Jeden letzten Donnerstag im Monat treffen sich die Herren, ob jung oder alt, des Vereins Altwieberich Überlingen. Dann nehmen meist zehn bis 15 der etwa 35 Mitglieder am rustikalen Tisch im Herzen des Wirtshauses zum Gundele an der Überlinger Hafenstraße Platz. Es wird gegessen, getrunken und geschwätzt. Aber auch geplant und organisiert, wie Vereinsvorsitzender Karlheinz Neufischer betont.

Aber an diesem letzten Stammtisch seines Vereins – der um eine Woche vorgezogen wurde, da die Gaststätte am Donnerstag vor Allerheiligen schon nicht mehr öffnet – die Betreiber, Gerda und Karl Heinz Saum gehen in den wohlverdienten Ruhestand. An diesem Abend steht der Spaß im Vordergrund. Geplant wird höchstens, welches Gericht oder welche Getränke bestellt werden. Und es wird ganz viel gelacht, sich erinnert und geschwätzt, geschwätzt und geschwätzt.

Gerhard Volk (links) und Sascha Schweitzer tragen ihr Vereinspulli mit breiter Brust.
Gerhard Volk (links) und Sascha Schweitzer tragen ihr Vereinspulli mit breiter Brust. | Bild: Navid Moshgbar

Über das Stadtleben, zum Beispiel über die Landesgartenschau im kommenden Jahr, und welche Schatten sie bereits ins Jahr 2019 wirft: „Der Seeblick ist jetzt futsch“, sagt ein Altwieberich. Es geht um das neue Pflanzenhaus an der Bahnstraße.

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„Der Verkehrschaos ist vorprogrammiert“, sagt ein anderer. Aber es geht auch um politische Themen, besonders die Stadtpolitik interessiert am Stammtisch. „Wir haben hier vor der Kommunalwahl 2009 die Idee für einen Wagen“, erinnert sich Neufischer. Es ging um die damalige Kandidatin und spätere Oberbürgermeisterin Sabine Becker.

Karlheinz Neufischer ist Vorsitzender des Vereins Altwieberich Überlingen.
Karlheinz Neufischer ist Vorsitzender des Vereins Altwieberich Überlingen. | Bild: Navid Moshgbar

Erst Stammtisch, dann Vereinsgründung

Wie ist es eigentlich zu diesem Stammtisch gekommen? Den Verein gibt es seit 2000. Bereits Mitte der 1990er Jahre traf sich eine Handvoll Männer regelmäßig zum Stammtisch – als Reaktion auf ihre Frauen: „Jeder Altwieberich hat ein altes Wieb dahoim“, sagt Neufischer. Gemeint sind die Frauen des Fastnachtvereins Alte Wieber Überlingen. Die trafen sich auch einmal im Monat. „Was die Frauen können, das können wir auch.“ Mit der Zeit ist ein „gemütlicher Haufen“ entstanden, alle Altersklassen – von 24 bis 70 Jahren – sind vertreten... alles Männer. Die Frauen haben ihren eigenen Stammtisch. „Ich weiß nicht, wo sich die Frauen in Zukunft treffen“, sagt Michael Nothelfer.

Michael Schäfer ist mit 24 Jahren das jüngste Vereinsmitglied. Er ist über seinen Vater nach und nach zum Verein gekommen.
Michael Schäfer ist mit 24 Jahren das jüngste Vereinsmitglied. Er ist über seinen Vater nach und nach zum Verein gekommen. | Bild: Navid Moshgbar

Aber vielleicht gibt es das ein oder andere Treffen gemeinsam – beide Stammtische sind bislang im Gundele beheimatet gewesen. Nun müssen sie sich ein neues Lokal suchen. „Wir probieren ein paar aus“, sagt Neufischer. „Was am Stammtisch auch gut ist: Hier entstehen echte Freundschaften“, so Neufischer.

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„Das Verständnis füreinander und der Zusammenhalt ist das Wichtigste.“ Manchmal versacke man in der Gastwirtschaft. „Ob früh oder spät, das ist eine Definitionssache“, ruft Rudolf Höfler mit einem breiten Grinsen. Die Gesprächsfetzen rufen die Männer über den Tisch – oder setzen sich um, wenn es mal zu laut wird in der Gaststätte.

Marcus Kuhn (links) und Christian Walter sitzen lieber an der Theke. Zum letzten Stammtisch der Altwieberiche sind fast die Hälfte der ...
Marcus Kuhn (links) und Christian Walter sitzen lieber an der Theke. Zum letzten Stammtisch der Altwieberiche sind fast die Hälfte der Vereinsmitglieder gekommen. | Bild: Navid Moshgbar

Ein Schwabe als Vorstand

Manche haben sich aus Platzmangel von vornherein an den Tresen: So wie Marcus Kuhn und Christian Walter – sie trinken ihr Pils direkt an der Theke. Elmar Rohrer und Wolfgang Furrer mögen lieber das dunkle Export. „Sag mal, wie bist du eigentlich Vorstand geworden?“ Rohrer foppt Neufischer. „Darf ein Schwabe hier eigentlich rein?“ Neufischer lacht mit und sagt: „Das gegenseitige Aufziehen gehört einfach dazu.“ Genauso das urige und gemütliche – und vor allem die enge Bindung an den Gastgeber. Karl Heinz Saum ist selbst Mitglied bei den Altwieberichen.

Karl Heinz Saum ist in der offenen Küche beschäftigt die Mahlzeiten der Gäste zuzubereiten. Bekannt ist das Gundele vor allem für die ...
Karl Heinz Saum ist in der offenen Küche beschäftigt die Mahlzeiten der Gäste zuzubereiten. Bekannt ist das Gundele vor allem für die hausgemachten Rösti. An diesem Abend bleibt die Küche weit länger geöffnet als üblich. | Bild: Navid Moshgbar

Wenn sich die Männer zum Stammtisch treffen, kommt Karl Heinz aus der Küche kaum raus. Zumindest ermöglicht die offene Küche den Blickkontakt. „Er ist 100-prozentig ein Fastnetler“, sagt Neufischer über Saum. Saum war es, der den Schwaben Neufischer in den Verein gebracht hat. Als Elektriker hat Neufischer auch seinen Anteil an der „Einrichtung“ der Gaststätte gehabt. „Ich hatte damals gar keine Klamotten für den Umzug. Er hat mir dann welche geliehen. Ich hab ihm dann versprochen, wenn es mir passt, unterstütze ich den Verein.“ Und das tut er seit 2001 sehr engagiert. „Nach der Fastnacht ist vor der Fastnacht.“

Gerda Saum zapft ein dunkles Export. Das wird von einigen Altwieberichen besonders gern nachgefragt.
Gerda Saum zapft ein dunkles Export. Das wird von einigen Altwieberichen besonders gern nachgefragt. | Bild: Navid Moshgbar

Überraschungsbesuch

Plötzlich erklingen Trompeten und der Rhythmus der Trommeln bannt sich seinen Weg durch die engen Flure der Gaststätte. Der Spielmanns- und Fanfarenzug der Freiwilligen Feuerwehr Überlingen stattet dem Gundele einen Besuch ab. Die Überraschung scheint geglückt: Gerda und Karl Heinz Saum lassen die Pfanne und den Zapfhahn stehen und klatschen in die Hände, grinsend und freudig strahlend gehen sie auf die Musiker zu. Auch die Gäste sind überrascht – sie zücken die Handys und manche schunkeln zur Musik. Das Gundele werde ihnen fehlen – darin sind sich Altwieberiche und auch die anderen Gäste sich einig. Und was meinen die Gastgeber?

Der Spielmanns- und Fanfarenzug der Freiwilligen Feuerwehr Überlingen überrascht Betreiber und Gäste des Gundele. Nut einige ...
Der Spielmanns- und Fanfarenzug der Freiwilligen Feuerwehr Überlingen überrascht Betreiber und Gäste des Gundele. Nut einige Stammtisch-Mitglieder waren eingeweiht. | Bild: Navid Moshgbar

„Es war eine wunderschöne Zeit – aber jetzt ist auch gut“, sagt Gerda Saum. „Die Gäste gönnen uns den Ruhestand – sie sagen uns aber auch, dass wir eine Lücke hinterlassen werden.“ Auf den Ruhestand haben sie seit fünf Jahren hingearbeitet. „Die Kräfte sind schon aufgebraucht.“ Künftig werden sie mehr Zeit mit den Kindern und dem Enkelkind verbringen. „Und wir sind flexibel. Wir können uns am Wochenende mit Freunden treffen und müssen nicht mehr sagen geht itt“, sagt Karl Heinz Saum.

Alexander Schurr, Vorsitzender des Spielmanns- und Fanfarenzugs, (von rechts) schaut am Stammtisch der Altwieberich vorbei: Thomas ...
Alexander Schurr, Vorsitzender des Spielmanns- und Fanfarenzugs, (von rechts) schaut am Stammtisch der Altwieberich vorbei: Thomas Schäfer, Silvan Mayer und Rudi Eppler freuen sich, kurz mit Schurr zu schwätzen. | Bild: Navid Moshgbar

Dann muss er wieder an den Herd und Gerda Saum geht zurück an die Theke: Die Musiker müssen schließlich auch versorgt sein. Die Gaststätte wird ab Mitte Dezember der Betreiber eines indischen Restaurants aus Markdorf übernehmen.

Im Herbst 2001 haben Gerda und Karl-Heinz Saum das Wirtshaus zum Gundele in der Überlinger Hafenstrasse eröffnet. Dort, wo zuvor die ...
Im Herbst 2001 haben Gerda und Karl-Heinz Saum das Wirtshaus zum Gundele in der Überlinger Hafenstrasse eröffnet. Dort, wo zuvor die legendäre „Almhütte“ war, entstand damals ein völlig neu gestaltetes Lokal. | Bild: Martin Baur

Gerda und Karl Heinz Saum

  • Die gebürtige Überlingerin Gerda Saum (63) ist gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin. In der Gastwirtschaft kümmert sie sich um die Theke und ist Bürocheffin.
  • Der Schwarzwälder Karl Heinz Saum (63) ist gelernter Koch. Kennengelernt haben sie sich vor 45 Jahren in der Fastnacht, bei einer Veranstaltung im Ratskeller.
  • Seit 41 Jahren sind sie verheiratet. Karl Heinz Saum war lange Zeit Küchenmeister – 1992 hat er sich seinen Traum von einer eigenen Gaststätte verwirklicht: Von 1992 bis 2001 betrieben beide zusammen den Grünen Baum. Direkt zu Beginn haben sie den Narrentag des Viererbundes beherbergt. „Wir waren sofort Feuer und Flamme. Das war eine große Party, sagt Gerda Saum.
  • Bei der Fastnacht haben sie 100-Prozent gegeben. „Es war sehr viel Arbeit, aber es war uns wichtig dabei zu sein. Und das immer mit Stolz“, sagt Gerda Saum. „Wenn man zur Fastnacht ein Lokal betreibt, muss man das im Blut haben“, sagt Karl Heinz Saum. „Während der Fastnacht muss man nicht drüber nachdenken. Da ist voller Einsatz gefragt.“
  • Im Jahr 2001 hat sich für das Gastronomen-Ehepaar eine neue Möglichkeit aufgetan. Wolfgang und Marina Walter, die an der Hafenstraße neue Pächter für ihr Lokal suchten, haben Gerda und Karl Heinz Saum angesprochen. Über Bekannte hatten sie sich kennengelernt. „Wir durften bei der Inneneinrichtung mitgestalten“ so Gerda Saum. „Wir sind vor Umbaubeginn gemeinsam rumgereist und haben uns Gasthäuser angeschaut. Eines davon war das Wirtshaus Schloss Brochenzell. Da war das in dem Stil – alt, urig – das hat uns auf Anhieb gefallen.“ Ende 2001 hat die Wirtshaus zum Gundele eröffnet.
  • 2006 stand erneut ein Narrentag des Viererbundes an. Danach hat die Gastwirtschaft nur noch abends geöffnet. Bis 2019 gab es nur den Ruhetag am Dienstag. In den letzten vier bis sechs Wochen kam der ein oder andere zusätzliche Ruhetag dazu. Am Montag, 28. Oktober, öffnete das Gundele das letzte Mal – bevor die Betreiber sich mit einigen Stammgästen an zwei Abenden endgültig im Gundele vom Gundele verabschieden.