Wer während der Sommermonate in Überlingen unterwegs ist, bemerkt: Gerade bei gutem Wetter platzen die Straßen und Plätze der Innenstadt beinahe aus allen Nähten. An der Uferpromenade und in der Münsterstraße tummeln sich sowohl Touristen als auch Einheimische. Angesichts dieser Menge an potenziellen Kunden sollte man meinen, dass es dem Einzelhandel gut geht und die Ladenbesitzer zumindest während der warmen Monate fleißig Umsätze machen. Bei einem Gang durch die Innenstadt fällt jedoch auf, dass mehrere Verkaufsräume leer stehen. Jüngstes Beispiel ist das Wäsche-Geschäft Medima an der Hofstatt, das am letzten Augusttag geschlossen wurde. Und auch der Betrieb des Vodafone-Shops an der Kreuzung zwischen Münsterstraße und Sandbergweg wurde eingestellt.
Während die Verantwortlichen der Geschäftsleitung von Medima aufgrund der Ferienzeit für eine Auskunft nicht erreichbar waren, konnte Vodafone-Sprecher Volker Petendorf Angaben zum Ladenschluss machen: So sei der Shop in Überlingen nicht von Vodafone selbst, sondern von einem Betriebspartner geführt worden. Die Schließung sei „eine gemeinsame Entscheidung von Vodafone und dem Betriebspartner“ gewesen, die Gründe rein strategisch und wirtschaftlich. Die beiden Mitarbeiter sollen ohne Unterbrechung in derselben Branche weiterbeschäftigt werden, ein neuer Vodafone-Shop soll in Überlingen nicht entstehen.

Warum aber erscheint es wirtschaftlich günstiger, das Geschäft zu schließen? Was lässt Überlingen für Einzelhändler unattraktiv erscheinen? Klaus Munding vom Modehaus Munding ist stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsverbunds Überlingen (WVÜ) und macht gleich mehrere Faktoren aus. Seiner Meinung nach profitiere Überlingen zwar von den zahlreichen Touristen, die Jahr für Jahr an den Bodensee strömen. Im Sommer gehe es den Einzelhändlern daher recht gut. Doch die Tourismussaison sei zu kurz, im Winter laufe das Geschäft daher schlechter. Der WVÜ versuche daher, die Menschenmassen mit Aktionen zu einem längeren Aufenthalt auch im Herbst zu bewegen.

Hinzu komme die Parkplatzsituation in der Innenstadt: „Wir haben echt ein Parkplatzproblem“, sagt Munding. Gemeinderat und Stadtverwaltung machen sich in seinen Augen zu wenig Gedanken darüber. Gerade im Sommer sei viel los, da seien „einfach genügend Parkplätze“ vonnöten. Insbesondere mit Blick auf die kommende Landesgartenschau: „Wenn wir nächstes Jahr so viel Verkehrschaos haben, verärgern wir unsere Landkundschaft“, ist sich Munding sicher. Denn Überlingen lebe neben den Stadtbewohnern und den Touristen auch von den Bewohnern der umliegenden Orte, die oft mit dem Auto anreisen. Daher fordert Munding eine bessere Beschilderung und ein Parkleitsystem oder menschliche Einweiser, die während großen Veranstaltungen wie dem Töpfermarkt, wenn noch mehr Menschen nach Überlingen kommen, den Verkehr regeln und den Autos den Weg weisen.

Und noch etwas wertet Munding als problematisch für den Überlinger Einzelhandel: „Die Mieten sind alle viel zu hoch“, sagt er. Die Vermieter sollten den Händlern entgegenkommen und sich darum bemühen, diese langfristig in ihren Räumen zu halten.
Ihm stimmen auch einige Einzelhändler aus Überlingen zu. „Die Parksituation ist ein Thema, das schon seit über 30 Jahren auf dem Programm steht. Ich denke, man hat da ein bisschen was verschlafen“, sagt Ulrike Stöckle, Inhaberin des Blumengeschäfts Blütenrausch in der Münsterstraße. „Und es ist schon auch ein Problem, dass die Mieten recht hoch sind.“ Der Meinung ist auch Inge Wiedmann von der Goldschmiede Zwei Design, die direkt neben dem geschlossenen Vodafone-Shop liegt: „Die Höhe der Pachten würde ich als das größte Problem bezeichnen, das den Händlern zu schaffen macht“, sagt sie. „Wir haben hier zwar eine Sommersaison, aber im Winter wird es sehr ruhig, da muss man die Pacht aber weiterhin bestreiten. Für Einzelhändler, die Ware anbieten, die nicht so hochpreisig ist, ist das schwierig.“ Sie könne zwar verstehen, dass den Investoren, denen die Verkaufsräume gehören, ihre Rendite wichtig sei. „Aber Überlingen ist so klein, das gibt der Umsatz nicht her.“
Ein ganz anderes Problem macht Peter Wunsch von der Kultur-Ecke in der Münsterstraße aus: „Überlingen geht immer mehr in Richtung Massentourismus, gerade mit der Landesgartenschau. Daran stören sich meine Kunden, die die tausend Touristen nicht möchten.“ Und auch er beschwert sich über den Mangel an Parkplätzen: „Die Parkplatzsituation ist sowieso ein Problem.“ Petra Huber, der Lederwaren Petra Huber gehört, würde sich wünschen, dass auf der Hofstatt Kurzzeitparkplätze entstehen. „Da wurde viel Platz vergeudet“, ist sie sich sicher.
Der WVÜ
Der Wirtschaftsverbund Überlingen (WVÜ) setzt sich aus Mitgliedern aus den Branchen Handel, Handwerk, Gastronomie und Dienstleistung zusammen. Dabei handelt es sich um Unternehmen wie zum Beispiel Hotels, Läden, Bäckereien oder Banken. Ziel des Verbunds ist es, das Stadtgeschehen und die Situation der ansässigen Unternehmen mitzugestalten. Zu diesem Zweck organisiert der WVÜ Aktionen wie den Überlinger Herbst, den Weihnachtsmarkt und den langen Einkaufsabend. Vorsitzender ist Reinhard Haas, sein Stellvertreter Klaus Munding. Informationen gibt es unter www.wvue.de.