen
Riegger ist einer der Initiatoren der Idee, das Wasserwerk und die Fallleitung zu übernehmen. Er hatte bei der Online-Plattform Openpetition eine Petition eingerichtet und Unterstützer für den Erhalt der Anlagen gewonnen. Einer davon ist Eric Hueber. Sein Motivation, beim Verein mitzuwirken, begründet Hueber mit einer auf seinem Hausdach liegenden Photovoltaikanlage (PV-Anlage), die regelmäßig mehr Strom produziere als aktuell benötigt. Doch wie den Strom speichern? Hueber: „Eine Wasserkraftanlage hat eine fünffache Lebensdauer von Batterien und kann nach 100 Jahren immer noch betrieben werden. In unserem Fall ist der Stausee bereits als Biotop vorhanden und die Druckleitung mit Turbinen-Anlage kann mit überschaubarem Aufwand instandgesetzt und zum Pumpspeicher ertüchtigt werden. Nach unserem jetzigen Kenntnis-Stand könnte es sogar sein, dass die Stromspeicherung durch den Pump-Speicher Andelshofer-Weiher mit dem Wasserkraftwerk Mantelhafen günstiger ist als mit Batterien.“
Über die Vereinsgründung sind Oberbürgermeister Jan Zeitler und der Gemeinderat informiert worden. Drei Fraktionen aus dem Gemeinderat, LBU/Die Grünen, Freie Wähler/ÜfA und BÜB+ haben dem Verein Gespräche angeboten.
„Wir wollen einen anderen Blickwinkel ermöglichen. Wir haben einen anderen Ansatz als das Stadtwerk„, sagt Riegger. Es sei völlig legitim, dass die Ziele des Stadtwerks kurfristiger seien. „Es geht nicht darum zu sagen, der eine hat Recht und der andere hat Unrecht.“ Es seien unterschiedliche Perspektiven. Zwischen Stadtwerk am See und dem Verein Bürgerenergie gebe es eine gute Kommunikation, sagt Riegger. Das Angebot des Vereins zur Übernahme vom Wasserwerk und Fallleitung werde derzeit vom Stadtwerk geprüft. Dazu werde sich das Stadtwerk aktuell nicht äußern, sagt ein Sprecher des Stadtwerks auf Nachfrage des SÜDKURIER.

Bürgerenergie Überlingen
Beim Regelenergiebetrieb handele es sich um sehr kleine Mengen an Wasser verglichen mit der Gesamtwassermenge des Andelshofer Weihers, so der Verein Bürgerenergie Überlingen. Die Pegelschwankung sei damit sehr gering. Energetisch betrachtet könne tagsüber kontinuierlich bis zu 500 Kilowatt Stromüberschuss gespeichert oder andersherum, zum Beispiel abends, zusätzlich mehr als 20 Elektroautos gleichzeitig an Schnellladesäulen im Stadtgebiet geladen werden, ohne dass das Stromnetz dadurch beeinträchtigt würde. Insgesamt könnte im Andelshofer Weiher, bei nur geringen Pegelschwankungen, ausreichend Energie für täglich etwa 300 Ladevorgänge für diese Fahrzeuge zwischengespeichert werden.
Der Verein „Bürgerenergie Überlingen“ sieht die Errichtung des Speichersees und den Bau der Leitungen und der Turbinenanlage vor etwa 100 Jahren als herausragende Leistung an, die eine zukunftsgerichtete Weiterführung verdiene. Gute Beispiele gebe es in Uhldingen oder in Wangen im Allgäu.
Wer den Verein „Bürgerenergie Überlingen“ unterstützen möchte, kann diesen unter der Telefonnummer 01 71/1 50 81 51 erreichen, oder per E-Mail an info@buergerenergie-ueberlingen.de.